Nackedeis demonstrieren für Recht auf "oben ohne"
Leipzig - Am gestrigen Samstag demonstrierten rund 50 Freunde der Freikörperkultur am Bayerischen Bahnhof in der Messestadt Leipzig.

"Wir fordern eine gleichberechtigte Oberkörperfreikultur für alle Geschlechter und ein neues Bewusstsein in der Bevölkerung dafür", erklärte Veranstaltungsleiterin Sophie Schimanski (22) vom "Wandelkollektiv".
Eine Demo-Auflage verhinderte den Plan, dass unisono oben ohne demonstriert werden konnte - doch dürfte man das überhaupt?
"Grundsätzlich gibt es in Deutschland kein Verbot, sich auszuziehen", stellt Polizeihauptkommissar Stefan Grohme von der Polizeidirektion (PD) Dresden klar. "Grenzen sind immer dort zu ziehen, wo andere mehr als unerheblich belästigt werden".
Die Trennlinie zwischen Nacktsein und Belästigung regelt ausgerechnet der Gummiparagraf 118. Darin ist nebulös festgelegt, dass jemand eine Ordnungswidrigkeit begeht, der "eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen".
Grohme: "Der Paragraf ist vom Gesetzgeber bewusst so offen formuliert worden, um im Einzelfall einen Entscheidungsspielraum zu lassen." Dabei gilt für Nackedeis: Wo kein Kläger, da kein Richter.
"Eine Belästigung liegt grundsätzlich dann vor, wenn die Handlung auf öffentlichen Straßen und Anlagen vorgenommen wird und jemandem ein nicht geringfügiges Unbehagen zufügt", erklärt Anke Hoffmann von der Stadt Dresden. "Es genügt, dass Passanten erschreckt und irritiert sind". Dann schreitet das Ordnungsamt ein. Hoffmann: "Im vergangenen Jahr wurden bei uns insgesamt 18 solcher Fälle aktenkundig. In diesem Jahr sind es bereits 22."
Die Ordnungswidrigkeiten können mit Strafen bis zu 1 000 Euro geahndet werden. Davon blieben die "Wandelkollektiv"-Demonstranten gestern verschont.

Was zu viel ist, ist zu viel

Kommt eine sexuelle Komponente zum Nacktsein hinzu, wird Entblößen zur Straftat - beispielsweise bei einem Exhibitionisten, der anderen gegen ihren Willen seine Geschlechtsteile zeigt.
"Im Zuständigkeitsbereich der PD Dresden wurden 2019 neun Fälle von Erregung öffentlichen Ärgernisses registriert. Dieses Jahr wurden bislang sieben angezeigt", sagt Polizeihauptkommissar Stefan Grohme von der Polizeidirektion Dresden.
Bei der PD Leipzig waren es im vergangenen Jahr 14 solcher Fälle. In diesem Jahr sind es bereits neun.
Sechs davon wurden in den Sommermonaten zwischen Juni und August aktenkundig.

"Wer öffentlich sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bestraft", sagt Dorothea Benndorf von der Polizeidirektion Leipzig.
Titelfoto: privat