Fahrradstaffel sucht Bärlauch-Diebe in Leipziger Wäldern

Leipzig - Ein "Handstrauß" Bärlauch pro Person ist erlaubt – dennoch verlassen regelmäßig kiloschwere Säcke davon die Leipziger Waldgebiete. Dagegen geht die Polizei-Fahrradstaffel vor.

Die Bärlauchstreife ist regelmäßig in Leipzig unterwegs.
Die Bärlauchstreife ist regelmäßig in Leipzig unterwegs.  © Tobias Junghannß/dpa-Zentralbild/dpa

Zwischen 800 und 1000 Kilo Bärlauch klauten Diebe laut Polizei im vorigen Jahr aus den Leipziger Wäldern. Für das Sammeln der Pflanze herrschen in Sachsen jedoch strenge Regeln.

"Offiziell ist eine kleine Tüte schon zu viel", sagt eine Polizistin der Staffel, die ihren Namen nicht öffentlich machen möchte. Bewegt man sich in Naturschutzgebieten, ist sogar ein gepflücktes Blatt bereits eines zu viel.

"Vom Wegesrand sieht man die Personen nicht. Sie sind tief im Wald unterwegs, was untypisch ist für Touristen", sagt die Polizistin. Weitere Indizien für Bärlauch-Sammler, die sich außerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegen: schmutzige Klamotten, schlammiges Schuhwerk, volle Beutel.

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Um nicht aufzufallen, haben sich die Diebe allerdings etwas überlegt: "Sie bunkern ihre Sachen im Wald, um sich dort umzuziehen." Sogar Knieschoner tragen sie – "sie arbeiten ja den ganzen Tag hier auf dem Boden", sagt die Polizistin. Nach getaner Arbeit würden sie ihre sauberen Klamotten wieder anlegen und als einfache Spaziergänger den Wald verlassen.

Vom Fahrrad abgestiegen, gehen die Polizisten Trampelpfaden und Tupperdosen nach. Im blickdichten Wald ist es schwierig, die Diebe zu erkennen. In diesem Jahr habe die Fahrradstaffel bislang in vier Fällen mutmaßliche Täter erwischt.

"Vom Wegesrand sieht man das Chaos nicht, das sie hier zurücklassen", sagt die Polizistin. "Sie verpflegen und entladen sich hier im Wald." Somit liefert sie zudem eine Erklärung, weswegen neben leeren Müsliriegel-Verpackungen auch Feuchttücher in den Sträuchern hängen.

Bärlauch-Dieben blühen Strafen von bis zu 10.000 Euro

Das Sammeln des beliebten Küchenkrautes für den Eigenbedarf ist nur in "handstraußgroßer" Menge gestattet
Das Sammeln des beliebten Küchenkrautes für den Eigenbedarf ist nur in "handstraußgroßer" Menge gestattet  © Sebastian Willnow/dpa

Polizeisprecher Chris Graupner beschreibt die Arbeitsweise der Täter: "Die Leute werden gesammelt und gezielt an bestimmte Plätze gefahren, sodass sie dort ihre Arbeit verrichten." Die großen Mengen Bärlauch würden später mit Anhängern und Transportern abgeholt.

All das sei jedoch kein Diebstahl – jedenfalls nicht im strafrechtlichen Sinne. Da es sich um Wildpflanzen handele, also um kein direktes Eigentum, lägen hier Ordnungswidrigkeiten vor, erklärt Graupner. "Das kann Geldbußen von bis zu 2500 Euro oder in besonders schweren Fällen sogar bis zu 10.000 Euro nach sich ziehen."

Erwischt ein Sammler dann noch eine geschützte Pflanze wie den Märzenbecher, befände man sich schnell im Bereich einer Umweltstraftat – ein Fall für den Staatsanwalt.

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Bei den mutmaßlichen Tätern handele es sich häufig um Russen und um Tschetschenen, teilte die Polizei mit. "Wir wissen auch, dass die Mengen von über 100 Kilogramm verwendet werden, um sie anschließend zu versenden und Geschäft damit zu betreiben", sagt Graupner. Der gastronomische Bereich liege nahe.

Junger Bärlauch ähnelt Giftpflanze

In vielen deutschen Wäldern wuchert massenweise Bärlauch. Die Pflanze wächst innerhalb weniger Tage nach.
In vielen deutschen Wäldern wuchert massenweise Bärlauch. Die Pflanze wächst innerhalb weniger Tage nach.  © Martin Schutt/dpa

Leidtragende des Ganzen könnten hierbei vor allem die Sammler selbst oder die Konsumenten am Ende der Kette sein. Marko Reimann, seit einem Jahr Ranger im Connewitzer Forst, erinnert sich: "Letztes Jahr haben wir einen Beutel mit Geflecktem Aronstab sichergestellt".

Der Bärlauch-Pflanze im jungen Stadium zum Verwechseln ähnlich, handele es sich beim Gefleckten Aronstab um eine Giftpflanze. Auch das giftige Maiglöckchen sei schon darunter gewesen. Die Gefahren laut Kliniken: Rötung, Erbrechen, Krampfanfälle, selten auch Herzrhythmusstörungen.

Das eigentliche Problem der Bärlauch-Raubzüge sei aber die Störung des Waldes. "Für die Tiere und vor allem für den Nachwuchs ist das der Beginn einer sensiblen Zeit: der Brut- und Setzzeit."

Durch die Arbeit der illegalen Sammler würden sensible Bereiche zertrampelt und vermüllt, schützenswerte Pflanzen wie der Märzenbecher zerstört. Die massiven Eingriffe in den Boden seien zudem schädlich für den Wald.

"Aber für den Bärlauch sehen wir das als ganz unproblematisch", sagt Reimann. Der Vorrat in den Leipziger Wäldern scheint tatsächlich nur schwerlich erschöpfbar. Auch im Auwald an den bis vor wenigen Tagen noch kahlen Stellen, zwischen leeren Croissant-Tüten und Fertigkaffees der Sorte Karamell, wachsen die jungen Bärlauch-Pflanzen schon wieder.

Titelfoto: Montage Tobias Junghannß/dpa-Zentralbild/dpa ; Sebastian Willnow/dpa

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