Schadenersatz? Dutzende Klagen gegen Impfstoffhersteller

München - An bayerischen Gerichten sind mehr als ein Dutzend Klagen auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gegen Hersteller von Corona-Impfstoffen wegen möglicher Impfschäden anhängig.

Aufgezogene Spritzen mit Impfstoff gegen Covid-19 liegen in einer Schale. In sehr seltenen Fällen verursachte die Impfung dauerhafte gesundheitliche Probleme.
Aufgezogene Spritzen mit Impfstoff gegen Covid-19 liegen in einer Schale. In sehr seltenen Fällen verursachte die Impfung dauerhafte gesundheitliche Probleme.  © Daniel Karmann/dpa

Das ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei den Landgerichten.

Mit Schadenersatz wird ein materieller Schaden ausgeglichen. Dies gilt für alle Kosten, die durch die Schuld eines anderen entstanden sind. Wirken sich psychische Schäden finanziell aus, zum Beispiel durch einen Verdienstausfall, so muss auch dieser materielle Schaden ersetzt werden. Schmerzensgeld erhält man als Ausgleich für immaterielle Schäden.

Zudem sind bei den Sozialgerichten 51 Klagen anhängig (Stand: 24. April 2023). In diesen geht es allerdings nicht um Schadenersatz, sondern um die Anerkennung des möglichen Impfschadens durch das Land und damit verbundene Versorgungsleistungen.

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Nach Angaben des für die Bescheide zuständigen Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS) in Bayreuth gibt es in diesen Klagefällen aber noch keine rechtskräftigen Entscheidungen.

Anträge auf Versorgungsleistungen wie Grundrente werden einem ZBFS-Sprecher zufolge unter anderem abgelehnt, wenn die gesundheitliche Störung nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit kausal auf die Impfung zurückgeführt werden kann.

Nicht selten gebe es einen zufälligen zeitlichen Zusammenhang zwischen einer Impfung und dem Auftreten einer gesundheitlichen Störung, ohne dass eine echte Beziehung zwischen Ursache und Wirkung vorliege.

Was genau ist ein "Impfschaden"?

Eine Mitarbeiterin des Impfzentrums hält ein Fläschchen mit dem Impfstoff Nuvaxovid des Pharmaunternehmens Novavax und eine Spritze in den Händen.
Eine Mitarbeiterin des Impfzentrums hält ein Fläschchen mit dem Impfstoff Nuvaxovid des Pharmaunternehmens Novavax und eine Spritze in den Händen.  © Guido Kirchner/dpa

Für die Sicherheit von Impfstoffen ist in Deutschland das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) zuständig. Laut diesem sind in der EU acht Impfstoffe gegen das Coronavirus zugelassen. Die Wirksamkeit dieser ist wissenschaftlich erwiesen.

Ebenso ist bekannt: Häufig gibt es vorübergehende Reaktionen wie den "Impfarm" oder Kopfschmerzen, äußerst selten hingegen schwerer wiegende Nebenwirkungen.

Als "Impfkomplikation" sieht das PEI eine nach der Impfung auftretende unerwünschte Reaktion, die erstens in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung stehen könnte und zweitens über eine Impfreaktionen hinausgeht. "Impfschaden" meint im engeren Sinne "die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge" dieser Komplikation.

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Laut PEI sind folgende schwere Impfkomplikationen bekannt: die Herzkrankheit Myo-/Perikarditis, die im Gehirn auftretende Sinusvenenthrombose und weitere Blutgerinnsel, eine Gesichtslähmung, eine Muskelschwäche namens Guillain-Barré-Syndrom und der Hörschaden Tinnitus.

Sie alle sind den PEI-Daten zufolge "selten" (ein Fall pro 10.000 Impfungen) oder "sehr selten" (weniger als ein Fall pro 10.000 Impfungen).

Zufall oder Ursache? Beweisführung in Verfahren zu Impfschäden schwierig

Nachzuweisen, dass eine Impfung die Ursache dauerhafter gesundheitlicher Probleme war, ist nicht einfach.
Nachzuweisen, dass eine Impfung die Ursache dauerhafter gesundheitlicher Probleme war, ist nicht einfach.  © Sven Hoppe/dpa

An den Landgerichten zwischen Aschaffenburg und Kempten sind derzeit mehr als ein Dutzend Zivilklagen gegen Impfstoffhersteller anhängig.

In Würzburg etwa verlangen zwei Frauen jeweils 150.000 Euro Schmerzensgeld vom Hersteller Moderna. Die Klägerinnen machen einem Gerichtssprecher zufolge angebliche Impfschäden wie Embolie, Gefäßkrankheit, Thrombose und Migräne geltend.

Am Landgericht Nürnberg-Fürth gibt es derzeit vier Klagen gegen den Hersteller Biontech. In zwei davon werden je 150.000 Euro verlangt, etwa wegen einer mutmaßlich durch die Corona-Impfung ausgelösten Autoimmunerkrankung und Herzrhythmusstörungen.

Bundesweit sind zahlreiche Zivilklagen anhängig, in Bayern etwa an den Landgerichten Memmingen (drei Verfahren), Augsburg und Regensburg (je zwei Verfahren), Kempten, Ingolstadt, Passau und Coburg (je eins). Beklagt werden Hersteller verschiedener in Deutschland eingesetzter Impfstoffe.

Seit dem Start der Impfkampagne sind in Bayern nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) mehr als 29 Millionen Impfdosen gegen Covid-19 verabreicht worden.

Impfstoffhersteller Biontech: Bisher kein kausaler Zusammenhang zwischen Schäden und Impfstoff nachgewiesen

Für Covid-19-Impfstoffe gelten im Prinzip dieselben Haftungsregeln wie für andere Arzneimittel: Der Hersteller kann zur Verantwortung gezogen werden, wenn ein Produktionsfehler vorliegt. Wird das Arzneimittel fehlerhaft verabreicht, haftet die impfende Person, zum Beispiel der Arzt. Knackpunkt ist die Kausalität: Ist der Schaden ursächlich auf die Impfung zurückzuführen?

Der Mainzer Impfstoffhersteller Biontech betonte mit Blick auf anstehende Prozesse, "dass bisher in keinem der von Biontech geprüften Fälle ein kausaler Zusammenhang zwischen den dargestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der Impfung mit Comirnaty (der Name des Impfstoffs) nachgewiesen werden konnte". Eine Unternehmenssprecherin sagte: "Die Sicherheit von Comirnaty wird fortlaufend und engmaschig überwacht."

Meldungen und Berichten über mögliche Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Impfung werde sorgfältig nachgegangen.

Titelfoto: Sven Hoppe/dpa

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