Molotow-Chef Andi Schmidt über sein Lebenswerk: Clubsterben nicht mehr aufzuhalten?

Hamburg - Wieder muss sich Hamburg von einem beliebten Club verabschieden, in dem viele Musiker ein Zuhause gefunden hatten. Das Molotow soll abgerissen werden und für ein Hotel weichen. TAG24 hat mit Clubbesitzer Andi Schmidt (60) über die Zukunft gesprochen.

Gründer und Chef des Molotow Andi Schmidt (60) im Hauptraum seines Musikclubs auf der Reeperbahn.
Gründer und Chef des Molotow Andi Schmidt (60) im Hauptraum seines Musikclubs auf der Reeperbahn.  © Alice Nägle/TAG24

"Ich hoffe, dass es noch eine Lösung geben wird. Ich finde einfach, dass Livemusik auf die Reeperbahn gehört und nicht von hier verschwinden darf", startete Andi Schmidt, Gründer und Chef des international bekannten Musikclubs Molotow, hoffnungsvoll, wenn auch etwas bedrückt in das Interview.

Die Räumlichkeiten für sein Lebenswerk auf der Reeperbahn wurden ihm zu Ende Juni dieses Jahres gekündigt. An seinem Standort soll ein Lindnerhotel entstehen. Lindner gehört zu Hyatt, einer der weltweit größten Hotelketten.

Doch ob sein seit 1990 existenter Rock- und Indieclub nur von seinem Platz auf St. Pauli oder gänzlich komplett aus der Hansestadt verschwinden muss, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch unklar.

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"Ich hoffe nicht, dass er für immer verschwunden sein wird. Ich hoffe nicht mal, dass er umziehen muss. Wenn er umzieht, dann sollte das auch eine endgültige Lösung sein. Was wir nicht machen wollen, irgendwo hinziehen und dann drei Jahre später wieder", macht Schmidt seinem Ärger Luft.

Schließlich musste das Zuhause vieler, besonders Newcomer-Musiker, bereits drei Mal innerhalb Hamburgs in den vergangenen Jahren umziehen. Neue Räumlichkeiten stünden dem Musikclub sowieso noch nicht in Aussicht, so Schmidt. "Das ist ja das Problem. Es muss auch einfach bezahlbar sein."

Das Molotow jedoch ist nicht die einzige Konzert- und Party-Location, die in Hamburg für Neubauten weichen muss. Die Techno-Clubs Fundbureau und Waagenbau, sowie die Astra-Stube mussten zu Beginn des Jahres ihre langjährigen Standorte an der Sternbrücke wegen eines geplanten Neubaus der S-Bahn-Brücke für immer räumen.

Noch gibt es auch hier keine neuen Verträge. Eine zeitnahe Umsetzung für die beiden heimatlosen Clubs scheint unwahrscheinlich. Für den Molotow-Gründer ein ganz falsches Signal.

Kultursenator: "Verliere alles, wenn das Molotow hier verschwindet"

Das Clubsterben in Hamburg ist großes Thema. Nun soll auch das Molotow auf der Reeperbahn für ein weiteres Hotel weichen.
Das Clubsterben in Hamburg ist großes Thema. Nun soll auch das Molotow auf der Reeperbahn für ein weiteres Hotel weichen.  © Alice Nägle/TAG24

"Hamburg sieht sich als Musik- und Szene-Stadt. Das freut mich auch sehr, das muss dann aber auch umgesetzt werden. Wenn die Clubs immer wieder weichen müssen, ist das genau das falsche Signal", findet der 60-Jährige und betont: "Das ist ja auch was, was nicht nur in Hamburg stattfindet. Hamburg hätte jetzt die Chance, ein Zeichen zu setzen und zu zeigen: 'Uns ist Clubkultur und Livemusik wichtig!"

Die Politik solle seiner Meinung nach den Spieß umdrehen und nicht das tun, was der Investor möchte, sondern das umsetzen, was die Menschen sich wünschen: Livemusik in Hamburg erhalten.

"Ich hoffe, dass dem Senat eine Lösung einfällt. Ich finde es gut, dass es überhaupt Thema ist. Vor 10 Jahren, als wir zum ersten Mal abgerissen wurden, war das noch ganz anders", sieht Schmidt ein klitzekleines Licht am Ende des Tunnels.

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Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD, 49) jedenfalls findet: "Ich gewinne nichts, mit einem weiteren Hotel hier auf dem Kiez, aber ich verliere alles, wenn das Molotow hier verschwindet." Doch wird das die Investoren noch umstimmen?

Bands wie Kraftclub setzen sich gegen Moltow-Schließung ein

Ausgetanzt: Wird schon bald niemand mehr zu Newcomer-Livemusik im Molotow feiern können?
Ausgetanzt: Wird schon bald niemand mehr zu Newcomer-Livemusik im Molotow feiern können?  © Alice Nägle/TAG24

Dass der Senat inzwischen für den Erhalt des Molotow auf dem Kiez einsteht, kommt nicht von irgendwoher.

Seit Ende vergangenen Jahres setzt sich der Club gemeinsam mit Demos, Merch und Social-Media-Aufrufen von Musikern wie "Kraftclub" in voller Linie gegen die Schließung ein.

"Es freut mich sehr, dass die Leute uns unterstützen, und es zeigt uns, dass es wirklich im Interesse der Gesellschaft ist, dass es weiterhin (Live)-Clubs und Musik auf der Reeperbahn gibt." Ein T-Shirt, mit der Aufschrift "Molotow must stay", könne man als Zeichen der Unterstützung außerdem im FC St. Pauli-Fanshop erwerben.

Auch Norbert Hackbusch (69, DIE LINKE), kulturpolitischer Sprecher, sieht das drohende Ende des Molotow als Gefahr und findet, die Investoren tanzen dem Senat auf der Nase herum: "Es ist nur das i-Tüpfelchen. Die Basiskultur hat in Hamburg insgesamt ein Problem: Ob an der Sternbrücke, der Reeperbahn, in Rothenburgsort oder Wilhelmsburg, überall wird das Angebot kleiner."

Letztlich ist es nicht nur die Kultur, die der Hansestadt verloren geht, sondern auch Arbeitsplätze, die Schmidt im Ernstfall nicht erhalten kann. "Man muss das irgendwie anzeigen, dass es in Aussicht steht, weil der Mietvertrag gekündigt wurde. Aber das ist natürlich was, was mir sehr weh tut."

Der Mietvertrag wurde gekündigt, doch ausziehen will das Molotow eigentlich nicht. Mit Demos, Merch und prominenten Instagram-Aufrufen soll der Kultclub doch noch gerettet werden.
Der Mietvertrag wurde gekündigt, doch ausziehen will das Molotow eigentlich nicht. Mit Demos, Merch und prominenten Instagram-Aufrufen soll der Kultclub doch noch gerettet werden.  © Jonas Walzberg/dpa

Molotow ist "Lieblingsclub" der Hamburger

Erst vergangene Woche wurde das Molotow mit dem Hamburger Clubaward ausgezeichnet. Besonders gefreut habe sich die Crew über den Publikumspreis "Lieblingsclub". "Das haben eben die Leute entschieden und keine Jury", so Schmidt.

Wie es für den "Lieblingsclub" der Hamburger weitergeht, steht also noch in den Sternen. Eins ist jedoch sicher, Andi Schmidt gibt nicht auf und kämpft um die Existenz seines Lebenswerks: "Wir schauen mal, wie sich das entwickelt. Im Zweifelsfall machen wir noch mal eine Demo!"

Titelfoto: Bildmontage: Alice Nägle/TAG24

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