Raubserie auf Biomärkte in Hamburg: Täter trotz Geständnis aus U-Haft entlassen

Hamburg – Im Prozess um eine Serie von Raubüberfällen auf verschiedene Filialen der Biomarktkette "TJADEN's Bio Frischemarkt" ist der Angeklagte (44) am Donnerstag zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Bis zum Haftantritt darf dieser allerdings wieder auf freien Fuß.

Der Angeklagte verbirgt im Gerichtssaal sein Gesicht hinter einem Aktendeckel. Er soll zwischen August 2021 und Mai 2022 mehrere Filialen einer Biomarkt-Kette überfallen und insgesamt 4125 Euro erbeutet haben.
Der Angeklagte verbirgt im Gerichtssaal sein Gesicht hinter einem Aktendeckel. Er soll zwischen August 2021 und Mai 2022 mehrere Filialen einer Biomarkt-Kette überfallen und insgesamt 4125 Euro erbeutet haben.  © Markus Scholz/dpa

Direkt am ersten Prozesstag im November hatte der 44-jährige Familienvater die Überfälle gestanden. Er sei jahrelang von albanischen Drogenhändlern erpresst worden und hätte sich am Ende nicht anders zu helfen gewusst.

Die jahrelange Erpressung und Misshandlung der Männer haben bei dem Angeklagten laut einem psychiatrischen Gutachten durch einen Sachverständigen eine posttraumatische Belastungsstörung ausgelöst, die sich unter anderem durch Flashbacks äußere.

Ärztliche Unterlagen, die teilweise 45 blaue Flecken dokumentierten, untermauerten die Aussagen des Angeklagten. Ebenso die Zeugenaussagen der Ehefrau und des Schwiegervaters sowie vorgelegte Bankunterlagen über aufgenommene Kredite. Was das Gericht dazu veranlasste, die Aussagen des Angeklagten als "plausibel" anzuerkennen.

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Die Theorie, der Angeklagte habe selbst als Drogenhändler gearbeitet und sich deswegen verschuldet, wurde vom Gericht verworfen. Ebenso die Annahme, der 44-Jährige habe aus Nervenkitzel gehandelt.

Dafür sei der Angeklagte ein viel zu empfindsamer und ängstlicher Mensch, so Richter André Hienzsch am Donnerstag.

Richter legte dem Angeklagten ans Herz, einen Entzug zu machen

Dieser Biomarkt im Hamburger Stadtteil Eppendorf wurde mehrfach überfallen.
Dieser Biomarkt im Hamburger Stadtteil Eppendorf wurde mehrfach überfallen.  © HamburgNews/Christoph Seemann

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten für den Angeklagten gefordert. Die Verteidigung plädierte auf eine milde Strafe. Sie sprach aufgrund von einer ausgeprägten Alkoholsucht sowie der posttraumatischen Belastungsstörung von einer verminderten Schuldfähigkeit.

Im Fall der posttraumatischen Belastungsstörung stimmte das Gericht der Verteidigung zu, was sich mildernd auf das Strafmaß auswirkte. Die vier Jahre Haft begründeten sich unter anderem darin, dass der Angeklagte trotz seiner psychischen Erkrankung in der Lage gewesen ist, Recht und Unrecht zu unterscheiden und der Schwere von vier der insgesamt sieben Überfälle.

Die Einweisung in eine Erziehungsanstalt wurde vom Gericht abgewiesen. Es gebe keinen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Alkoholkonsum und den Taten, so Hienzsch. Er legte dem Angeklagten jedoch ans Herz, auch ohne gerichtlichen Beschluss schnellstmöglich einen Entzug zu machen, da er sonst sein Leben für immer zerstören würde.

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Bis zum Haftantritt darf der Angeklagten, der bereits seit einem halben Jahr in U-Haft sitzt, auf freien Fuß. Bei seiner Familie, die zur Urteilsverkündung zahlreich erschienen war, flossen viele Tränen im Zuschauerraum.

Chefin der Biomarktkette kann das Urteil nicht fassen

Zwischen August 2021 und Mai 2022 hat der Angeklagte maskiert mit einer Latex-Maske und bewaffnet mit einer Soft-Air-Waffe verschiedene Filialen der Biomarktkette "TJADEN's Bio Frischemarkt" überfallen und erbeutete dabei 4125 Euro. Was zur Folge hatte, dass kaum noch Mitarbeiter in den Filialen in der Fruchtallee und der Martinistraße arbeiten wollten.

Die Chefin der Biomarktkette zeigte sich von dem Urteil alles andere als begeistert: "Als der Richter vier Jahre sagte, habe ich gedacht, das ist super. Das hätte ich als gerecht empfunden, aber dass die Strafe jetzt ausgesetzt wurde und er nach Hause gehen darf, ist für mich unfassbar", sagte Petra Tjaden gegenüber TAG24.

Titelfoto: Markus Scholz/dpa

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