Vermisstenfall Hilal: Bruder kämpft nach 22 Jahren wieder gegen falsche Verdächtigungen

Hamburg - Es ist unvorstellbar, wie sich ein Mann mehr als 22 Jahre nach dem spurlosen Verschwinden der eigenen Schwester fühlen muss. Wie muss es ihm wohl gehen, wenn seiner Familie zu Unrecht eine Verstrickung in den Fall vorgeworfen wird?

Hilal Ercan verschwand am 27. Januar 1999 im Alter von zehn Jahren in Hamburg. (Archivbild)
Hilal Ercan verschwand am 27. Januar 1999 im Alter von zehn Jahren in Hamburg. (Archivbild)  © Montage: Polizei Hamburg/dpa

Abbas Ercan ist sauer und traurig, schrieb er in einer Stellungnahme auf Facebook. Am 27. Januar 1999 verschwand seine damals zehn Jahre alte Schwester Hilal. Das Mädchen ging alleine ins Hamburger Einkaufszentrum "Elbgaupassage" und kam nie wieder zurück. Seit Jahren erschüttert ihr Schicksal die Stadt und lässt Familie sowie Ermittler nicht los.

Die Polizei geht davon aus, dass Hilal auf dem Parkplatz vor dem Einkaufszentrum in ein Auto gezogen und anschließend an einen unbekannten Ort gebracht wurde – das Kind wurde höchstwahrscheinlich Opfer eines Verbrechens, es gibt aber keine Leiche. Zeugen beschrieben einen Mann mit rotblondem Haar als möglichen Entführer.

Anfangs hielten die Ermittler eine Entführung durch Familienmitglieder für wahrscheinlich. Mehrere mögliche Verstecke bei Verwandten in der Türkei wurden durchsucht.

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Offenbar eine völlig falsche Fährte, die an die jahrelangen falschen Verdächtigungen im Rahmen der rechtsextremen Terrorgruppe NSU erinnert.

Doch die These hat weiterhin Anhänger. "Leider gibt es manchmal Menschen, die wirklich behaupten und denken, dass wir unsere Hilal zwangsverheiratet in die Türkei gebracht haben. Dazu kann ich nur mit dem Kopf schütteln", schrieb ihr Bruder.

"Damals hat die Polizei leider in die falsche Richtung ermittelt und sich auch bei uns entschuldigt dafür, dass unsere Familie nichts damit zu tun hat."

Abbas Ercan weist Anschuldigungen zurück

Staatsanwaltschaft erhöhte Belohnung im Fall Hilal

Im Jahr 2018 kam wieder Bewegung in den Fall, als Polizisten im Volkspark nach der Leiche des Mädchens suchten. (Archivbild)
Im Jahr 2018 kam wieder Bewegung in den Fall, als Polizisten im Volkspark nach der Leiche des Mädchens suchten. (Archivbild)  © Bodo Marks/dpa

Aus seiner Sicht habe die Polizei von Anfang an den falschen Weg eingeschlagen "und den wirklichen Täter in Ruhe gelassen". "Es gibt Zeugen, die sagen es war ein Mann – Wikinger-Typ mit rot blondem Haar. In unserer Familie gibt es keinen, der diese Beschreibung hat." [Rechtschreibung entspricht dem Original, Anm. d. Red.]

Sie passt aber auf einen verurteilten Straftäter. Im Jahr 2005 gestand der wegen Kindesmissbrauch vorbestrafte Dirk A., Hilal entführt und getötet zu haben. Allerdings widerrief er kurz danach die Tat und gestand Monate später erneut.

Polizisten gruben im Volkspark und einer Kiesgrube in Rissen. Keine Spur von dem Mädchen. Auch als 2018 erneut Bagger im Volkspark suchten, war es erfolglos.

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Für Hinweise, die zur Aufklärung des Falls führen, hat die Staatsanwaltschaft erst kürzlich die Belohnung auf 20.000 Euro erhöht.

Abbas Ercan geht davon aus, dass A. etwas mit dem Verschwinden seiner Schwester zu tun hat. Dafür gebe es viele belastende Indizien. "Das ist auch mein Bauchgefühl." Doch A. schweigt, er sitzt in der geschlossenen Psychiatrie.

"Wir wollen nur, dass unsere Hilal endlich gefunden wird und wir endlich Frieden und Ruhe bekommen", so ihr Bruder.

Titelfoto: Montage: Bodo Marks/dpa, Polizei Hamburg/dpa

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