Mann terrorisiert gesamte Stadt mit Briefen - jetzt ist das Urteil gefallen
Von Christian Grube
Wernigerode- "Es war eine schlimme Zeit": So schildert es eine Betroffene, deren Familie jahrelang vom Wernigeröder Rentner Werner S. (83) mit Briefen belästigt wurde. Am Donnerstag begann der Prozess vor dem Amtsgericht Wernigerode.
Alles in Kürze
- Werner S. terrorisierte Wernigerode mit Briefen.
- Der 83-Jährige räumte Tatvorwürfe ein und gab Frust als Grund an.
- Das Urteil: Acht Monate auf Bewährung und 500 Euro für ein Tierheim.
- Betroffene zeigen sich enttäuscht von der Strafe und bezweifeln die Reue des Angeklagten.
- Den Betroffenen bleibt noch der Weg einer Zivilklage offen.

Die Staatsanwaltschaft Halberstadt klagte den Mann unter anderem wegen Urkundenfälschung sowie Verleumdung gegen politische Würdenträger und Privatpersonen an.
Die Anklage umfasste lediglich den Zeitraum 2022 und 2023 – Betroffene schilderten gegenüber TAG24, dass der Briefterror jedoch bereits mehrere Jahre zuvor begonnen habe und sie dies auch zur Anzeige gebracht hätten.
Da damals kein Täter ermittelt werden konnte, wurden die Verfahren eingestellt und verjährten schließlich. Erst der Zufall und eine anschließende Hausdurchsuchung führten die Ermittler zu Werner S.
Nach der Anklageverlesung gab der Verteidiger eine Erklärung des Angeklagten zu Protokoll, in der dieser die Tatvorwürfe vollumfänglich einräumte. Werner S. habe sich "in etwas hereingesteigert".
Auf die Frage nach dem Warum nannte er lediglich Frust als Grund. Weiter ging er nicht ins Detail – es tue ihm jedoch sehr leid, was er getan hat.
Aus "Frust" Briefe verschickt: Angeklagter räumt Tat sofort ein

Die Hausdurchsuchung und die Berichterstattung zu dem Fall hätten ihm einen gehörigen Schrecken eingejagt. Auf die Frage, wie er sich die ganzen Geschichten und Gerüchte ausgedacht habe, antwortete der Angeklagte, dass vieles auf Gerüchten basiere, die im Internet von einer Gruppe aus der Querdenken-Szene gestreut worden seien.
Das Gericht würdigte das Geständnis und die gezeigte Reue positiv. Das Urteil: Eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung sowie eine gemeinnützige Zahlung von 500 Euro an ein Tierheim.
Der Richter folgte damit weitgehend dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft, die zusätzlich eine Geldstrafe von 900 Euro gefordert hatte. Die Klage auf Urkundenfälschung wurde vorläufig eingestellt
Im angeklagten Zeitraum hatte Werner S. unter anderem dem damaligen Oberbürgermeister von Wernigerode, Peter Gaffert (64, parteilos), ein Verhältnis mit einer Gastronomin nachgesagt, die angeblich neben ihrem Restaurantgewerbe Geldwäsche in Tschechien betreibe und Rauschgift aus Polen in Kisten verpackt liefern lasse.
In einem anderen Brief gab er sich als Journalist aus und wollte über angebliche Straftaten informieren. Mal fälschte er Briefköpfe der Wernigeröder Kaufmannsgilde, mal verschickte er Schmähgedichte gespickt mit Wilhelm-Busch-Zeichnungen.
Urteil gegen "Briefterrorist": Betroffene sind enttäuscht

Betroffene, die am Mittag vom Urteil erfuhren, zeigten sich enttäuscht. "Ich hätte eine höhere Strafe erwartet – die Jahre der Angst werden so auf keinen Fall gesühnt."
Verwundert war man auch darüber, dass der Angeklagte erst jetzt ein umfängliches Geständnis abgelegt habe. "Vor dem Gerichtsverfahren lehnte er noch einen Täter-Opfer-Ausgleich ab, und jetzt zeigt er sich im Angesicht des Urteils reumütig? Eine direkte Entschuldigung an die Opfer wäre das Mindeste gewesen", so ein Geschädigter gegenüber TAG24. Auch die Aussage, dass die Informationen alle aus dem Internet stammen, bezweifeln sie.
Der Angeklagte hat das Urteil akzeptiert. Den Betroffenen steht nun noch der Weg einer Zivilklage offen, um Schadensersatz zu fordern. "Diesen Weg werden wir auch einschlagen", hieß es.
Titelfoto: Christian Grube