Hells Angels vs. United Tribuns: Sachsens Justiz will Verfahren zum tödlichen Rockerkrieg beerdigen

Leipzig - Neun Jahre nach der tödlichen Schießerei unter Rockern auf der Leipziger Eisenbahnstraße steht bei der juristischen Aufarbeitung eine faustdicke Überraschung bevor. Die Staatsanwaltschaft hat beim Landgericht die Zustimmung zur Einstellung der Verfahren gegen zwölf beteiligte Hells Angels beantragt. Geht der Deal durch, endet die neunjährige Ermittlungsarbeit mit geringfügigen Geldauflagen.

Die Sekunden nach den Schüssen im Augenzeugenvideo: Auf der Straße liegt der sterbende UT-Rocker Veysel A. (†27, kl. F.).
Die Sekunden nach den Schüssen im Augenzeugenvideo: Auf der Straße liegt der sterbende UT-Rocker Veysel A. (†27, kl. F.).  © Bildmontage: Screenshot/YouTube ; privat

Am 25. Juni 2016 fand die Rivalität zwischen Hells Angels und den United Tribuns (UT) in Leipzig ihren blutigen Höhepunkt. Bei einem "Schaulaufen" der Höllenengel auf der Eisenbahnstraße, die von der überwiegend aus Migranten bestehenden Rocker-Konkurrenz als "eigenes Gebiet" beansprucht wurde, kam es zum blutigen Showdown mit einem Toten und mehreren Verletzten.

Der UT-Anwärter Veysel A. (†27) starb im Kugelhagel. Der Todesschütze Stefan S. (39) und drei weitere Hells Angels wurden 2019 vom Landgericht Leipzig wegen gemeinschaftlichen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.

Der schwere Tatvorwurf schwebte seither auch über zwölf weiteren Höllenengeln, die ebenfalls vor Ort waren, sich jedoch passiv verhielten. Doch dann passierte etwas, womit niemand gerechnet hatte.

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Drei der zu lebenslanger Haft verurteilten Hells Angels brachen 2023 ihr bis dahin eisern durchgehaltenes Schweigegelübde und sagten umfänglich aus. Auch andere Club-Mitglieder vertrauten sich nun den Behörden an. Angeblich soll zuvor Deutschlands wohl mächtigster Hells Angel, Frank Hanebuth (60) aus Hannover, "grünes Licht" gegeben haben.

Der Todesschütze: "Hells Angels"-Mitglied Stefan S. (39), hier ein Gerichtsfoto, wurde 2019 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.
Der Todesschütze: "Hells Angels"-Mitglied Stefan S. (39), hier ein Gerichtsfoto, wurde 2019 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.  © Ralf Seegers

Gemeinsamer Mord-Plan ist vom Tisch

Ein Bild aus alten Tagen. Nach der Schießerei löste sich das Leipziger Charter der Hells Angels auf, mehrere Member legten zwischenzeitlich ihre Kutten ab.
Ein Bild aus alten Tagen. Nach der Schießerei löste sich das Leipziger Charter der Hells Angels auf, mehrere Member legten zwischenzeitlich ihre Kutten ab.  © Jens Fuge

Wie TAG24 aus Justizkreisen erfuhr, war mit den Aussagen die Theorie vom gemeinsamen Mordplan aller Leipziger Hells Angels nicht mehr haltbar.

Die Ermittlungen konzentrierten sich seitdem auf die Tatvorwürfe des schweren Landfriedensbruchs und der versuchten gefährlichen Körperverletzung.

Genau diese Tatvorwürfe wurden seinerzeit auch gegen die Beteiligten der United Tribuns erhoben, die den Ermittlungen zufolge mit gezielten Karate-Tritten den Gewaltexzess ausgelöst hatten.

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Doch dann gab es zu Jahresbeginn die zweite Überraschung: Das Landgericht stellte die Verfahren gegen die acht angeklagten UT-Rocker ein - gegen Geldauflagen.

Insgesamt 13.500 Euro müssen die Angeklagten bis Oktober an gemeinnützige Organisationen überweisen.

Staatsanwaltschaft beantragt nach neun Jahren Verfahrenseinstellung

Rocker der Hells Angels sitzen nach der Schießerei an Händen gefesselt auf einer Grünfläche. Gegen zwölf passiv Beteiligte sollen die Verfahren jetzt eingestellt werden.
Rocker der Hells Angels sitzen nach der Schießerei an Händen gefesselt auf einer Grünfläche. Gegen zwölf passiv Beteiligte sollen die Verfahren jetzt eingestellt werden.  © Chop Hopper

Und nun die dritte Überraschung: Im Fall der zwölf beteiligten Hells Angels scheint es nun noch nicht mal zu einer Anklage zu kommen. Wie ein Sprecher des Landgerichts TAG24 bestätigte, stellte die Staatsanwaltschaft bei Gericht einen Antrag auf gerichtliche Zustimmung zur Verfahrenseinstellung (§ 153a StPO).

In der Strafprozessordnung heißt es dazu: "Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht."

Die Entscheidung, ob und zu welchem "Preis" die Verfahren gegen die zwölf Hells Angels eingestellt werden, liegt nun bei der 8. Strafkammer des Leipziger Landgerichts.

Titelfoto: Bildmontage: privat ; Jens Fuge

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