Ungebremste Streitlust? Immer mehr Zivilverfahren belasten Sachsens Gerichte
Dresden - Gestritten wird immer - am Gartenzaun, im Kinderzimmer, unter Kollegen und auch vor Gericht. Im Jahresvergleich 2023/24 sind die Eingangszahlen an den sächsischen Amts- und Landgerichten bei Zivilsachen deutlich gestiegen. Noch eine Krise?

Bei den fünf Landgerichten im Freistaat gingen laut der Jahresbilanz des Oberlandesgerichts Dresden (OLG) neun Prozent mehr Streitfälle ein, bei den 25 Amtsgerichten waren es fünf Prozent mehr. Das sind im Jahresvergleich insgesamt über 2000 Verfahren und damit 1350 mehr als im vergangenen Jahr.
Eine spürbare Belastung für die Gerichte, so OLG-Präsident Leon Ross (52). Und überraschend, weil langfristig bisher ein Rückgang zu verzeichnen war. Jahrelang hielten die Diesel-Abgas-Verfahren die Zahlen hoch. Allein am OLG waren über sechs Jahre hinweg mehr als 5000 Verfahren anhängig.
Aktuell sind es noch 30, Tendenz weiter fallend. Eine Zunahme war hingegen auch bei Privat- und Firmeninsolvenzen zu verzeichnen sowie bei den Anträgen an Gerichtsvollzieher.
Vielleicht ein Nachholeffekt aus der Pandemie, so das OLG. Rückläufig sind dagegen Strafsachen (-7 Prozent). Eine laut Ross wohl temporäre Entwicklung: "Die Kollegen aus der Staatsanwaltschaft berichten, wie stark die Zahlen dort zunehmen."


Gerichte verzeichnen steigende Zahl von Zivilsachen

Für die Anstiege der Zahlen an den Land- und Amtsgerichten sind keine speziellen Gründe erkennbar, meint Ross.
Mieten, Kauf, Erbsachen, Werkverträge oder Schadensersatzklagen - nichts sticht hervor. "Aber es ist möglich, dass in einer Zeit, in der es enger wird, erbitterter gestritten wird", sagt Ross.
Zeiten wie diese hätten für seine Branche goldenen Boden, bestätigt ein Rechtsanwalt aus Dresden, der nicht genannt werden will. Und sonst? Am Oberlandesgericht stiegen die Beschwerdesachen.
Die Spitze bildeten hier die Kindschaftssachen mit 79 Prozent. Rückläufig waren die Revisionsverfahren bei Strafsachen sowie an den Amtsgerichten die erstinstanzlichen Verfahren.
Titelfoto: Fotomontage:IMAGO/photothek/Ute Grabowsky,dpa/Sebastian Kahnert