Staatsanwalt sicher: Patienten-Mörder Högel hätte gestoppt werden können

Oldenburg - Mit Aussagen über seine Morde und die Situation auf den betroffenen Klinikstationen ist vor dem Landgericht Oldenburg die Zeugenvernehmung des verurteilten Patientenmörders Niels Högel in die Endphase gegangen.

Patienten-Mörder Niels Högel (45) wird in den Gerichtssaal geführt, wo er gegen seine ehemaligen Vorgesetzten aussagt.
Patienten-Mörder Niels Högel (45) wird in den Gerichtssaal geführt, wo er gegen seine ehemaligen Vorgesetzten aussagt.  © Hauke-Christian Dittrich/dpa

Der Ex-Krankenpfleger sagte am siebten Verhandlungstag in Folge im Prozess gegen frühere Klinikvorgesetzte aus. Dabei stellte er am Donnerstag in den Raum, dass ein Kollege und Freund in Oldenburg von den Taten gewusst haben könnte.

Zur Glaubwürdigkeit des Zeugen Högel sollte als Nächstes in dem Prozess das Gutachten des psychologischen Sachverständigen Max Steller gehört werden.

Der hatte Högel in dessen Prozess 2019 eine "hohe Lügenneigung und eine hohe Lügenbereitschaft" attestiert und betont, Högel sei in der Lage, qualitativ hochwertige Falschaussagen zu machen.

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Högel wurde 2019 wegen 85 Morden an den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst zu lebenslanger Haft verurteilt. Bei der am 17. Februar begonnenen Verhandlung sagte Högel, der seine Strafe in der JVA Oldenburg absitzt, erstmals als Zeuge aus.

Angeklagt sind drei Ärzte, drei leitende Pflegerinnen und Pfleger und ein Ex-Klinik-Geschäftsführer der Kliniken Oldenburg und Delmenhorst.

Patientin überlebte Mordversuch von Niels Högel und informierte die Vorgesetzten

Einer der angeklagten Klinik-Mitarbeiter sitzt zwischen seinen Verteidigern im Gerichtssaal.
Einer der angeklagten Klinik-Mitarbeiter sitzt zwischen seinen Verteidigern im Gerichtssaal.  © Sina Schuldt/dpa-Pool/dpa

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hätten sie Mordtaten Högels mit an "Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" verhindern können. Dem widersprechen die Verteidiger vehement. Högel berichtete am Donnerstag über ein Gespräch mit einem Kollegen in Oldenburg, mit dem er eng befreundet war.

Er habe diesem Kollegen erzählt, dass er Mist gebaut und Dinge getan habe, die er nicht hätte tun dürfen. Gemeinsam hätten sie seinen völlig überfüllten Spind in der Klinik ausgeräumt.

Dort befanden sich laut Högel neben medizinischen Instrumenten auch Medikamente mit dem Wirkstoff Ajmalin, mit dem er Patienten zu Tode spritzte.

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Er beschrieb auch den Fall einer scheinbar schlafenden Patientin auf der Intensivstation in Delmenhorst, die er mit einem Medikament vergiften wollte, die aber dann plötzlich aufgeschreckt sei.

Die Patientin überlebte, informierte aber eine vorgesetzte Kollegin Högels über den Vorfall. Diese habe das für "Quatsch" gehalten, mit der Patientin gesprochen und das geklärt, berichtete Högel.

Verhandlung gegen Ex-Klinik-Mitarbeiter von Todespfleger Niels Högel geht am Freitag weiter

Nachdem Högel als Zeuge entlassen wurde, betonte einer der Verteidiger, dass einige Aussagen Högels nicht stimmten. Darunter zähle die Behauptung, dass er zum Ende seiner Mordserie nicht mehr darauf geachtet habe, seine Taten zu vertuschen, sondern es möglicherweise darauf angelegt habe, erwischt zu werden.

Dies könne nicht stimmen, so der Anwalt. "Das sieht ein Blinder Krückstock." Högel habe genug Möglichkeiten gehabt, sich erwischen zu lassen.

Der Ex-Pfleger war auch am Donnerstag vom Vorsitzenden Richter, der Staatsanwaltschaft und vielen der 18 Verteidiger der Angeklagten intensiv und über Stunden befragt, unter anderem zur Arbeitssituation in den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst.

Dort ermordete er zwischen 2000 und 2005 zahlreiche wehrlose Patienten. Für den Prozess, der am Freitag fortgesetzt wird, sind insgesamt 42 Verhandlungstage angesetzt.

Titelfoto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

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