Boberger Dünen droht Verbuschung: 70 Tiere müssen gehen, Schäferin erschüttert
Hamburg - Seit 2023 beweidet Schäferin Nadine Quinn mit ihrer Herde aus (noch) 185 Schafen und 25 Ziegen das 100 Hektar große Naturschutzgebiet "Boberger Niederung", besser bekannt als die "Boberger Dünen", um die artenreiche Heidelandschaft mitten in Hamburg zu erhalten. Doch ausgerechnet eine Entscheidung der Umweltbehörde gefährdet jetzt das erfolgreiche Projekt, wie die 45-Jährige am Montag im TAG24-Interview verriet.
Alles in Kürze
- Boberger Dünen in Hamburg drohen zu verbuschen.
- 70 Tiere müssen die Herde verlassen.
- Schäferin Nadine Quinn macht 40.000 Euro Verlust.
- Maschinelle Unterstützung ist keine Lösung.
- Finanzielle Zukunft des Projekts ungewiss.

Vor zwei Wochen hatte die Schäferin plötzlich ein Schreiben der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) im Briefkasten, in dem sie aufgefordert wird, bis zum 10. Juni ihr Herde um ein Drittel der Tiere zu reduzieren.
Der Grund: "Das Geld fehlt. Dieses soll jetzt aus dem Naturschutz raus in den Klimaschutz gezogen werden. Dabei geht Natur- und Klimaschutz ja Hand in Hand", so Nadine Quinn fassungslos. Besonders bitter: Noch im April war ihr versichert worden, dass die Mittel für das ganze Jahr gesichert seien. Jetzt, wenige Wochen später, sei plötzlich nicht mehr genug da.
Im Klartext heißt das: 70 Tiere müssen die Herde verlassen. Reduziert wird auf die ursprünglich vereinbarte Anzahl von 135 Tieren, mit der 2023 das Projekt gestartet wurde. Dabei habe man damals schon bemerkt, dass diese Anzahl nicht ausreicht. Noch im selben Jahr sie die Herde laut Quinn auf 210 Tiere aufgestockt worden.
"Wenn wir die Herde verkleinern, schaffen wir die Beweidungsziele nicht. 100 Hektar mit 135 Tieren, das ist ein Witz", so Quinn. Schon jetzt sei die Herde für die Größe der Fläche rechnerisch unterbesetzt – üblich wären fünf Schafe pro Hektar.
Nach jahrelanger Arbeit seitens Quinn und ihrer Herde drohen die Heideflächen durch die neuen Maßnahmen wieder zu verbuschen, so natürlich auch die in Hamburg als Ausflugsziel sehr beliebten Boberger Dünen. "Wir haben dann irgendwann nur noch den 'Boberger Busch'", mahnte die 45-Jährige.
Maschinelle Unterstützung sei auch keine Lösung: Die verursache nicht nur mehr CO2-Emissionen, sondern sei auf Dauer auch teurer als die bisherige Weidepflege. Zudem zerstöre diese die Natur mehr, als dass sie ihr helfe: "Einem Schaf kann beispielsweise eine Eidechse einfach ausweichen, einer Maschine nicht!"

Schäferin Nadine Quinn macht 40.000 Euro Verlust

Die Reduzierung der Herde ist auch für Quinn ein finanzieller Einschnitt: "Das sind 40.000 Euro weniger im Jahr, das bedeutet auch ein Mitarbeiter weniger." Die Arbeit muss sie nun mit der Familie stemmen.
Die 70 Tiere, die die Herde verlassen müssen, sollen erstmal auf Grünflächen im niedersächsischen Schneverdingen untergebracht werden.
Der Weg zum Schlachthof will die Schäferin unbedingt vermeiden. "Ich habe Tiere, die haben eine Lebensgeschichte", betont sie. Zwei Ziegen etwa stammen von einer Frau, deren Mann an Krebs gestorben ist: "Die Tiere sollten nicht auch noch sterben müssen". Solche Fälle gäbe es viele in der Herde.
"Wenn man Schäfer ist, ist das eine Berufung. Da hängt eine Leidenschaft hinter", so die 45-Jährige, die jeden Tag mit ihren Tieren durch das Naturschutzgebiet streift und alles, was sie entdeckt, dokumentiert. "Ich freue mich, dass Beweidung etwas bringt. Wenn ich jetzt mit weniger Tieren durch die Fläche gehe, ist es frustrierend, wenn man sieht, dass man eigentlich nichts mehr erreicht."
Dabei sei der Widerspruch offensichtlich: Hamburg feiere sich selbst als grüne Stadt, betone den hohen Anteil an Naturschutzflächen und entziehe dann einem erfolgreich laufenden Projekt die Mittel.
"Das ist vor allem traurig", so Quinn, die die Hoffnung aber noch nicht aufgegeben hat, die Herde vollständig erhalten und die Landschaft weiterhin nachhaltig pflegen zu können.
Umweltbehörde nennt fachliche statt finanzielle Gründe

Trotz ihrer anstehenden Meisterprüfung habe die 45-Jährige bereits über neue Finanzierungswege nachgedacht wie etwa eine Bürgerinitiative oder Tierpatenschaften. Ob die Behörde einer privat finanzierten Lösung zustimmt, sei aber noch offen. Letztlich sei sie Hausherr der Fläche.
Eine Sprecherin der Umweltbehörde (BUKEA) bestätigte auf TAG24-Nachfrage die vorgesehene Reduzierung der Herde zum 11. Juni und die vorherige Aufstockung aufgrund eines "starken Pflanzenwachstums".
Der Entscheidung sollen jedoch fachliche und nicht finanzielle Gründe zugrunde liegen: "Das Pflanzenwachstum des Jahres konnte im März noch nicht abgesehen werden. Die Witterung dieses Jahres war bisher sehr trocken, sodass eine höhere Tierzahl nicht länger als fachlich notwendig erachtet wird", so die Sprecherin.
Eine weitere Reduzierung sei nicht geplant, der Hauptvertrag mit der Schäferei von Nadine Quinn laufe noch bis einschließlich 2027 weiter.
Erstmeldung am 2. Juni um 11.36 Uhr, aktualisiert um 16.56 Uhr.
Titelfoto: Citynewstv