Erschreckende Vorwürfe: So soll es mit dem 1. Frankfurter Polizeirevier nun weitergehen
Von Sandra Trauner
Frankfurt am Main - Wie verhindert man, dass Polizisten in einer aggressiven Umgebung selbst aggressiv werden? Das ist die Frage, die sich stellt, wenn es um das 1. Frankfurter Polizeirevier geht.
Denn genau diese Dienststelle hat wiederholt negative Schlagzeilen gemacht. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen 17 (!) Polizistinnen und Polizisten wegen Körperverletzung, Strafvereitelung im Amt sowie auch Verfolgung von Unschuldigen.
Vier Wochen, nachdem die Vorwürfe publik wurden, besuchte Innenminister Roman Poseck (55, CDU) das belastete Revier. Mit dabei: der Frankfurter Polizeipräsident Stefan Müller und der neue Leiter des Reviers, der ebenfalls Stefan Müller heißt.
In vertraulichen Gesprächen hörten sie sich vor Ort an, was die Kollegen belastet, und präsentierten einen Maßnahmenkatalog, der Abhilfe schaffen soll.
Das Revier liegt auf der Zeil und ist für die gesamte Innenstadt der Mainmetropole zuständig.
Auf 120 Mitarbeiter kommen 4500 Straftaten und 2500 Festnahmen jährlich. Die Beamten erlebten eine Menge "Aggression, Respektlosigkeit und Provokationen", so Müller. Im September umzingelte eine Menschenmenge ein Überfallkommando. Im Oktober fanden Beamte in einem Polizeiwagen einen Kothaufen auf dem Fahrersitz.
Schwerwiegende Vorwürfe gegen Polizeibeamte in Frankfurt
Solche Erlebnisse könnte "zur Verrohung Einzelner" beigetragen haben, sagte der Polizeipräsident, vielleicht verstärkt durch Gruppendynamik und schwache Führung. Die "gravierenden Vorwürfe" könne das nicht entschuldigen: "Hier wurden rote Linien überschritten", so Müller, der die Übergriffe selbst auf Überwachungskameras gesehen hat.
Der neue Revierleiter übernahm ein Team, das nach seinen Worten "emotional stark belastet" ist. Die Belegschaft sei "traurig, fassungslos, wütend" über das Verhalten der Kollegen, sagte Müller. Er spüre "eine deutliche Verunsicherung" in der Belegschaft, erlebt allerdings ebenfalls viele, die ihrem Dienst "mit Engagement und aus Überzeugung" nachgingen.
"Die Vorwürfe wiegen schwer, ja: sie sind erschütternd", sagte der Minister mit Blick auf die Lage. Dennoch sei das Verhalten der Mitglieder der einen Dienstgruppe "alles andere als repräsentativ" und dürfte nicht verallgemeinert werden.
Auch mit früheren Vorwürfen gegen Beamte des Reviers sollten die Fälle nicht vermischt werden, findet Poseck.
Maßnahme sollen Abhilfe schaffen
2018 war das Revier im Zusammenhang mit den rechtsextremen Drohschreiben mit dem Absender "NSU 2.0" aufgefallen. Persönliche Daten einer Empfängerin wurden dabei unbefugt von einem Dienstcomputer im 1. Revier abgefragt. Bei den Ermittlungen wurde die Chatgruppe "Itiotentreff" entdeckt, in der teils menschenverachtende und rechtsextreme Inhalte von vielen geteilt wurden.
Poseck präsentierte einen Maßnahmenkatalog. Dieser soll die Mitarbeiter entlasten, ihre Resilienz stärken und ihre Arbeit attraktiver machen.
Zu den Maßnahmen zählen:
- kürzere Rotation: nur noch drei statt vier Jahre im 1. Revier
- anderer Personalmix: weniger Kollegen in der Probezeit, mehr erfahrene Kräfte
- keine Dienste mehr an Wochenenden für Objektschutz oder Einsatzlagen
- verlässliche freie Tage
- bessere Beförderungsmöglichkeiten
- Bürokratieabbau
- Einführung eines Schutzmanns vor Ort
- mehr Supervision für Beamte und Coaching für Führungskräfte
- Meldestelle für anonyme Hinweise
- Umbau der Dienststelle
Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jens Mohrherr, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Der Ansatz Rückendeckung und Wertschätzung ist richtig." Offen bleibe aber ein wichtiger Punkt: die Rolle der Justiz. Die Beamten erlebten tagtäglich, "dass Straftäter, auch Wiederholungstäter, am nächsten Tag wieder auf der Straße stehen".
Das 1. Revier personell zu stärken sei richtig, "aber nicht durch bloßes Umverteilen: Wir brauchen mehr Personal". Das entsprechende Kernproblem könne die Politik nicht alleine lösen, denn es sei ein gesellschaftliches: "Wir brauchen wieder mehr Respekt und Wertschätzung für die Arbeit der Rettungskräfte." Auf Worte müssen nun Taten folgen.
Titelfoto: Andreas Arnold/dpa

