S-Bahn-Jubiläum in Hamburg: Zeitzeuge erinnert sich an "echtes Spektakel"

Hamburg - Eine Zeit ohne S-Bahn ist - zumindest in Großstädten wie Hamburg - kaum vorstellbar. Dabei sind viele Strecken noch gar nicht so lange in Betrieb, die erste Fahrt vom Hauptbahnhof bis nach Harburg fand zum Beispiel "erst" vor 40 Jahren statt. Zum Jubiläum haben S-Bahn-Geschäftsführer Kay Uwe Arnecke und Hamburgs Behörde für Verkehr und Mobilitätswende am Donnerstag zu einer Jubiläumsfahrt in einer historischen S-Bahn eingeladen. Mit dabei viele Ehemalige, Mitarbeiter, die schon seit 40 Jahren für die S-Bahn Hamburg arbeiten, und Fahrgäste der ersten Stunde.

Kurt Seewig (89, r.), früherer Chef-Bauleiter der Deutschen Bahn, verantwortlich für den Bau der S-Bahn-Harburg und auch der City-S-Bahn, zusammen mit seinem ehemaligen Mitarbeiter und Verbindungsbahningenieur Johannes Kruszynski. "Ich glaube, hier in Hamburg hatten wir die interessantesten Baustellen der gesamten Deutschen Bahn!"
Kurt Seewig (89, r.), früherer Chef-Bauleiter der Deutschen Bahn, verantwortlich für den Bau der S-Bahn-Harburg und auch der City-S-Bahn, zusammen mit seinem ehemaligen Mitarbeiter und Verbindungsbahningenieur Johannes Kruszynski. "Ich glaube, hier in Hamburg hatten wir die interessantesten Baustellen der gesamten Deutschen Bahn!"  © Madita Eggers/TAG24

Regenschlieren zogen sich auf der Hinfahrt zur Station Harburg-Rathaus über die Fensterscheiben der S-Bahn der Baureihe 470. "Schade, jetzt sieht man gar nicht so viel, das war damals anders", erzählte Zeitzeuge Kurt Seewig (89) im Gespräch mit TAG24.

Der damalige Chef-Bauleiter der Harburger S-Bahn erinnert sich noch ganz genau an die Eröffnungsfahrt am 23. September 1983 und auch an die Vertragsunterzeichnung für das Großprojekt genau zehn Jahre davor.

"Das war ein echtes Spektakel. Alle Stadteile hatten sich präsentiert und die Fahrt war einfach schön", so der 89-Jährige. "Als derjenige, der für den Bau zuständig war, hatte ich auch die Aufgabe, den ersten Bürgermeister [Klaus von Dohnanyi, 95] während der Fahrt zu begleiten und ihm alles zu erläutern."

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Das Projekt an sich habe mehr als elf Jahre gedauert: "Die Strecke ist immerhin 23,5 Kilometer lang und hat die Bauleute wirklich stark herausgefordert. Es sind viele, viele Brücken gebaut wurden und beim Hauptbahnhof musste zum Beispiel eine Unterführung gebaut werden und selbstverständlich auch eine Tunnelstrecke, gerade zum Anschluss in die Harburg-City, das war das Wichtigste überhaupt", so der Experte.

Die S-Bahn-Strecke nach Harburg ist die meistbefahrene

Von links nach rechts: Michael Hüttel vom Verein "Historische S-Bahn Hamburg e. V.", Martin Bill (41, die Grünen), Metin Hakverdi (54, SPD), Staatsrat der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende, Bundestagsabgeordneter für Harburg und S-Bahn-Geschäftsführer Kay Uwe Arnecke vor der historischen S-Bahn am Donnerstag.
Von links nach rechts: Michael Hüttel vom Verein "Historische S-Bahn Hamburg e. V.", Martin Bill (41, die Grünen), Metin Hakverdi (54, SPD), Staatsrat der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende, Bundestagsabgeordneter für Harburg und S-Bahn-Geschäftsführer Kay Uwe Arnecke vor der historischen S-Bahn am Donnerstag.  © Madita Eggers/TAG24

Eine dieser vielen Brücken ist die Hammerbrook, an der auch die heutige Sonderfahrt startete. Auch vor 40 Jahren wurde diese Station schon angefahren.

"Diese Strecke war der Brückenschlag über die Elbe, eine große Entlastung für die Hauptstrecke und es war die Anbindung eines Stadtteils, der sich schon damals verkehrspolitisch stiefmütterlich behandelt fühlte", sagte Kay Uwe Arnecke am Donnerstag in seiner Eröffnungsrede.

