Tödlicher Radlader-Unfall bei Vater-Kind-Wochenenede: Gutachter widerspricht sich selbst

Lüneburg - Vor dem Lüneburger Landgericht ist am Montag der Prozess gegen einen 44-jährigen Mann gestartet, der für den tödlichen Radlader-Unfall in Toppenstedt am 24. Juni 2023 verantwortlich sein soll. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten fahrlässige Tötung in zwei Fällen und fahrlässige Körperverletzung in elf Fällen vor.

Der Angeklagte (44) musste sich am Montag vor dem Lüneburger Landgericht verantworten.
Der Angeklagte (44) musste sich am Montag vor dem Lüneburger Landgericht verantworten.  © TAG24/Nora Petig

Der Angeklagte Stefan I. (44), der den Radlader an dem besagten Tag fuhr, äußerte sich am Montagmorgen selbst ausführlich zu den Ereignissen.

Er könne es kaum in Worte fassen, so der 44-jährige Familienvater und ehemalige Bürgermeister der Gemeinde Toppenstedt. Es tue ihm unendlich leid, er stehe aber auch zu den Konsequenzen. Zwei Tage nach den Ereignissen legte er sein Amt nieder.

An dem Samstag im Juni vergangenen Jahres habe das Zelten auf dem Bolzplatz der Gemeinde stattgefunden, sonniges Wetter, etwa 30 Kinder und 20 Väter. "Es war immer eine tolle Stimmung", so der Angeklagte. Seit acht Jahren sei er nun schon beim Zelten mit seinen Kindern dabei.

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Die Idee, Kinder in einer Box mit seinem Radlader durch die Landschaft zu fahren, beruhe darauf, dass er vor vier Jahren die Aufgabe übernommen habe, Brennholz zum Lager mitzubringen. Da er ein praktischer Mensch sei, transportierte er es mit seinem Radlader zum Zeltlager. Daraus habe sich entwickelt, dass eine Runde mit den Kindern in der Kiste gedreht wurde.

"Die Kinder fanden es toll", erinnert sich der 44-Jährige in seinen Schilderungen. Er brachte eine Kiste für das Holz und eine für den Transport mit. Die Kinder hätten danach gefragt: "War für mich selbstverständlich mit der gleichen Technik, wie zuvor, zum Lager zu kommen".

Tödlicher Radlader-Unfall: War es technisches oder menschliches Versagen?

Wie konnte die Drahtkiste vom Radlader fallen?
Wie konnte die Drahtkiste vom Radlader fallen?  © Polizeiinspektion Harburg

Dass der 44-Jährige den Radlader gefahren ist, ist gesichert. Die Frage, die sich stellt, ist nun, wie die Kiste samt Kistendrehgerät von dem Radlader fallen konnte. Technisches oder menschliches Versagen?

Der Teleskoparm des Radladers brachte den Korb mit den Kindern zwischendurch auf eine Höher von 1,50 Meter.

Mit etwa 10 Km/h sei er mit ihnen und einem der Väter – Dominik S., der bei dem Unglück verstarb – am Unfalltag zu einer letzten Fahrt aufgebrochen.

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Auf dem Rückweg zum Lager kippte plötzlich die Kiste nach vorne, überschlug sich und landete kopfüber auf den Kindern und dem Vater und begrub diese unter sich, erinnert sich der 44-Jährige. Kinder schrien, Herr S. hatte eine riesige Kopfwunde.

Die eigenen Töchter des Angeklagten wurden bei dem Unfall verletzt

Die eigenen Töchter des Angeklagten (44) verunfallten bei dem Vorfall im Juni 2023, wie am Montag bekannt wurde.
Die eigenen Töchter des Angeklagten (44) verunfallten bei dem Vorfall im Juni 2023, wie am Montag bekannt wurde.  © Nora Petig/TAG24

Vor den einzelnen Fahrten habe er die Sicherungsbolzen seines Radladers nicht überprüft. Wären sie jedoch offen gewesen, hätte er dies gemerkt, so I.

Er könne sich den Vorfall nur durch den öllassenden Kugelhahn erklären.

Ein Gutachter ging zunächst davon aus, dass die Sicherheitsbolzen nicht verschlossen waren und es dadurch zu dem Unfall kam.

Für den Angeklagten offenkundig kaum vorstellbar. Immerhin seien das tagtägliche Handgriffe für den Bauern. Sicherheitsbolzen anlegen, Absperrhahn schließen, um zu verhindern, dass die Sicherheitsbolzen abgehen. Auch eine Funktionsprüfung habe er durchgeführt.

Herr I. wurde von der Polizei befragt, ihm wurde Blut abgenommen. Dann habe er zu Hause gesessen. Die nächsten Tage waren natürlich der absolute Horror, so der 44-Jährige. Mitgefühl, Hilflosigkeit. Die Frage: Wie konnte das passieren? Über die Sicherheit habe er sich keine Gedanken gemacht. Sonst transportiere er ja schwerere Last.

"Ich habe in keiner Sekunde nur im Ansatz daran gedacht, dass etwas passieren könnte." Niemand habe Sicherheitsbedenken gehabt.

Für alle sei es ein Drama gewesen. "Das Dorf trauert ganz stark mit den Familien", spendete aber auch dem Bürgermeister Trost.

Auch seine Töchter waren mit in der Box. Eine erlitt einen Unterarmbruch, eine Vene wurde verletzt. Sie lag laut ihres Vaters vier Tage im Krankenhaus und wurde operiert. Die andere Tochter kam mit einem Bruch und Schürfwunden davon.

Seinem ursprünglichen Gutachten, das besagte, dass ein Kugelventil verschlossen war, widersprach der Sachverständige während des Prozesses und gab an, dass es nun doch offen stand.

Am Montag konnte noch kein Urteil gefällt werden. Ein weiterer Gerichtstermin wird für die Verhandlung angesetzt.

Titelfoto: TAG24/Nora Petig

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