Drohnenalarm auch in Sachsen: "Denke, dass das Austesten seitens Russland aktuell läuft"

Von Daniel Josling

Leipzig/Halle - Immer wieder werden an deutschen Flughäfen Drohnen gesichtet. Auch an den ostdeutschen Airports Leipzig/Halle und Dresden häufen sich die Vorfälle. Elf Drohnen wurden nach Angaben der Deutschen Flugsicherung (DFS) in diesem Jahr dort bereits gesichtet - sechs davon allein in Leipzig. Doch wie gut sind die Flughäfen auf eine wachsende Bedrohung aus der Luft vorbereitet?

Wie reagieren Flughäfen auf Drohnensichtungen? Ein Luftverkehrs-Experte erklärt, warum die Gefahr wächst und welche Lücken es bei der Abwehr noch gibt.
Wie reagieren Flughäfen auf Drohnensichtungen? Ein Luftverkehrs-Experte erklärt, warum die Gefahr wächst und welche Lücken es bei der Abwehr noch gibt.  © Marijan Murat/dpa

"Wir können uns nicht wirklich darauf vorbereiten, weil wir kein eigenes Detektionssystem haben", sagt DFS-Sprecher Robert Ertler. Die Radarsysteme der Flugsicherung seien auf große Flugzeuge ausgelegt, nicht auf kleine Drohnen. "Die sind zu klein, haben zu wenig Abstrahlfläche. Wir sehen die tatsächlich nur, wenn Piloten sie melden oder wenn sie von der Bundespolizei entdeckt werden."

Die Flugsicherung kann solche Zwischenfälle nicht verhindern - sie kann nur reagieren. Die Bundesregierung will das ändern und die Abwehr stärken. Innenminister Alexander Dobrindt (55, CSU) kündigte an, dass die Bundespolizei bis Jahresende eine eigene Drohnenabwehreinheit erhält.

Außerdem soll ein gemeinsames Drohnenabwehrzentrum von Bund und Ländern entstehen, das die Zusammenarbeit von Polizei, Bundeswehr und Sicherheitsbehörden bündelt. Auch das neue Bundespolizeigesetz soll die Abwehr von Drohnen rechtlich absichern .

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Während die Bundesregierung neue Strukturen zur Drohnenabwehr aufbaut, sieht der Dresdner Luftverkehrs-Experte Hartmut Fricke (58) noch viele offene Flanken. Der Professor für Technologie und Logistik des Luftverkehrs an der TU Dresden erklärt im Gespräch, wo Deutschland steht - und wo es hapert.

Wie ernst ist die Drohnengefahr für unsere Flughäfen?

Frachtflugzeuge Antonow An-124 der russischen Volga-Dnepr-Gruppe stehen am Flughafen Leipzig/Halle. Die Maschinen dürfen nicht mehr abheben, da der Luftraum der EU für russische Flugzeuge gesperrt ist.
Frachtflugzeuge Antonow An-124 der russischen Volga-Dnepr-Gruppe stehen am Flughafen Leipzig/Halle. Die Maschinen dürfen nicht mehr abheben, da der Luftraum der EU für russische Flugzeuge gesperrt ist.  © Jan Woitas/dpa

"Es gibt definitiv eine veränderte Sicherheitslage an Flughäfen." Fricke vermutet, dass derzeit gezielt getestet wird, wie Deutschland auf Drohnenvorfälle reagiert. "Ich denke, dass das Austesten der Möglichkeiten, wie wir mit Drohnen umgehen, seitens Russland aktuell läuft. Das ist meine feste Überzeugung." Zugleich betont er, dass auch andere Akteure solche Flüge durchführen könnten. "Ob dann natürlich viele Trittbrettfahrer dabei sind, die einfach sagen: 'Wunderbar, da schließe ich mich einfach an', und alle vermuten, es kommt aus Russland - das ist natürlich nie ausgeschlossen", sagt Fricke.

Was ist das Ziel solcher Drohnenflüge?

Nach Einschätzung Frickes verfolgen die meisten Drohnen über Flughäfen mehrere Zwecke. "Das Erste ist sicherlich, was man so unter dem Begriff 'Inspection und Surveillance' bezeichnet", erklärt er. Man wolle mithilfe der hochauflösenden Kameras sehr genau Informationen über die kritischen Infrastrukturen sammeln.

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Schon das Beobachten selbst könne eine Form der Einschüchterung sein, erklärt Fricke. Als Beispiel nennt er die in Leipzig/Halle stationierten russischen Antonow-Transportmaschinen. "Das ist ja schon eine Drohkulisse für sich, dass man sagen kann: Wir wissen es jetzt noch genauer, können besser hinschauen als mit Satellitenaufnahmen." Die riesigen Frachtflugzeuge stehen seit dem 28. Februar 2022 in Leipzig/Halle - sie dürfen wegen der EU-Sanktionen gegen Russland nicht mehr starten.

Ein zweites Motiv sei, wie Fricke sagt, das gezielte Austesten von Schwachstellen.

Was passiert im Ernstfall?

Hartmut Fricke (58) ist Professor für Technologie und Logistik des Luftverkehrs an der TU Dresden.
Hartmut Fricke (58) ist Professor für Technologie und Logistik des Luftverkehrs an der TU Dresden.  © Steffen Fuessel

Wird eine Drohne im Luftraum eines Flughafens entdeckt, greifen laut Fricke eingespielte Sicherheitsmechanismen. "Es gibt das kontrollierte Runterfahren des Flugbetriebs an jedem Flughafen", sagt er. Flugzeuge, die bereits im Anflug sind, dürfen ihre Landung abschließen, andere werden umgeleitet. Starts werden vorübergehend gestoppt, bis die Lage geklärt ist.

Wie gut sind Leipzig/Halle und Dresden vorbereitet?

Das sächsische Innenministerium teilt auf Anfrage mit, dass es eine zentrale Drohnenabwehreinheit gegen handelsübliche Drohnen gibt, die bei Bedarf auch an Flughäfen eingesetzt werden kann. In diesem Jahr liege dem Landeskriminalamt ein sicherheitsrelevanter Hinweis auf einen Drohnenüberflug an sächsischen Flughäfen vor. Zwischen Landes- und Bundespolizei bestehe ein regelmäßiger Austausch, Einsatzlagen würden fortlaufend bewertet.

Fricke hält das für einen Anfang, aber längst nicht für ausreichend. Aus seiner Sicht wäre es sinnvoll, die Schutzbereiche rund um Flughäfen zu erweitern, um im Ernstfall mehr Zeit zum Reagieren zu haben. Langfristig, so der Experte, müsse die Technik der Abwehr mit der sich rasant entwickelnden Drohnentechnologie Schritt halten - eine Aufgabe, die nach seiner Einschätzung noch nicht abgeschlossen ist.

Titelfoto: Montage: Steffen Fuessel; Marijan Murat/dpa

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