Prozess zum Magdeburg-Anschlag: Taleb A. sprach von "sterben oder umbringen"

Magdeburg - Der letzte Tag vor der Weihnachtspause: Im Prozess gegen den Todesfahrer vom Magdeburger Weihnachtsmarkt rückte sein Berufsleben in den Fokus. Doch der Angeklagte fehlte im Prozess.

Der Angeklagte fehlt am 13. Verhandlungstag.
Der Angeklagte fehlt am 13. Verhandlungstag.  © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Der Angeklagte Taleb A. ist derzeit verhandlungsunfähig und konnte deshalb nicht am Prozesstag teilnehmen. Deswegen war der 13. Verhandlungstag gespickt von Unterbrechungen und Beratungen.

Der Gesundheitszustand von Taleb A. ließe derzeit zu wünschen übrig. Einige Symptome würden laut eines Sachverständigen auf Nierenversagen und somit auf Lebensgefahr hinweisen.

Die gesundheitlichen Mängel entstanden wohl durch den wochenlangen Hunger- und Durststreik des Angeklagten.

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Gerichtsprozesse Magdeburg Betroffener schildert im Prozess gegen Magdeburg-Todesfahrer: "Wir hätten alle drei tot sein können"

Trotz allem wurden am Donnerstag noch drei Zeugen verhört. Zwei Männer - ein Vorgesetzter und ein Kollege von Taleb A. - sagten über sein Benehmen als Facharzt für Psychologie im Maßregelvollzug Bernburg aus. Schlussendlich erstattete eine Ärztin Bericht über eine getötete Frau.

TAG24 war vor Ort und berichtete live. In diesem Artikel könnt Ihr den kompletten Verhandlungstag nachlesen.

15.35 Uhr: Prozess bis Januar beendet

Die Verteidigung reicht zum Ende des Prozesstages einen Beweisantrag ein. Es betrifft den Beschluss, dass Taleb A. selbst für seine Verhandlungsunfähigkeit verantwortlich sei und deshalb nicht am Prozess teilnehmen muss.

Damit beendet Richter Dirk Sternberg den Verhandlungstag. Der Prozess wird erst am 8. Januar 2026 fortgeführt. Ob der Angeklagte dann wieder teilnehmen kann, ist unklar.

Ob der Angeklagte künftig wieder teilnehmen kann? Zur heutigen Verhandlung fehlte er. (Archivfoto)
Ob der Angeklagte künftig wieder teilnehmen kann? Zur heutigen Verhandlung fehlte er. (Archivfoto)  © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

15.15 Uhr: Ärztin berichtet von Todesopfer

Eine 58-jährige Ärztin aus Magdeburg sagt nach einer kurzen Pause zu einer Toten des Anschlags aus.

Die Betroffene wurde demnach am Anschlagsabend mit einem gebrochenen Becken und einer gequetschten Lunge eingeliefert. Sie wurde links vom Todeswagen erwischt, schildert die Ärztin.

Zunächst wurde die Frau operiert und erholte sich etwas, klagte aber plötzlich über Atemnot , brach zusammen und musste schließlich sogar "über mehrere Stunden" wiederbelebt werden. Sie starb schließlich an multiplem Organversagen.

14.52 Uhr: Kollege kritisiert nicht ernstgenommene Auffälligkeiten vor Anschlag

In der Vorweihnachtszeit 2024 führten die Inhaftierten des Maßregelvollzugs Bernburg ein Theaterstück auf, was auch der Angeklagte freudig mit verfolgte, erinnert sich der Zeuge.

"Er war da so vergnügt und ausgelassen, wie er es nie gewesen ist. Da dachte ich, vielleicht ist er über den Berg", schildert der 37-jährige Psychologe. "Aber dem war ja nicht so."

Er kritisiert, dass die Auffälligkeiten, die er den Vorgesetzten gemeldet hatte, nicht so ernstgenommen wurden, wie der Zeuge gehofft hätte. Der 37-Jährige habe Angst um A.'s Patienten gehabt.

14.32 Uhr: Arbeitskollege dachte, Taleb A. sei suizidgefährdet

Nach ausführlichen Nachfragen wird zum nächsten Zeugen übergeleitet. Der 37 Jahre alte Psychologe arbeitete ab Sommer 2023 mit Taleb A. im Maßregelvollzug Bernburg zusammen.

Im August 2024 bemerkte der Zeuge nach eigenen Aussagen Auffälligkeiten an dem Angeklagten und meldete diese. Beispielsweise schrie der 51-Jährige vor den Augen des Zeugen "Ich befinde mich in einem Krieg und es gibt zwei Wege: sterben oder umbringen".

