Zu engagiert? Warum eine sächsische Feuerwehr den 22-jährigen Felix rauswarf

Von Sören Müller

Oschatz/Mutzschen - In Sachsen sind viele Feuerwehrmitglieder neben ihrer Heimatwehr auch an ihrem Arbeitsort in den jeweiligen Feuerwehren aktiv, um die Einsatzbereitschaften abzusichern. In Oschatz hat man aufgrund solch einer Doppelmitgliedschaft einen Feuerwehrkameraden kurz vor Weihnachten rausgeworfen. Was war passiert?

Felix Bohn (22) mit dem Kündigungsschreiben, das er Anfang Dezember von der Oschatzer Feuerwehr erhielt. Wegen einer Doppelmitgliedschaft wurde er vor die Tür gesetzt.
Felix Bohn (22) mit dem Kündigungsschreiben, das er Anfang Dezember von der Oschatzer Feuerwehr erhielt. Wegen einer Doppelmitgliedschaft wurde er vor die Tür gesetzt.  © Sören Müller

Der 22-jährige Felix Bohn war am 1. Juni in die Freiwillige Feuerwehr Schmorkau, eine Ortsfeuerwehr der Stadt Oschatz, eingetreten. Er wollte damit seine Kameraden in seinem Wohnort unterstützen.

Schmorkau hatte zu dem Zeitpunkt nur sieben aktive Mitglieder und freute sich über den Zuwachs. In seinem Sommerurlaub absolvierte der KFZ-Mechachtroniker die Grundausbildung, außerdem nahm er Kameraden aus der Freiwilligen Feuerwehr Oschatz per Fahrgemeinschaft zum Ausbildungsort nach Mügeln mit.

Da Felix zugleich eine neue Arbeitsstelle in Mutzschen angenommen hatte, fragte er den Schmorkauer Feuerwehr- Abteilungsleiter Jens Fischer (44), ob er auch in die Freiwillige Feuerwehr Mutzschen eintreten könnte, um dort die Tageseinsatzbereitschaft zu unterstützen.

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Fischer verwies zur Klärung auf den Stadtwehrleiter Lars Natzke der Stadt Oschatz. "Daraufhin habe ich die nächste Gelegenheit genutzt, um mit Lars Natzke über eine eventuelle Doppelmitgliedschaft in der FFW Mutzschen zu sprechen." Natzke habe daraufhin mündlich entgegnet, dass dies kein Problem darstelle und er dies weitergebe, erinnerte sich Felix. "Leider bestreitet er diese Aussage heute."

Dem KFZ-Mechatroniker zufolge hatte jedoch eine Kameradin, die ihn begleitet hatte, dem Gespräch vor der offenen Tür lauschen können. Auf Anfrage bestätigte sie dies gegenüber TAG24.

Mutzschen oder Schmorkau?

Das Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr Mutzschen. Weil Felix in Mutzschen arbeitete, war er auch dort in die Feuerwehr eingetreten. Dem 22-Jährigen zufolge hatte sein Wehrleiter dem zunächst noch zugestimmt.
Das Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr Mutzschen. Weil Felix in Mutzschen arbeitete, war er auch dort in die Feuerwehr eingetreten. Dem 22-Jährigen zufolge hatte sein Wehrleiter dem zunächst noch zugestimmt.  © Sören Müller

Mit der mündlichen Zusage bewarb sich Felix bei der Feuerwehr Mutzschen und wurde laut dem Mutzschener Feuerwehrchef David Kamphrath dankbar aufgenommen.

"Die Tageseinsatzbereitschaft aufrechtzuerhalten ist für viele Feuerwehren ein schwieriges Unterfangen. Wir sind zwar gut aufgestellt, freuen uns aber immer über tatkräftige Unterstützung", so der Feuerwehrchef. "Auch wir haben Kameraden in Doppelmitgliedschaft in unseren Reihen. Probleme gab es noch nie, denn die Kameraden wären durch ihren Arbeitsort ohnehin nicht für ihre Heimatfeuerwehr verfügbar gewesen."

Anfang November nahm das Übel dann seinen Lauf. "Ich sollte nach Oschatz in die Feuerwehr zu einem Gespräch kommen. Ich bin daraufhin gemeinsam mit meinem Feuerwehr-Abteilungsleiter zu dem Gespräch mit dem Stadtwehrleiter gekommen. Dabei teilte mir dieser mit, dass meine Doppelmitgliedschaft in der FFW Mutzschen durch den Stadtfeuerwehrausschuss abgelehnt worden sei und stellte mir zur Wahl: entweder Schmorkau oder Mutzschen", so der geschockte Felix.

