Zirkusdirektor packt aus: "In unserer Welt fließen auch viele Tränen"
Hamburg - Sie bringen Kinder zum Lachen und Staunen und strahlen dabei immer bis über beide Ohren. Bis die Musik verklingt und die Lampen ausgehen. Dann fließen bei den Artisten auch mal Tränen. Im Gespräch mit TAG24 gibt der Zirkus Frank Einblicke in eine kleine, außergewöhnliche Welt.
Es duftet nach Popcorn, über die Lautsprecher läuft knisternd die altbekannte Zirkusmusik, aufgeregte Kinder zerren ihre Eltern an der Hand vom Zuckerwatte-Stand in das knallige Zirkuszelt.
Sobald man die provisorisch errichteten Zäune um die Wohnwagenburg passiert hat, öffnet sich einem eine eigene Welt. Zwei Stunden lang wird gekichert, weil der Clown von der Leiter plumpst, und gestaunt, weil sich kleine Mädchen in Posen verbiegen, die man nicht für möglich halten möchte.
Die lodernde Flamme aus dem Mund des Feuerspuckers spiegelt sich in den weit aufgerissenen Kinderaugen wieder, gefolgt vom tosenden Applaus. Und ganz zum Schluss der Vorstellung sagte Zirkusdirektor Patrick Sperling etwas, das nachdenklich stimmt: "Das Publikum sieht uns Artisten immer strahlen, aber in unserer Welt fließen auch viele Tränen."
Im Gespräch mit TAG24 verrät der 42-Jährige, was er mit den Worten meinte. "Wir haben viele Schicksalsschläge hinter uns. Mein Schwiegervater war zum Beispiel Teil des Zirkus. Nach einem Sturz hat er einen Hirnschaden erlitten", erzählt er. Während der Show würde er sich an viele Elemente erinnern, die der Schwiegervater früher übernommen habe.
"Dann kommt das alles wieder hoch. Aber man muss sich das Heulen verkneifen. Das Emotionale muss überspielt werden", sagte Sperling. Schließlich soll der Zirkus Spaß und Freude vermitteln.
Die Kinder wechseln alle paar Wochen die Schule
Der Familienvater führt den Zirkus in achter Generation, seit 1820 ist der Lebensmittelpunkt seiner Familie in der Manege. Seine Kinder sind ebenfalls voll integriert in die Show. Alejandro (9) bringt als Clown die Zuschauer zum Lachen, seine Schwester Marylou (16) ist Akrobatin.
Sein Schwager und seine Schwägerin sind samt Familie immer dabei, auch seine Schwiegereltern. Acht Kinder toben durch die Wohnwagenburg, die allesamt auch schon Rollen in der Manege einnehmen.
Ihr schulische Laufbahn ist von Herausforderungen geprägt. Von März bis November wechseln sie alle zwei bis drei Wochen die Schule. Jedes Kind habe ein Buch, in das die Schulen gelernte Inhalte einträgt. Das Buch werde dann bei der Stammschule in Mecklenburg-Vorpommern eingereicht.
"So kann sich die Stammschule auf die Kinder einstellen, was die Kinder so über das Jahr gelernt haben", erklärt der Zirkusdirektor.
Marylou ist mit der Schule schon fertig, aber für die kleineren Kinder der Zirkusfamilie sei diese Form des Lernens sehr schwierig. "Die kommen nicht richtig mit, weil es immer andere Schulen sind und die unterschiedlich weit sind mit dem Lehrstoff", so die 16-Jährige.
Außerdem sei es schwer, immer wieder neuen Anschluss bei anderen Kindern zu finden.
Die Söhne übernehmen den Zirkus, die Töchter suchen Partner in anderen Zirkussen
Trotzdem sind sich Marylou und Alejandro völlig sicher, wenn man sie nach ihrer Zukunft fragt. Sie wollen ihr Leben im Zirkus verbringen. Man sei in der Manege regelrecht gefangen. "Der Applaus der Zuschauer macht süchtig", gesteht die 16-Jährige.
Ihre Wege sind - und da möchte man sich verwundert die Augen reiben - ziemlich klar vorgezeichnet. In dieser Welt übernehmen die Söhne den Zirkus. "Die Mädchen gehen dann dahin, wo sie einen Partner finden. Also bei einem anderen Zirkus", erklärt Marylou.
Ihr Vater bestätigt das. "Es gibt etwa 400 kleine Zirkusse in Deutschland, und die sind zu neunzig Prozent verwandt oder verschwägert. Und die anderen kennt man auch. Es ist eine eigene kleine Welt", so Sperling.
Nach dem letzten Halt in Hamburg geht es Anfang November ins Winterlager nach Mecklenburg-Vorpommern. In der kalten Jahreszeit hält sich die Familie mit Buden auf Weihnachtsmärkten über Wasser.
Im März geht die Reise dann wieder los, quer durch die Republik. Von Wiese zu Wiese, und von Schule zu Schule. Und wenn das Licht angeht, wird wieder gestrahlt.
Titelfoto: Bildmontage: Zirkus Frank (2)