Sowohl der 37-Jährige als auch eine Kollegin, die den Vorfall ebenfalls bemerkte, wurden durch die Aussage sehr verstört. Der Psychologe nahm damals an, dass Taleb A. suizidgefährdet sein könnte.

Der Angeklagte hätte mit "Wahnsinn, Belastung und Aggressivität" zu kämpfen gehabt. Wäre Taleb A. ein Inhaftierter gewesen, "hätte ich ihn festgenagelt", erläutert der Psychologe direkt.

Nach langen Beratungen der Kammer sagen jetzt die ersten Zeugen des Tages aus.
Nach langen Beratungen der Kammer sagen jetzt die ersten Zeugen des Tages aus.  © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

13.34 Uhr: Ehemaliger Vorgesetzter spricht von Taleb A.'s Arbeit

Ein 48 Jahre alter Psychiater, der der ehemalige Vorgesetzt des Angeklagten war, sagt jetzt als Sachverständiger aus. Er erläutert, dass Taleb A. in 2020 als Facharzt für Psychotherapie über eine Jobvermittlung in den Maßregelvollzug Bernburg kam.

Während seiner Arbeitszeit gab es zahlreiche Beschwerden gegen den Angeklagten aufgrund seiner fachlichen Eignung. In 2023 änderte sich dann das Verhalten des Todesfahrers. Er habe sich öfter krank gemeldet, fehlte oft und verstrickte sich in Lügen.

Der 48-jährige Zeuge habe Personalgespräche mit Taleb A. geführt und zwischenzeitlich seine Kündigung angestrebt, betont aber, dass er den Angeklagten immer als freundlich und zurückhaltend empfunden habe.

Auch schrieb Taleb A. lange E-Mails an seinen Vorgesetzten mit Vermutungen, von der saudischen Regierung verfolgt zu werden. Zeitweise habe der Psychiater eine "wahnhafte Erkrankung" vermutet. Die Mails habe der Zeuge direkt nach dem Anschlag an die Polizei übermittelt.

13.19 Uhr: Erster Zeuge sagt aus

Taleb A.'s Rechtsanwalt Breiter verkündet nach der Pause, aufgrund der "dünnen Aussagen der Ärzte" Rechtsmittel gegen den Beschluss der Kammer einlegen zu wollen.

Richter Sternberg nimmt dies zur Kenntnis, setzt die Verhandlung aber dennoch fort und ruft jetzt den ersten Zeugen des Tages auf.

12 Uhr: Verhandlung wird ohne Taleb A. fortgesetzt

Nach einer langen Unterbrechung verkündet Richter Dirk Sternberg den Beschluss, dass die Verhandlung auch ohne die Anwesenheit des Angeklagten weitergeführt wird.

Seine Verhandlungsunfähigkeit sei "vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführt" worden, um die Verhandlungen zu behindern, ist sich die Kammer sicher. Die gesundheitlichen Mängel des Angeklagten seien ausschließlich auf seinen Hunger- und Durststreik zurückzuführen.

Taleb A.'s zwei Rechtsanwälte sind dennoch vor Ort und wollen sich in der Mittagspause beraten. Der Prozess pausiert bis 12.45 Uhr.

Lediglich Taleb A.'s Anwälte nehmen an der Verhandlung teil.
Lediglich Taleb A.'s Anwälte nehmen an der Verhandlung teil.  © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

11.15 Uhr: Kann der Prozess ohne Taleb A. weitergeführt werden?

Während noch besprochen wird, ob der Prozess ohne den Angeklagten fortgesetzt werden kann, informiert Gerichtssprecher Christian Löffler die Presse über die Hintergründe der Beratungen.

Demnach könne der Prozess nur dann ohne Taleb A. fortgeführt werden, wenn er selbst für seine Verhandlungsunfähigkeit verantwortlich ist. Dafür muss eindeutig geklärt werden, ob allein sein Hungerstreik Grund für seinen schlechten Gesundheitszustand ist.

Der Angeklagte hat eine Anwesenheitspflicht für den kompletten Prozess.

10.51 Uhr: Prozess weiter unterbrochen

Nach einer 40-minütigen Pause kehren die Geschworenen in den Saal zurück. Richter Dirk Sternberg verkündet, dass in der Pause erneut Kontakt mit dem JVA-Arzt aufgenommen wurde.

Der Arzt betone, dass der geschwächte Zustand des Angeklagten ausschließlich auf die Nahrungsverweigerung zurückzuführen ist. Breiter kritisiert dies erneut und der Prozess wird wieder unterbrochen.

10.12 Uhr: Prozess pausiert

Richter Dirk Sternberg kündigt eine 15-minütige Pause an.

Es soll in der Pause besprochen werden, ob der Prozess auch ohne die Anwesenheit des Angeklagten fortgesetzt werden kann.

Titelfoto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

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