Hochsicherheits-Prozess: Belieferte dieser Sachse illegal Russlands Rüstungsindustrie?

Dresden - Mehr als zwei Jahrzehnte war Alexander S. (56) im Im- und Exportgeschäft mit Russland tätig und verdiente gut daran. Doch die 2014 erlassenen EU-Sanktionen haben sein Geschäft stark eingeschränkt. Vor einem Jahr wurde der Sachse verhaftet, weil er das Russland-Embargo unterlaufen haben soll. Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen beginnt am Dienstag in Dresden der Prozess. Denn es geht auch um die Rolle des russischen Geheimdienstes.

Geschäftsmann Alexander S. (56) steht in Dresden vor Gericht.
Geschäftsmann Alexander S. (56) steht in Dresden vor Gericht.  © privat

Im Markkleeberger Gewerbegebiet an der B2 hat die ELM GmbH ihren Sitz. Nach eigener Prospektbeschreibung ist der "Export von elektrotechnischen und elektronischen Bauelementen und Baugruppen nach Russland" der Geschäftsgegenstand der 2001 gegründeten Firma.

Die Geschäftsberichte der letzten 15 Jahre weisen zumeist satte Umsätze und Gewinne aus. Firmenchef Alexander S. residiert mit seiner deutsch-russischen Familie in einer schmucken Villa am Cospudener See.

Doch am 18. Mai 2021 brach die heile Welt des Diplomingenieurs, der sich in seiner Freizeit der Dackelzucht widmet, zusammen. Beamte des Zollkriminalamtes verhafteten Alexander S., durchsuchten sein Haus und seine Büros!

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Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz und verbotene Geschäfte mit dem Geheimdienst einer fremden Macht - so lauten die Vorwürfe der Generalbundesanwaltschaft (GBA), die S. im Februar anklagte.

In diesem Gläsernen Bürogebäude in Markkleeberg hat die Firma von Alexander S. ihren Sitz.
In diesem Gläsernen Bürogebäude in Markkleeberg hat die Firma von Alexander S. ihren Sitz.  © Ralf Seegers

Mit Maschinen aus Sachsen könnten in Russland Flugträger für ABC- und Kernwaffen entwickelt worden sein

Eng an der Seite von Russlands Präsident Wladimir Putin (69, M.): Alexander Bortnikow (2.v.r.), der Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB.
Eng an der Seite von Russlands Präsident Wladimir Putin (69, M.): Alexander Bortnikow (2.v.r.), der Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB.  © dpa/Alexej Druzhinin

Nach Erkenntnissen der Ermittler soll der Sachse Teil eines geheimen Beschaffungsnetzes für die russische Rüstungsindustrie gewesen sein. Laut GBA wurde das Netzwerk von Wladimir Putins (69) Inlandgeheimdienst FSB gesteuert.

Konkret soll Alexander S. in zehn Fällen Maschinen und Apparate mit frisierten Papieren an eine Tarnfirma des FSB in Jekaterinburg geliefert haben - darunter eine Materialprüfmaschine, ein Nitrogen-Generator, ein Brutschrank, ein Vakuummodul sowie ein Rührwerkapparat.

Laut GBA soll dem Angeklagten bewusst gewesen sein, dass die Gerätschaften in der Entwicklung und Herstellung russischer Flugträger für chemische, biologische und atomare Waffen Verwendung finden würden.

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In einem weiteren Fall soll S. Elektronik an ein russisches Institut geliefert haben, das an der Entwicklung von Kernwaffen beteiligt ist.

Bundesanwälte fürchten Aktion des russischen Geheimdienstes

Im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts am Dresdner Hammerweg wird die Staatsschutzkammer den außergewöhnlichen Fall verhandeln.
Im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts am Dresdner Hammerweg wird die Staatsschutzkammer den außergewöhnlichen Fall verhandeln.  © Ove Landgraf

Der auf elf Verhandlungstage angesetzte Prozess findet im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts statt. Es gibt massive Sicherheitsvorkehrungen, denn die Bundesanwälte fürchten offenbar eine Aktion des russischen Geheimdienstes.

Schon die überlange Dauer der U-Haft von Alexander S. begründete die GBA mit der Befürchtung, dass "Russland daran gelegen sein dürfte, eine Hauptverhandlung gegen den Beschuldigten, in der das Agieren russischer Geheimdienste öffentlich verhandelt wird, zu vermeiden".

Titelfoto: dpa/Alexej Druzhinin und Privat

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