Hamburg - Am 1. November startet in Hamburg das Winternotprogramm (WNP) 2025/26, das obdachlosen Menschen Schutz vor Kälte und Erfrierungen bieten soll. Während die SPD den Start des Programms als Beweis dafür feiert, dass "Hamburg niemanden zurücklässt", spricht die Linke und soziale Initiativen von einer "Ausgrenzung nach Sonnenaufgang". Trotz zusätzlicher Plätze müssten viele Betroffene tagsüber bei Minusgraden wieder auf die Straße.
Das WNP läuft bis Ende März 2026 und bietet rund 1100 zusätzliche Schlafplätze an. Neben den ganzjährig geöffneten Einrichtungen "Pik As" und "FrauenZimmer" stehen in diesem Winter die großen Standorte Friesenstraße 22 (400 Plätze) und Châu-und-Lân-Straße 6 (300 Plätze) zur Verfügung.
Beide werden vom städtischen Unternehmen Fördern & Wohnen (F&W) betrieben. Die Unterkünfte öffnen täglich von 17 Uhr bis 9.30 Uhr.
Tagsüber könnten obdachlose Menschen die Tagesaufenthaltsstätten (9.30 Uhr bis 16 Uhr) nutzen. Ein Shuttlebus soll die Standorte des F&W und den Hauptbahnhof verbinden.
Hinzu kommen etwa 100 Containerplätze bei Kirchengemeinden und Hochschulen, die jeweils mittwochs und donnerstags vergeben werden. Hier dürfen sich die Betroffenen so lange aufhalten, wie sie wollen.
Neben einem warmen Bett erhalten die Gäste Mahlzeiten, medizinische Grundversorgung, Sozialberatung sowie Zugang zu Waschmaschinen und Hygieneartikeln. Für Frauen und LSBTIQ*-Menschen gibt es geschützte Bereiche.
Kritik an SPD-Aussage, dass Hamburg niemanden zurücklasse
Die Stadt betont, dass in Hamburg niemand im Winter im Freien übernachten müsse. Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (54, SPD) sagte, das Winternotprogramm sei längst mehr als nur Kälteschutz: Es eröffne Perspektiven und erleichtere den Zugang zum Hilfesystem.
Auch die SPD-Fraktion lobt das erweiterte Angebot. Baris Önes (40) erklärte: "Das Winternotprogramm ist mehr als nur ein Schutz vor der Kälte – es geht um die Würde der Menschen. Die erweiterten Plätze und die umfassende Betreuung, vom warmen Bett bis hin zu medizinischer und sozialer Beratung, zeigen: Hamburg lässt niemanden zurück."
Ganz anders bewertet die Linksfraktion den Kurs des Senats. Deren sozialpolitische Sprecherin Olga Fritzsche (53) wirft SPD und Grünen "Zynismus" vor:
"Vor zwei Wochen haben SPD und Grüne unseren Antrag für eine ganztägige Öffnung des Winternotprogramms in der Bürgerschaft abgelehnt. Und nun rühmen sie sich damit, niemanden zurückzulassen. Das ist zynisch. Viele obdachlose Menschen bleiben auf der Strecke, nämlich wenn sie den vermeintlich 'falschen' Pass haben oder wenn die Sonne aufgeht und sie tagsüber auch bei Minusgraden wieder auf die Straße müssen."
Soziale Initiativen schließen sich der Kritik an: Die nächtliche Öffnungszeit reiche nicht aus, um Menschen in akuter Not Sicherheit und Stabilität zu bieten. Gefordert wird ein rund um die Uhr zugängliches Schutzangebot, das mehr als nur Übernachtung gewährleistet.
Die Stadt verweist darauf, dass das Winternotprogramm in erster Linie ein "Gefahrenabwehr"-Angebot sei, kein Ersatz für reguläre Wohn- oder Sozialleistungen. Ziel sei es, Menschen vor Erfrierungen zu schützen und ihnen zugleich den Zugang zu weiterführender Hilfe zu erleichtern.
Für die Zeit außerhalb der nächtlichen Öffnung verweise die Stadt zudem auf die Tagesaufenthaltsstätten oder andere Hilfsangebote.