Prozess zu Chemnitz 2018 eingestellt, Opfervertreter sprechen von einem Skandal

Chemnitz - Im vergangenen Dezember begann endlich der Prozess zu den schweren Neonazi-Ausschreitungen im Sommer 2018. Doch jetzt der große Schock für die Opfervertreter: Das Verfahren gegen drei Tatverdächtige wurde gegen Auflage eingestellt.

Die drei Tatverdächtigen ließen am heutigen Freitag von ihren Anwälten vor dem Landgericht Chemnitz eine Erklärung abgeben.
Die drei Tatverdächtigen ließen am heutigen Freitag von ihren Anwälten vor dem Landgericht Chemnitz eine Erklärung abgeben.  © Jan Woitas/dpa

Nachdem der Prozess am 11. Dezember bereits schleppend begonnen hatte, endete er bereits am heutigen Freitag für die drei Angeklagten.

Wie die Gerichtssprecherin gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mitteilte, wurde das Verfahren gegen die Tatverdächtigen eingestellt - jedoch gegen eine Auflage: Sie müssen jeweils 1000 Euro zahlen.

Laut Landgericht Chemnitz sei dieses Vorgehen von der Generalstaatsanwaltschaft angeregt worden, nachdem die Männer aus Niedersachsen und Sachsen über ihre Anwälte eine Erklärung abgegeben haben.

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"Die Angeklagten haben diesem Vorgehen aus Opportunitätsgründen zugestimmt", betonte Rechtsanwalt Martin Voß, der einen der Angeklagten vertrat. Dies sei aber nicht als Geständnis anzusehen. Sie gaben nur zu, Teil der Gruppe gewesen zu sein. Doch sie wären nie selbst gewalttätig gewsen.

Die Anklage gegen die drei Männer lautete auf Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung in elf Fällen. Eigentlich sollten weitere Verhandlungstermine bis Ende Januar folgen. Doch noch zwei weitere Verfahren zu jenen Angriffen Anfang September seien am Landgericht vorgesehen.

Ein Schlag ins Gesicht für die Opfer

Am 11. Dezember war Prozessauftakt nach den Ausschreitungen und rassistischen Angriffen im Spätsommer 2018.
Am 11. Dezember war Prozessauftakt nach den Ausschreitungen und rassistischen Angriffen im Spätsommer 2018.  © Jan Woitas/dpa

Nach der Entscheidung hagelte starke Kritik. Immerhin mussten die Betroffenen bereits vor Gericht die bedrohlichen Szenen erneut durchleben und wiedergeben, erklärte Anna Schramm von der Beratungsstelle Support des RAA Sachsen. Es sei ein Schlag ins Gesicht, dass die mutmaßlichen Täter "nach ein paar emotionslosen Zeilen" ohne Verurteilung geblieben sind.

Auch für die Opferverbände ist die Entscheidung ein Skandal: "Die Einstellungen zeigen dramatisch, wie der Rechtsstaat Betroffene rechter Gewalt in Sachsen im Stich lässt", sagte Heike Kleffner vom Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt der Deutschen Presse-Agentur.

"Die bisherigen Einstellungen sind ein Freifahrtschein für den rechten Mob, der am 1. September 2018 in Chemnitz Menschen angegriffen hat", erklärte Nebenklage-Anwältin Kati Lang. Das Versprechen von konsequentem Vorgehen und effektiver Strafverfolgung bei rechten Gewalttaten sei wieder einmal ins Leere gelaufen.

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Ihre Kollegin Onur Özata sprach von "schlampigen Ermittlungen und teilnahmslosen Richtern". "Es ist, gerade in diesen Tagen, ein fatales Signal an die Betroffenen rechter Gewalt, dass die Vollstrecker rassistischer Vertreibungsfantasien völlig straffrei ausgehen."

Mehrere gewaltsame Vorfälle im September 2018

Nachdem im August 2018 ein Deutscher während eines Streits mit einem Asylbewerber gewaltsam gestorben war, kam es in Chemnitz zu zahlreichen Demonstrationen und Ausschreitungen, zu denen auch Rechtsextreme aus ganz Deutschland anreisten. So auch bei einem sogenannten Trauermarsch von AfD, Pegida und Pro Chemnitz.

Zum Prozessauftakt hatte die Generalstaatsanwaltschaft den Männern vorgeworfen, im Anschluss in einer Gruppe von zeitweise mehr als 30 Beteiligten durch die Stadt gezogen zu sein, um Gegendemonstranten einzuschüchtern. Dabei sollen die Angreifer verschiedene Nazi-Parolen gerufen haben.

Außerdem sei es zu mehreren gewaltsamen Vorfällen gekommen. Ein Mann, den sie als Migrant identifizierten, sei durch einen Park verfolgt worden. Auch eine aus Hessen angereiste Gruppe von Sozialdemokraten und SPD-Sympathisanten war attackiert worden.

Titelfoto: Jan Woitas/dpa

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