Freispruch für Mediziner: Notarzt erklärte Mann fälschlicherweise für tot

Von Aleksandra Bakmaz

Bad Waldsee - Nachdem er einen Patienten fälschlicherweise für tot erklärt hatte, ist ein Notarzt freigesprochen worden. Der Mediziner stand wegen unterlassener Hilfeleistung vor dem Amtsgericht Bad Waldsee (Landkreis Ravensburg). Das Gericht sprach ihn frei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der 64-jährige Notarzt erklärte einen Mann für tot, obwohl dieser zu dem Zeitpunkt noch lebte. Nun wurde er freigesprochen.  © Aleksandra Bakmaz/dpa

Der erfahrene Mediziner war im Juli 2023 zu einem mutmaßlichen Suizid in einem Wohnhaus in Bad Waldsee gerufen worden. Ein 69-Jähriger hatte eine massive Kopfverletzung. Er hatte laut Gericht zuvor selbst den Notruf gewählt.

Laut dem Notarzt waren keine Lebenszeichen mehr erkennbar. Der Mann habe sich weder bewegt noch geatmet oder sonst reagiert, sagte der Angeklagte vor Gericht. Auch einen Puls habe er nicht spüren können. Die Kopfverletzung sei so erheblich gewesen, dass sie nicht mit dem Leben vereinbar gewesen sei. Auf dieser Grundlage habe er einen vorläufigen Todesschein erstellt.

Kurz danach bemerkten Polizisten jedoch Lebenszeichen, wie einer von ihnen vor Gericht aussagte. Sie wiesen den Notarzt darauf hin. Der Mediziner interpretierte die Reaktionen als postmortale Zuckungen. Als er wieder nachgesehen habe, seien diese nicht mehr zu sehen gewesen, sagte er. Später stellte sich heraus: Der Mann lebte zu diesem Zeitpunkt noch. Er starb erst zwei Stunden später im Krankenhaus.

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Die Staatsanwaltschaft hatte dem Arzt vorgeworfen, trotz der Hinweise auf Lebenszeichen keine weitere Hilfe geleistet zu haben - so wie es seine Pflicht gewesen wäre. Sie forderte eine Verurteilung von 120 Tagessätzen à 200 Euro. Gegen einen entsprechenden Strafbefehl legte die Anwältin des Mediziners Einspruch ein.

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Der 64-jährige Arzt bedaure den Verlauf

Die Verteidigerin plädierte auf Freispruch. Ihr Mandant habe sein Leben in den Dienst seiner Patienten gestellt. Er sei seit mehr als 30 Jahren Notarzt. "Er hätte geholfen, wenn er erkannt hätte, dass der Mann Hilfe gebraucht hätte."

Selbst erklärte der 64-Jährige vor Gericht, dass er den unglücklichen Verlauf sehr bedauere. Das Wohlergehen seiner Patienten liege ihm am Herzen. Aktuell arbeite er als Leitender Oberarzt in einer Klinik. Nach dem Urteil zeigte er sich erleichtert.

Normalerweise berichtet TAG24 nicht über Suizide. Da der Vorfall öffentliches Interesses erlangte, hat sich die Redaktion entschieden, es doch zu thematisieren. Solltet Ihr selbst von Selbsttötungsgedanken betroffen sein, findet Ihr bei der Telefonseelsorge rund um die Uhr Ansprechpartner, natürlich auch anonym. Telefonseelsorge: 08001110111 oder 08001110222 oder 08001110116123.

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