Unmut im Leipziger Osten: Blechlawinen oder Lebensqualität für alle?

Von Anke Brod

Leipzig – Ein Stadtteil, zwei Meinungen: Während die einen in Anger-Crottendorf an Stellplätzen und ihrem seit DDR-Zeiten gewohnten Plausch im Garagenhof festhalten möchten, würden andere am liebsten gar keine Autos mehr im Kiez sehen wollen. Seit 2015 erlebt Anger-Crottendorf einen Umbruch mit Bürgerzuwachs inklusive neuem Schulcampus und gerade eröffnetem Park in der Rietzschke-Aue. TAG24 schaute sich vor Ort um.

Die alte "Krausefabrik" gegenüber der Ostwache wird aktuell für Wohnungen saniert. Der "Polygraphplatz" dazwischen soll bürgerfreundlich umgestaltet werden.
Die alte "Krausefabrik" gegenüber der Ostwache wird aktuell für Wohnungen saniert. Der "Polygraphplatz" dazwischen soll bürgerfreundlich umgestaltet werden.  © Anke Brod

Hinter der Liselotte-Herrmann-Straße operieren seit rund 50 Jahren zwei Garagengemeinschaften auf Pachtgrund der Stadt Leipzig. Hier parken überwiegend Anwohner umliegender Wohnblöcke. Sie treffen sich hier auch gerne mal zum Schwatz in vertrauter Runde.

Damit soll bald Schluss sein: Die Stadt plant auf dem Areal perspektivisch eine Grundschule. Dann sollen die Höfe weg.

Dabei hängen die Pächter an ihren einst selbst erbauten Garagen und starteten unlängst eine Petition zum Erhalt der Anlage. Viele Unterzeichner sehen sich aus Altersgründen auf Stellplätze in Wohnungsnähe angewiesen.

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Dem Bürgerverein Anger-Crottendorf bereiten hingegen mehr Autos, einhergehende Schadstoffbelastungen und weniger Platz für Menschen durch das insgesamt gewachsene Leipzig Sorgen.

Neues Verkehrskonzept gefordert

Er hatte bereits im lokalen "Anger-Crottendorfer Anzeiger" zur Stadtentwicklung berichtet.

"Als bekannt wurde, dass auf den Garagenhöfen eine Grundschule gebaut werden soll, wollten wir das den Betroffenen schnellstmöglich mitteilen, damit sie sich nach neuen Stellplätze umschauen können", erläuterte Vereinsvorsitzende Ulrike Gebhardt (43) im TAG24-Gespräch. Damit sei der Stress in den Stadtteil gekommen. Denn zeitgleich habe das Ordnungsamt damit begonnen, Falschparker zu ahnden.

Das Thema Garagenhöfe gelangte voriges Jahr auch in den Stadtbezirksbeirat (SBB) Ost: Die Pächter forderten nunmehr von der Stadt alternative Stellplätze. Der SBB Ost wurde in der Diskussion zum Vermittler zwischen Anwohnern und Stadtverwaltung. Das Ergebnis war ein Verkehrskonzept. Darin wird nun als erster Schritt eine Parkraumanalyse durchgeführt und eine Machbarkeitsstudie zu einer neuen Quartiersgarage in Auftrag gegeben. Darüber hinaus gibt es intensive Gespräche über eine effektivere Anbindung als bisher an den öffentlichen Nahverkehr.

Der Verein "Ostwache Leipzig" will darüber hinaus Jung und Alt in der ehemaligen Feuerwache an der Gregor-Fuchs-Straße als Nachbarn soziokulturell zusammenbringen. Der Bürgerverein Anger-Crottendorf unterstützt das auch immer wieder im Stadtrat thematisierte Projekt. Zur bürgernahen und grünen Gestaltung des gepflasterten "Polygraphplatzes" zwischen "Ostwache" und der in Sanierung befindlichen ehemaligen Karl-Krause-Fabrik gegenüber begann in diesem Kontext im übrigen gerade ein städtebaulicher Ideenwettbewerb mit Anwohnerbeteiligung.

Ulrike Gebhardt vom Bürgerverein Anger-Crottendorf und ihre Mitstreiter befürworten für den Stadtteil im Osten Leipzigs weniger Parkplätze und mehr Gemeinschaftsflächen wie die neue Rietzschke-Aue im Hintergrund.
Ulrike Gebhardt vom Bürgerverein Anger-Crottendorf und ihre Mitstreiter befürworten für den Stadtteil im Osten Leipzigs weniger Parkplätze und mehr Gemeinschaftsflächen wie die neue Rietzschke-Aue im Hintergrund.  © Anke Brod

"Streithähne" an einen Tisch bringen

Die Garagenhöfe hinter der Ostwache sollen einer Grundschule weichen. Den Pächtern stößt das auf.
Die Garagenhöfe hinter der Ostwache sollen einer Grundschule weichen. Den Pächtern stößt das auf.  © Anke Brod

Etliche Anwohner befürchten durch den Wegfall bis dato geduldeter Parkmöglichkeiten in engen Wohnstraßen, wie halb auf dem Fußweg, zudem eine Verschiebung der Problematik in angrenzende Stadtteile.

Seit geraumer Zeit verfolgt die Ordnungsbehörde nämlich "Gehwegparker" im Kiez. Die Betroffenen verlangen ebenfalls Ersatzflächen.

Die jeweiligen "Lager" in Anger-Crottendorf scheinen in ihren Ansichten weit auseinander zu liegen. Ein Meinungsaustausch auf Augenhöhe fehlt offenkundig.

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"Die Grundstruktur von Anger-Crottendorf ist älter als die umfassende Motorisierung der Bevölkerung", erläuterte Ulrike Gebhardt (43). Es gebe dort seit 2015 deutlich mehr Einwohner und weniger Platz, schilderte sie weiter und sagte: "Der öffentliche Raum besteht allerdings nicht nur aus Parkflächen für Autos." - Er beinhalte auch Platz für Fußgänger und Radfahrer, spielende Kinder und Treffpunkte für Anwohner.

"Damit entstehen Konflikte", zeigte sie auf. "Konflikte löst man nicht durch Eskalation, sondern über das Reden miteinander", betonte Gebhardt. Und man lebe als Gesellschaft vom Engagement der Menschen.

Daher lädt der Bürgerverein interessierte Stadtteilbewohner zur gemeinsamen Gestaltung von Anger-Crottendorf ein. Der Tenor: "Schimpft nicht, sondern macht mit!"

Titelfoto: Anke Brod

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