Geiselnahme und Sozialbetrug: Clan-Chef wandert jahrelang hinter Gitter

Düsseldorf - Das Familienoberhaupt einer arabischstämmigen Großfamilie ist in Düsseldorf wegen Geiselnahme und Sozialbetrugs zu sechs Jahren Haft verurteilt worden.

Das Familienoberhaupt der arabischstämmigen Großfamilie muss für sechs Jahre ins Gefängnis.
Das Familienoberhaupt der arabischstämmigen Großfamilie muss für sechs Jahre ins Gefängnis.  © Oliver Berg/dpa

Zwei seiner Söhne erhielten jeweils drei Jahre Haft wegen gefährlicher Körperverletzung und gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs.

Das 1700 Quadratmeter große Grundstück mit dem Anwesen der Familie in Leverkusen werde eingezogen, ordnete das Landgericht am Donnerstag an.

Die Ehefrau des Clan-Chefs erhielt zwei Jahre Haft auf Bewährung und ein weiterer Sohn ein Jahr und neun Monate Haft auf Bewährung.

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Die Angeklagten hätten sich "Straftaten multipler Art" zuschulden kommen lassen, sagte der Vorsitzende Richter. Dem Urteil war eine Strafabsprache vorangegangen, in deren Zuge die Angeklagten Geständnisse abgelegt hatten.

Ihre Zugehörigkeit zur Großfamilie oder zum Clan habe nicht strafverschärfend gewirkt, wohl aber die banden- und gewerbsmäßige Begehung des Betrugs, sagte der Richter.

So hätten sie das Jobcenter Leverkusen mit falschen oder unterbliebenen Angaben veranlasst, insgesamt 462.000 Euro Sozialhilfe und Krankenkassenbeiträge für die Familienmitglieder auszuzahlen.

Jobcenter zahlte zehnköpfiger Familie monatlich 5200 Euro aus Steuermitteln

Mit dem Geld des Jobcenters hatte die Familie auch das Darlehen für ihr Anwesen in Leverkusen getilgt.
Mit dem Geld des Jobcenters hatte die Familie auch das Darlehen für ihr Anwesen in Leverkusen getilgt.  © Marcel Kusch/dpa

Trotz erheblichen Vermögens hätten die Familienmitglieder - im Finanztopf der Familie hätten sich stets zwischen 100.000 und 300.000 Euro befunden - bis Ende Juni 2021 über sechs Jahre lang vom Jobcenter Sozialleistungen bezogen.

Das Jobcenter zahlte der zehnköpfigen Familie jeden Monat knapp 5200 Euro aus Steuermitteln. Mit dem Geld hatte die Familie auch das Darlehen für ihr Anwesen mit 300 Quadratmetern Wohnfläche in Leverkusen getilgt, auf das sie mehrere Bedarfsgemeinschaften angemeldet hatte.

Daneben hätten Familienmitglieder einen Mann auf der Straße aufgegabelt und im schallisolierten Hinterzimmer einer Shisha-Bar, bei dem es sich um ein Tonstudio gehandelt haben soll, zusammengeschlagen und damit gedroht, ihn umzubringen, um ihn dazu zu bringen, bestimmte Informationen preiszugeben.

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Ein weiteres Opfer sei noch am Boden liegend zusammengeschlagen und getreten worden. Mit einer Gemüsekiste sei ihm das Nasenbein zertrümmert worden.

"Mit Einkünften aus Straftaten haben die Angeklagten ein erhebliches Vermögen angehäuft", hatte der Staatsanwalt beim Prozessauftakt vor einem halben Jahr gesagt. "Sie trugen Rolex-Uhren und fuhren Mercedes S-Klasse." Doch die angeklagten Taten der Schutzgelderpressung fanden sich im Urteil nicht wieder.

Familienoberhaupt nach Kautionszahlung auf freiem Fuß

Die Polizei hatte die Leverkusener Villa der Großfamilie im Juni 2021 gestürmt und durchsucht.
Die Polizei hatte die Leverkusener Villa der Großfamilie im Juni 2021 gestürmt und durchsucht.  © Marcel Kusch/dpa

Die Verteidiger hatten beim Sozialbetrug milde Strafen gefordert, weil das Jobcenter es ihren Mandanten sehr leicht gemacht habe. Der niedrigschwellige Zugang zum Sozialsystem auch für Menschen mit geringem Bildungsniveau sei aber politisch gewollt. Die Strafkammer halte ihn ebenfalls für richtig, betonte der Richter. Daraus lasse sich keine geringere Schuld ableiten.

Strafmildernd wertete das Gericht, dass das Familienoberhaupt als Analphabet während der Untersuchungshaft keinen Kontakt zu seiner Familie habe halten können. Er ist inzwischen gegen Zahlung einer Kaution von 80.000 Euro auf freiem Fuß.

Die Polizei hatte das Haus in Leverkusen gestürmt und durchsucht, sechsstellige Summen Bargeld und Luxusuhren im Wert von 160.000 Euro beschlagnahmt.

Der Fall hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Insgesamt rund 600 Polizisten waren an der Aktion in 15 NRW-Städten beteiligt. Die Verurteilten werden dem Al-Zein-Clan zugerechnet, dem mehrere Tausend Personen angehören sollen.

Der Clan hat verschiedene Ableger. Mit der großen Razzia und den Tatvorwürfen der Autohehlerei in der vergangenen Woche hätten die nun Verurteilten nichts zu tun.

Originalmeldung vom 22. Dezember, 15.43 Uhr; zuletzt aktualisiert um 16.13 Uhr

Titelfoto: Oliver Berg/dpa

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