Tatortreiniger erzählt: Thomas Kundt beseitigt die Spuren menschlicher Tragödien

Leipzig - Wenn er kommt, dann war der Tod schon da. Thomas Kundt (41) beseitigt die Spuren, die von menschlichen Tragödien künden. Er ist Tatortreiniger - ein Beruf, der tiefe Einblicke in den Zustand unserer Gesellschaft gibt.

Mit Desinfektionsmitteln und Industriereinigern beseitigt Tatortreiniger Thomas Kundt (41) die Spuren von Verbrechen, Suiziden und tragischen Todesfällen von Böden und Wänden.
Mit Desinfektionsmitteln und Industriereinigern beseitigt Tatortreiniger Thomas Kundt (41) die Spuren von Verbrechen, Suiziden und tragischen Todesfällen von Böden und Wänden.  © Alexander Bischoff

An den Orten, zu denen Thomas Kundt gerufen wird, riecht es penetrant süßlich. Es ist der Geruch verwesender Leichen. Wenn er mit weißem Overall, Maske und Handschuhen die Wohnungen betritt, sind die Toten in der Regel schon weggebracht worden. Geblieben sind geronnenes Blut, Leichenflüssigkeit und Tausende Maden.

Nur manchmal waren Polizisten oder Bestatter nachlässig. "Nach einem Suizid habe ich mal beim Aufräumen noch ein abgeschossenes Ohr hinterm Schrank entdeckt", erzählt Kundt. In einem anderen Fall steckte in einem Schuh noch die abgefaulte Zehe eines natürlich verstorbenen Mannes, der mehrere Wochen unentdeckt in seiner Wohnung lag.

Die vereinsamt in ihren vier Wänden Verstorbenen machen das "Hauptgeschäft" der Tatortreiniger aus. "Deshalb müsste es eigentlich Leichenfundortreiniger heißen", meint Kundt, dessen Berufsbezeichnung korrekt "staatlich geprüfter Desinfektor" lautet.

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Diese Wohnungen der Einsamen erzählen Geschichten. "Oftmals sind es Menschen um die 60, 70 Jahre, die in der DDR beruflich etwas waren, nach der Wende abstürzten und nicht mehr auf die Füße kamen", erzählt Kundt. Erst wenn es im Haus nach Verwesung rieche oder es plötzlich viele Fliegen gebe, würde sich die Nachbarschaft wieder an jenen Mitmieter erinnern, von dem seit Wochen nichts mehr zu sehen war.

Wie verarbeitet ein Tatortreiniger das alles, was er zu sehen bekommt?

In einer komplett zugemüllten Wohnung versucht der Tatortreiniger, sich einen Überblick zu verschaffen.
In einer komplett zugemüllten Wohnung versucht der Tatortreiniger, sich einen Überblick zu verschaffen.  © Sächsische Tatortreinigung

Noch schlimmer findet Kundt jedoch andere großstadttypische Szenarien.

"Wenn sich in einem dieser verdreckten Räume gleichsam Alkohol, Drogenbesteck und Wickelunterlage befinden und ich sehe, unter welchen Bedingungen hier Kinder leben mussten, dann geht mir das noch immer sehr nahe", sagt Kundt, der selbst Vater eines Sohnes (4) ist.

Und wie verarbeitet so ein Tatortreiniger all das Elend, das er täglich zu sehen bekommt? Kundt: "Nach der Arbeit jogge ich oft durch den Wald oder gehe in die Sauna und schwitze so die ganzen Eindrücke ab ..."

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Wer mehr über die Arbeit von Tatortreinigern erfahren will, der hat dazu am kommenden Donnerstag, den 14. November, im Leipziger Kupfersaal die Gelegenheit. Ab 20 Uhr gewährt Thomas Kundt dort Einblicke: "Hinter verschlossenen Türen".

Thomas Kundt mit Atemmaske - am Donnerstag gibt er im Leipziger Kupfersaal Einblicke in seinen Beruf.
Thomas Kundt mit Atemmaske - am Donnerstag gibt er im Leipziger Kupfersaal Einblicke in seinen Beruf.  © Alexander Bischoff

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