Interview mit Tonne-Chef: Steffen Wilde über geplante Kürzungen der Kulturförderung
Dresden - Am 16. Dezember entscheidet der Kulturausschuss im Neuen Rathaus über die institutionelle und projektbezogene Kulturförderung für das erste Halbjahr 2026. Vor dem Hintergrund der Haushaltssperre war zunächst von weiteren 25 Prozent, zuletzt von zehn Prozent Kürzung die Rede. So oder so stehen den Kulturinstitutionen voraussichtlich empfindliche Einschnitte bevor. Wir sprachen mit Steffen Wilde (61), Geschäftsführer des Jazzclubs Tonne, über die Nöte seines Hauses.
TAG24: Herr Wilde, die Stadt will die kommunale Kulturförderung weiter kappen. Was bedeutete das - in Zahlen - für den Jazzclub Tonne? Bitte rechnen Sie vor!
Steffen Wilde: Wir haben zuletzt 135.000 Euro Institutionelle Förderung erhalten. Bei 25 Prozent Kürzung wären es also fast 34.000 Euro weniger. Allerdings steht der Fördervorschlag des Kulturamts Dresden für die Tonne mit 93.750 Euro in der Tabelle. Das wären also sogar 30 Prozent Kürzung.
TAG24: Mit wie vielen Planstellen arbeitet die Tonne?
Wilde: Die beiden Geschäftsführer*innen sind die einzigen Angestellten des Vereins. Mehr ist finanziell nicht machbar. Technikpersonal arbeitet auf Honorarbasis, Einlass- und Barpersonal als studentische Hilfskräfte oder ehrenamtlich.
TAG24: Inwiefern wäre die Arbeitsfähigkeit der Tonne durch die Kürzung beeinträchtigt?
Die Arbeitsfähigkeit an sich wird nicht sofort beeinträchtigt, wir arbeiten mit der genannten personellen Ausstattung ja seit Jahren. Wie sich eine Kürzung auf die Arbeitsfähigkeit im "Alltagsgeschäft" auswirkt, wird sich erst im Laufe des ersten Halbjahres 2026 zeigen. Sofort beeinträchtigt wird aber ganz enorm das durchführbare Programm. Künstlergagen stagnieren seit Jahren, während Produktions- und Betriebskosten stetig steigen. Einziger Ausweg wäre die weitere Reduzierung der jährlichen Anzahl der Konzerte. Wir veranstalten bereits aufgrund steigender Kosten - aber gleichbleibender Förderung - statt 100 Konzerte 2019 lediglich noch 70 pro Jahr. Wir müssten weiter reduzieren.
Wilde: Kultursponsoring zu akquirieren ist allgemein nicht einfach
TAG24: Den Angaben nach ist die finanzielle Situation Dresdens desolat. Was könnte die Stadt anderes tun, als Zuschüsse zu kürzen? Die von der Stadt vorgenommenen Mittelkürzungen erfolgen nicht willkürlich und sie betreffen alle kommunalen Bereiche.
Wilde: Nachhaltigeres, zukunftsorientiertes Denken ist sehr wichtig. Und effektiveres Arbeiten ist in sehr vielen Bereichen möglich.
TAG24: Kulturinstitutionen wie die Dresdner Musikfestspiele hoffen auf Kompensation der gekürzten Mittel durch Drittmittel und Sponsoring. Wie ist die Tonne da aufgestellt?
Wilde: Kultursponsoring zu akquirieren ist allgemein nicht einfach. In der Regel werden nur große "Events" unterstützt. Die werden aber nur möglich durch die Basisarbeit im Clubbereich, das darf nicht vergessen werden. Wenn Mittel dort gestrichen werden, wird es diese Art von Kultur in naher Zukunft nicht mehr geben. Kulturvereine wirken zwar permanent, sind aber aufgrund fehlenden Eventcharakters und entsprechend weniger "Rampenlicht" wohl nicht interessant genug. Es bestehen also trotz stetiger Bemühungen für die Tonne äußerst geringe Aussichten, dass Kürzungen aufgefangen werden können.
TAG24: Ein neuer Plan der Fraktionen CDU, Grüne, SPD und FDP/Freie Bürger hat zum Inhalt, dass die Fördermittel statt auf 75 Prozent bloß auf 90 Prozent des Bisherigen sinken sollen. Inwieweit wäre der Tonne damit geholfen?
Wilde: Uns hilft jeder Euro. Eine zehnprozentige Senkung ist auch schon sehr schmerzhaft, aber natürlich nicht annähernd so hart wie 25 Prozent oder gar mehr.
TAG24: Was ist im Moment Ihre größte Sorge, was Ihre größte Hoffnung?
Wilde: Unsere größte Sorge ist, dass die ausgezeichnete Programmqualität, die wir seit Jahren bieten, nicht mehr gewährleistet werden kann. Wir haben gerade zum zehnten Mal den Spielstättenprogrammpreis APPLAUS der Bundesregierung erhalten. Das ist außer der Tonne bundesweit nur zwei weiteren Clubs gelungen. Dresden verlöre einen Kulturort, der permanent und weit strahlt. Unsere Hoffnung ist, dass bei Förderentscheidern erkannt wird, wie immens wichtig Kunst und Kultur für die Gesellschaft sind. Sie machen das Leben erst wirklich lebenswert.
Titelfoto: Bildmontage: Thomas Türpe (2)

