Cyber-Killer "White Tiger": Gruppierung soll sechs weitere Menschen in den Tod getrieben haben
Hamburg - Die Verhaftung des Cyber-Killers "White Tiger" im Juni in Hamburg schlug hohe Wellen. Dem 21-Jährigen werden über 200 Straftaten zur Last gelegt, darunter Mord. Das zugehörige Netzwerk soll nach SPIEGEL-Recherchen sechs weitere Menschen auf dem Gewissen haben.
"Wir haben in Abgründe geschaut, in die wir noch nie geschaut haben", erklärte Jan Hieber, Leiter des Landeskriminalamts, im Juni bei der Pressekonferenz zur Festnahme von Shariar J. (21).
Gemeint war damit die Auswertung der Dateien, die im Rahmen der Ermittlungen gegen "White Tiger" sichergestellt wurden. Die Videosequenzen seien so furchtbar gewesen, dass die Beamten während der Ermittlungen psychologisch betreut wurden.
Einige SPIEGEL-Reporter haben sich von diesen Darstellungen offenbar nicht abschrecken lassen und nach eigenen Angaben Tausende Chatnachrichten von "White Tiger" und Millionen Chatbeiträge aus dem Netzwerk "Com" ausgewertet, dem der 21-Jährige angehört haben soll.
Der SPIEGEL habe im Zuge dessen sieben weitere Fälle recherchiert, in denen Menschen durch Mitglieder des Netzwerkes in den Tod getrieben worden sein sollen.
In den meisten Fällen hätten die Opfer, angetrieben von den Mitgliedern der sadistischen Szene, vor laufender Kamera Suizid begangen.
"764"-Mitglied soll 13-Jährige zur Tötung ihrer Schwester (†7) gedrängt haben
In einem der Fälle soll ein Mitglied der "764"-Gruppierung, der auch "White Tiger" angehört haben soll, ein Mädchen in Leipzig zur Tötung ihrer Schwester getrieben haben.
Die 13-Jährige soll dazu gebracht worden sein, ihre siebenjährige Schwester zu erstechen. Auf dem Handy des Mädchens hätten die Ermittler verstörende Messenger-Nachrichten gefunden.
"Wir wissen, wo deine Familie wohnt, und wir kennen all deine Familienmitglieder. Wenn du nicht tust, was wir sagen, bringen wir euch alle um", fassten die Beamten die Botschaft gegenüber dem SPIEGEL zusammen.
Die Mitglieder des Netzwerkes sollen gezielt psychisch labile Kinder im Alter von 10 bis 14 Jahren gesucht haben. Die Opfer wurden so manipuliert, dass sie sich schlimmste Sachen antaten. Was die Opfer taten, nahmen die Sadisten auf und drohten mit einer Veröffentlichung, um die Opfer dadurch zu weiteren Grausamkeiten zu drängen.
Das Verfahren gegen Shariar J., der auf der Elbinsel Hahnöfersand in Niedersachsen in Untersuchungshaft sitzt, soll vor der Jugendkammer des Landgerichts Hamburg unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Solltet Ihr selbst von Selbsttötungsgedanken betroffen sein, findet Ihr bei der Telefonseelsorge rund um die Uhr Ansprechpartner, natürlich auch anonym. Telefonseelsorge: 08001110111 oder 08001110222 oder 08001110116123.
Titelfoto: Nicolas Armer/dpa

