Sachsens gefährlichster Jugendhäftling: Prozess platzt, weil Schöffin lieber ins Ferienlager fährt
Leipzig - Zu ihm trauen sich die Wärter nur in Gruppe und unter Vollschutz in die Zelle: Pierre B. (20) ist Sachsens gefährlichster Jugendstrafgefangener. Am Mittwoch sollte dem in der JSA Regis-Breitingen einsitzenden Nachwuchs-Verbrecher in Leipzig der Prozess gemacht werden - wegen versuchten Mordes an einem Justizbeamten. Doch es kam alles anders.

Pierre B. ist ein durchtrainierter Hüne mit klingenscharfem Hard-Part-Haircut.
Als er von drei Justizbeamten mit Hand- und Fußfesseln in den Gerichtssaal geführt wird, mustert der bereits wegen Raubes und Erpressung verurteilte Angeklagte mit verkniffenen Augen alle Anwesenden. Friedlich nimmt er dann auf der Anklagebank Platz.
Ein Novum. Denn Ruhe und Besonnenheit scheinen den Ermittlungen zufolge nicht sein Ding zu sein.
Hinter Gittern gilt der Wittenberger als brutaler Schläger mit ultrakurzer Zündschnur. So kurz, dass sich das Wachpersonal nur in Truppstärke und mit Schutzausrüstung in seine Nähe traut.
Und letztere scheint einem Beamten im Dezember 2023 das Leben gerettet zu haben. Den Ermittlungen zufolge sollte der Wüterich nach einem Angriff auf Mithäftlinge auf die Sicherheitsstation verbracht werden.
Als ihn die Schließer dort hinbringen wollten, soll Pierre B. eine Schere aus seiner Hosentasche geholt und auf einen Beamten mehrfach eingestochen haben. Die Schere zerbrach am Helmvisier des Justizlers. Er blieb unverletzt.

Schöffin fehlt unentschuldigt

Die Staatsanwaltschaft wertet die Attacke dennoch als versuchten Mord. Doch zur Anklageverlesung kam es am Mittwoch nicht.
Eine Schöffin hatte den Prozess einfach geschwänzt, war stattdessen in ein Ferienlager gefahren.
Das Gericht verhängte gegen die eigene Laienrichterin ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 Euro und telefonierte eine Ersatz-Schöffin heran.
Als diese Stunden später das Landgericht erreichte, teilte sie der Kammer als Erstes mit, dass sie am Montag in den Urlaub fliege und an weiteren Verhandlungstagen nicht teilnehmen könne.
Entnervt warf der Vorsitzende Richter Michael Dahms das Handtuch und setzte das Verfahren aus. Nächster Versuch am 14. Juli.
Titelfoto: Silvio Buerger