Leipziger Ex-SPD-Chefin von Gericht freigesprochen und trotzdem verurteilt

Leipzig - Nach insgesamt fünf teils turbulenten Verhandlungstagen haben am Donnerstag zwei Prozesse gegen Leipzigs Ex-SPD-Chefin und "Leipzig nimmt Platz"-Aktivistin Irena Rudolph-Kokot (52) vor dem Amtsgericht ein Ende gefunden. Im Hauptverfahren wurde die 52-Jährige freigesprochen, im angehängten Verfahren wegen Beleidigung eines Polizisten wurde sie hingegen zu einer Geldstrafe verurteilt.

"Leipzig nimmt Platz"-Aktivistin Irena Rudolph-Kokot mit ihrer Rechtsanwältin Rita Belter im Amtsgericht Leipzig
"Leipzig nimmt Platz"-Aktivistin Irena Rudolph-Kokot mit ihrer Rechtsanwältin Rita Belter im Amtsgericht Leipzig  © Christian Grube

Ursprünglich musste sich die Angeklagte wegen des gefährdenden Verbreitens personenbezogener Daten vor Gericht verantworten.

Sie hatte in einem Post bei X (ehemals Twitter) einen auf dem linken Portal "Indymedia" veröffentlichten Beitrag geteilt, in dessen Anhang auch private Daten dreier Personen aus der rechten Szene und dem "Querdenken"-Milieu in Form von Fahndungsplakaten zu finden waren.

Dazu hatte sie geschrieben: "Hier eine gute Darstellung, wem genau die Stadt Leipzig und die Polizei Sachsen regelmäßig seit zwei Jahren den roten Teppich ausrollt."

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Die Staatsanwaltschaft erhob daraufhin Anklage, da die Betroffenen der Gefahr ausgesetzt worden seien, Ziel von Angriffen zu werden. Rudolph-Kokot hatte über ihre Anwältin Rita Belter erklärt, dass sie die Stadt Leipzig und die Polizei mit dem Post habe informieren wollen, welche Gefahr vom Spektrum der Coronaleugner und deren Demonstrationen ausgehe.

Das Rudolph-Kokot damit richtig gelegen habe, hätte sich an den Krawallen rund um die "Querdenken"-Demonstration in Leipzig am 7. November 2020 bewahrheitet, so Belter in ihrem Plädoyer am Donnerstag. Ihre Mandantin habe zudem in keiner Weise durch den Post zur Gewalt aufgerufen.

Richterin und Staatsanwaltschaft kritisieren Verhalten der Angeklagten

Irena Rudolph-Kokot (52) musste sich seit dem 13. Juli in zwei Fällen vor dem Amtsgericht Leipzig verantworten.
Irena Rudolph-Kokot (52) musste sich seit dem 13. Juli in zwei Fällen vor dem Amtsgericht Leipzig verantworten.  © Christian Grube

Die Vorsitzende Richterin Ute Fritsch folgte der Darstellung der Verteidigung größtenteils und sprach Rudolph-Kokot frei, da der Post nicht darauf abgezielt habe, eine Person der Gefahr eines Verbrechens auszusetzen. Die Angeklagte habe es primär auf die "soziale Ächtung" der betroffenen Personen abgesehen.

Dennoch kritisierte die Richterin das Verhalten der Angeklagten. So bezeichnete sie die Behauptung, dass Rudolph-Kokot den geteilten Artikel bei "Indymedia" nur überflogen und die angehängten Fahndungsplakate übersehen habe, als "großen Unsinn" und kritisierte das taktierende Verhalten während der Verhandlung als "nicht besonders glaubhaft".

Bereits zuvor hatte die Staatsanwältin der Angeklagten sogar vorgeworfen, besagten Post während der Verhandlung gelöscht zu haben, sich selbst jedoch öffentlich als "moralisch und unfehlbar hinzustellen", um dann aber wiederholt die Unwahrheit zu sagen.

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Richterin Fritsch: "Ich gehe davon aus, dass ihr Post geprägt war durch Aufmerksamkeitsstreben ihrerseits - dass mal wieder etwas gepostet werden musste."

Verurteilung wegen Beleidigung eines Polizisten

Der § 126a StGB (Verbreiten gefährdender personenbezogener Daten) ist am 22. September 2021 in Kraft getreten. Er schützt vor der gefährdenden Verbreitung personenbezogener Daten, insbesondere vor sogenannten "Doxing"-Aktivitäten.
Der § 126a StGB (Verbreiten gefährdender personenbezogener Daten) ist am 22. September 2021 in Kraft getreten. Er schützt vor der gefährdenden Verbreitung personenbezogener Daten, insbesondere vor sogenannten "Doxing"-Aktivitäten.  © Christian Grube

Den Vorwurf, dass Rudolph-Kokot einen Polizisten bei einer Demonstration am 21. November 2022 als "Nazi" beleidigt haben soll, stritt die Angeklagte ab.

Der betroffene Polizist, sein Einsatzleiter und zwei weitere Zeugen wurden verhört. Später legte die Verteidigung dann überraschend ein Video der Situation vor, das ihr aus unbekannter Quelle zugespielt worden war. Dieses zeigte jedoch nur die wütende Reaktion des Polizisten, der im Verlauf der Sequenz die Beherrschung verlor.

Die Richterin folgte in diesem Fall der Annahme der Staatsanwaltschaft, dass es keinen Grund gebe zu glauben, der Polizist habe den Vorfall inszeniert und vor Gericht eine Falschaussage ablegt, um der Angeklagten zu schaden.

"Was die Beleidigung angeht, bin ich der Überzeugung, dass Sie den Herrn M. als Nazi beleidigt haben", so die Richterin. Das Strafmaß beträgt 30 Tagessätze á 80 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Titelfoto: Christian Grube

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