Prozess gegen Folterarzt: Anwälte fordern Freispruch
Von Sabine Maurer
Frankfurt/Main - Im Frankfurter Prozess gegen den mutmaßlichen Folterarzt Alaa M. aus Syrien haben seine Rechtsanwälte unter anderem für den Anklagevorwurf der Tötungen einen Freispruch gefordert. Der Angeklagte sei in dem fraglichen Zeitraum nicht am Tatort, der syrischen Stadt Homs, tätig gewesen, hieß es in der Begründung der Verteidiger vor dem Frankfurter Oberlandesgericht (OLG).
Alles in Kürze
- Anwälte fordern Freispruch für Folterarzt Alaa M.
- Alaa M. soll in Syrien Tötungen und Folter begangen haben
- Opfer schilderten Qualen im Prozess vor dem OLG Frankfurt
- Bundesanwaltschaft fordert lebenslange Haft und Berufsverbot
- Urteil soll am 16. Juni verkündet werden

Zu den anderen Anklagevorwürfen der schweren Folter stellten sie keinen Antrag. Zuvor hatten die Rechtsanwälte der Opfer deren Qualen geschildert. "Die hier verhandelten Taten gehören zu den schwersten, die man sich vorstellen kann", sagte einer von ihnen in seinem Plädoyer.
Sein Mandant war mit seinem Bruder inhaftiert gewesen, M. soll die Männer im Militärkrankenhaus in Homs geschlagen, getreten und schließlich den an Epilepsie leidenden Bruder mit einer Medikamentengabe getötet haben.
Ein weiterer Häftling war gerade volljährig geworden, nachdem er wegen der Teilnahme an einer Demonstration verhaftet wurde und wegen seiner Verletzungen nach massiven Folterungen in eine Klinik verlegt werden wollte - trotz der Warnungen von Mithäftlingen, es gebe "keine Krankenhäuser mehr, nur noch Schlachthöfe", wie sein Anwalt sagte: "Er dachte, dass es nicht mehr schlimmer kommen könne, doch er irrte sich."
Der heute 40-jährige M. habe ihn in der Klinik mit Händen und Füßen an der Decke aufgehängt und geschlagen. Anschließend habe er den am Boden liegenden jungen Mann mit einer Flüssigkeit besprüht und seinen Arm angezündet.
Angeklagter bricht in Tränen aus

Einer der Anwälte forderte für einen der angeklagten Fälle elf Jahre Haft, die anderen Anwälte verzichteten auf konkrete Anträge.
Der Angeklagte bezeichnete sich als nicht schuldig, sondern als Opfer eines Komplotts. Während der Plädoyers seiner Anwälte weinte er, in seinem letzten Wort hieß es: "Ich möchte in Frieden mit meiner Familie leben." Als Arzt wolle er nicht mehr arbeiten.
Die Bundesanwaltschaft legt dem Mann in dem seit über drei Jahre währenden Strafprozess insgesamt zwei Todesfälle und acht Fälle schwerer Folter zur Last, begangen in den Jahren 2011 und 2012 in Homs. Sie forderte in ihrem Plädoyer vergangene Woche lebenslange Haft, Sicherungsverwahrung und Berufsverbot, und zwar wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen.
M. sei eine Gefahr für die Allgemeinheit, so die Vertreterinnen der Anklagebehörde. Der Senat des OLG will am 16. Juni sein Urteil verkünden.
Gutachter: sadistische Neigungen
M. war 2015 nach Deutschland gereist und hatte in mehreren Kliniken als Orthopäde gearbeitet, zuletzt im nordhessischen Bad Wildungen. Im Sommer 2020 wurde er festgenommen - Opfer hatten den Arzt in einer TV-Dokumentation über Homs wiedererkannt. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Ein Gutachter attestierte ihm sadistische Neigungen und Verhaltensmuster.
Dass sich der Arzt wegen Verbrechen in seiner Heimat vor einem deutschen Gericht verantworten muss, liegt auch am sogenannten Weltrechtsprinzip im Völkerstrafrecht. Es erlaubt, auch hierzulande mögliche Kriegsverbrechen von Ausländern in anderen Staaten zu verfolgen.
Titelfoto: Boris Roessler/dpa pool/dpa