Teilweise sei dies auch heute noch so, laut dem Geschäftsführer der S-Bahn allerdings eher ein subjektives Empfinden der Harburger.

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Und auch Martin Bill (41, die Grünen), Staatsrat der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende, betonte am Donnerstag: "Der Erfolg hat uns eingeholt, mit 140.000 Gästen pro Tag ist die Verbindung nach Harburg die meistbefahrene und eine der wichtigsten Strecken, die wir in Hamburg haben."

Und weiter: "Dadurch ergibt sich auch eine große Verantwortung, alle Menschen mitnehmen zu können, die mit der S-Bahn fahren wollen und auch die, die sich in der Zukunft für die S-Bahn entscheiden."

Diese historische S-Bahn der Baureihe 470 war auch schon vor 40 Jahren im Einsatz.
Diese historische S-Bahn der Baureihe 470 war auch schon vor 40 Jahren im Einsatz.  © Madita Eggers/TAG24
Jannik Scharffs (23) Begeisterung für Eisenbahnen hat schon im Kindesalter angefangen. Heute ist er selbst Lokführer und Mitglied des Vereins "Historische S-Bahn Hamburg e. V.".
Jannik Scharffs (23) Begeisterung für Eisenbahnen hat schon im Kindesalter angefangen. Heute ist er selbst Lokführer und Mitglied des Vereins "Historische S-Bahn Hamburg e. V.".  © Madita Eggers/TAG24

"An der Mentalität, ohne Fahrausweis zu fahren, hat sich in den letzten 40 Jahren nicht viel geändert"

Marlies Rose (r.) zusammen mit Birgit Brummund, beide haben vor über 40 Jahren zusammen bei der Deutschen Bahn ihre Ausbildung gemacht und sind auch heute noch für die S-Bahn-Hamburg tätig.
Marlies Rose (r.) zusammen mit Birgit Brummund, beide haben vor über 40 Jahren zusammen bei der Deutschen Bahn ihre Ausbildung gemacht und sind auch heute noch für die S-Bahn-Hamburg tätig.  © Madita Eggers/TAG24

Denn das Angebot soll noch weiter ausgebaut werden: "Mit dem neuen Liniennetz, das ab Dezember in Betrieb geht, wird die Anbindung des Hamburger Südens stabiler und pünktlicher. Die neue S3, welche dann die beiden Stationen Pinneberg und Neugraben miteinander verbindet, setzt auf Langzüge, die deutlich mehr Platz und Komfort für die Fahrgäste bieten", sagte Bill.

Freiwillig mit der weniger komfortablen S-Bahn beschäftigt sich seit sieben Jahren Jannik Scharff (23). Seit 2016 ist der gelernte Lokführer Teil des Vereins "Historische S-Bahn Hamburg e. V.", der regelmäßig Sonderfahrten organisiert und die Tradition der S-Bahn in die Zukunft transportiert, wie es Arnecke am Donnerstag formulierte.

"Es ist technisch einfach etwas ganz anderes als die S-Bahn, die wir heute im Streckennetz erleben können", so Scharff im Gespräch mit TAG24.

"Die Baureihen 474 und 490, also die roten Züge, wie man sie allgemein kennt, das ist alles hochmoderne Gleichstromtechnik: Der Hebel wird nach vorne gelegt und der Computer sagt am Ende, wie viel beschleunigt wird. Und bei den alten Zügen wird noch richtig geschaltet. Es ist diese alte verlässliche Technik, die das alles so faszinierend macht".

Bei all dem Fortschritt, der ausgebauten Bahnhöfe, Schienennetzwerke und der Digitalisierung ist eine Sache aber gleich geblieben: "An der Mentalität, ohne Fahrausweis zu fahren, hat sich in den letzten 40 Jahren nicht viel geändert", so Marlies Rose, die 1982 bei der S-Bahn Hamburg angefangen hat und zunächst im Prüfdienst arbeitete und auch damals schon viele Schwarzfahrer erwischte.

"Früher musste man tatsächlich genau wissen, wo man ist und die Tarifzonen kennen, musste Monats- oder Wochenkarten kontrollieren, die früher noch ein Blatt Papier zum Abreißen waren", so Rose. Wie teuer die Strecke vom Hamburger Hauptbahnhof nach Harburg war, wisse sie aber nicht mehr: "Da reicht die Erinnerung dann doch nicht mehr (lacht)."

Titelfoto: Madita Eggers/TAG24

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