Hier pflegt der mutmaßliche Stasi-Killer sein Leipziger Vorstadtidyll

Leipzig/Berlin - Er soll im Auftrag der DDR-Staatssicherheit einen Menschen hinterrücks erschossen haben: 49 Jahre nach dem Mord an Czeslaw Kukuczka (†38) im Grenzbahnhof Berlin-Friedrichstraße pflegt der mutmaßliche Stasi-Killer Manfred N. (79) ein Leben in der Leipziger Vorstadtidylle - zwischen Gartenzwergen und Gemüsebeeten. Über seine Vergangenheit reden will er nicht.

Rüstiger Rentner: Stundenlang beackerte Manfred N. (79) am Freitag sein Leipziger Gartenidyll. Trotz Anklage wegen Mordes ist er weiterhin auf freiem Fuß.
Rüstiger Rentner: Stundenlang beackerte Manfred N. (79) am Freitag sein Leipziger Gartenidyll. Trotz Anklage wegen Mordes ist er weiterhin auf freiem Fuß.  © Ralf Seegers

Vormittags in einer bürgerlichen Siedlung am Stadtrand von Leipzig: Ein großer drahtiger Mann mit schlohweißem Resthaar und Lesebrille auf der Stirn steht zwischen Tomatensträuchern und grünen Paprika, beackert hingebungsvoll seine Beete.

Es ist ein riesiger Garten, der sich hinter dem weiß getünchten Eigenheim aus den 1930er-Jahren erstreckt. Der Vorgarten ist liebevoll mit Gartenzwerg, Grinsekürbis und Fliegenpilzhaus dekoriert.

In dieser Vorstadtidylle genießt Manfred N. mit seiner jungen Frau den Ruhestand. Doch unbeschwert dürfte der seit dieser Woche nicht mehr sein. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat Mord-Anklage gegen den einstigen Stasi-Offizier erhoben.

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Als junger Leutnant soll er am 29. März 1974 im Grenzbahnhof Friedrichstraße den polnischen Feuerwehrmann Czeslaw Kukuczka getötet haben, als dieser nach West-Berlin ausreisen wollte.

Laut Anklage trat der Mörder im Grenztunnel aus einem Versteck und schoss dem arglosen Mann aus Nahdistanz in den Rücken. Ein Auftragsmord der Stasi, die verhindern wollte, dass Kukuczka, der sich zuvor in der polnischen Botschaft mit einer Bombenattrappe Ausreisepapiere erpresst hatte, in den Westen gelangt.

Den Vorgarten hat er mit Pilzhaus und Kürbis (kleines Foto) schon herbstlich dekoriert.
Den Vorgarten hat er mit Pilzhaus und Kürbis (kleines Foto) schon herbstlich dekoriert.  © Bildmontage: Ralf Seegers
Das Mordopfer: Czeslaw Kukuczka (†38) im Gedenkfenster des Mauer-Opfer-Denkmals in Berlin.
Das Mordopfer: Czeslaw Kukuczka (†38) im Gedenkfenster des Mauer-Opfer-Denkmals in Berlin.  © Archiv

Berlin 1974? "Dazu sage ich nichts ..."

Der Tatort: Grenzbahnhof Berlin-Friedrichstraße - in einem unterirdischen Gang soll der Stasi-Mann den Auftragsmord laut Anklage am 29. März 1974 ausgeführt haben.
Der Tatort: Grenzbahnhof Berlin-Friedrichstraße - in einem unterirdischen Gang soll der Stasi-Mann den Auftragsmord laut Anklage am 29. März 1974 ausgeführt haben.  © dpa-ZB/Krisch

Als der TAG24-Reporter Manfred N. zum Gartentor bittet, kommen die alten Reflexe durch. Der Ex-Geheimdienstler bleibt auf Distanz, misstraut wohl dem Auto mit den abgedunkelten Scheiben, das vor seinem Grundstück steht.

Berlin 1974? "Dazu sage ich nichts", ruft er von Weitem. Seine Frau, die gerade vom Joggen gekommen ist, wird deutlicher. Die Mord-Anklage? "Das stimmt alles so nicht", meint sie. Wie es aus ihrer Sicht tatsächlich ablief - dazu will auch sie nichts sagen.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat sich Manfred N. auch im Ermittlungsverfahren nicht eingelassen. Dass er trotz des Mord-Vorwurfes weiter auf freiem Fuß bleibt, hat wohl auch mit der Leipziger Vorstadtidylle zu tun.

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Die Anklagebehörde geht nicht davon aus, dass der Sachse sein kleines Paradies aufgibt und flüchtet. Und Verdunklungsgefahr scheidet als weiterer Haftgrund nach 49 Jahren aus.

Titelfoto: Bildmontage: Ralf Seegers, Archiv

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