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"Ich bat ihn höflich und sachlich nach den Gründen der Ablehnung und wollte diese gern schriftlich haben", auch um sich in Mutzschen erklären zu können. "Ich habe den Stadtwehrleiter nochmal darauf angesprochen, dass ich mich auf seine Aussage verlassen habe, dass eine Doppelmitgliedschaft kein Problem darstellt. Danach drohte er mir, dass mein Verhalten Thema bei der nächsten Stadtfeuerwehrausschusssitzung sein wird, ich auf Probe bin und ich zu jeder Zeit rausgeworfen werden kann."

Aufgrund dieser Drohung unterbrach demzufolge Schmorkaus Abteilungsleiter Jens Fischer das Gespräch.

Begründungsschreiben weist Unstimmigkeiten auf

Sogenannte Doppelmitgliedschaften sind bei Sachsens Feuerwehrleuten eigentlich keine Seltenheit. Felix sollte sie nun jedoch zum Verhängnis werden. (Symbolbild)
Sogenannte Doppelmitgliedschaften sind bei Sachsens Feuerwehrleuten eigentlich keine Seltenheit. Felix sollte sie nun jedoch zum Verhängnis werden. (Symbolbild)  © Bernd März/B&S/dpa

Anfang Dezember kam dann die schriftliche Begründung samt Kündigung per Brief zu Felix - und die hatten es in sich.

So hieß es unter anderem, dass Felix ohne Zustimmung in die Feuerwehr Mutzschen eingetreten sei. Laut des Schreibens hätte der Stadtwehrleiter ihn darauf hingewiesen, dass eine weitere Mitgliedschaft in einer anderen Feuerwehr nicht genehmigt werden könne. Berufen wird sich darin auf die Feuerwehrsatzung der Stadt Oschatz.

"Bewerber sollten in der Stadt Oschatz wohnhaft und möglichst in keiner anderen Hilfsorganisation aktiv tätig sein. Der zuständige Feuerwehrausschuss könne aber Ausnahmen zulassen", heißt es darin.

Die weitere Begründung wirkt dann zumindest fragwürdig, denn sie widerspricht der eigenen Satzung. So heißt es im Wortlaut: "Da eine Doppelmitgliedschaft sich in der Vergangenheit zum Teil ungünstig auf durchzuführende Dienste, Einsätze, und Lehrgänge ausgewirkt hat, wird der Feuerwehrausschuss dieser auch bei ordentlicher Antragstellung nicht zustimmen."

Das I-Tüpfelchen in dem Schreiben ist jedoch noch eine weitere Unterstellung. So soll sich Felix bei dem Gespräch mit dem Stadtwehrleiter "respektlos" und uneinsichtig gezeigt haben. Die Stadtwehrleitung sehe darin ein gestörtes Vertrauensverhältnis. Nachgefragt bei Abteilungsleiter Jens Fischer, der dem Gespräch mit dem Stadtwehrleiter beiwohnte, sagte dieser, er habe keine Respektlosigkeit feststellen können. Fischer bescheinigte Felix ein engagiertes und kameradschaftliches Auftreten in seiner Ortsfeuerwehr. "Für Schmorkau war der Eintritt des jungen KFZ-Mechatronikers eine Bereicherung."

Das Kündigungsschreiben wies zudem einige Unstimmigkeiten und Widersprüche auf. So ist in der Feuerwehrsatzung der Stadt Oschatz gar keine Probemitgliedschaft erwähnt, zudem hat der Oberbürgermeister laut Satzung das letzte Wort: "Der Oberbürgermeister entscheidet nach Anhörung des Stadtfeuerwehrausschusses über die Entlassung oder den Ausschluss und stellt die Beendigung des Feuerwehrdienstes unter Angabe der Gründe schriftlich fest."

Das Schreiben selbst wurde allerdings nur durch den Stadtwehrleiter und eine Amtsleiterin unterzeichnet.

Heldenhaft ist das sicherlich nicht

Aus dem Rathaus in Oschatz (links) gab es nur vereinzelte Antworten zum Fall von Felix Bohn.
Aus dem Rathaus in Oschatz (links) gab es nur vereinzelte Antworten zum Fall von Felix Bohn.  © Waltraud Grubitzsch/dpa-Zentralbild

Auch eine eigentlich gängige Praxis bei Unstimmigkeiten im Feuerwehrwesen, die offizielle Anhörung im Feuerwehrausschuss, oder gar eine Abmahnung als milderes Sanktionsmittel, erschien der Stadt bzw. der Stadtwehrleitung offenbar kein adäquates Mittel zu sein.

Auf Anfrage bei der Stadt Oschatz hieß es lediglich: "Zu den Gründen der Nichtgenehmigung der Doppelmitgliedschaft und der Nichtaufnahme von Herrn B. werden wir uns nicht öffentlich äußern. Es handelt sich um eine interne Angelegenheit der Freiwilligen Feuerwehr Oschatz und Herrn B." Bei Bedarf zur Klärung von Unstimmigkeiten stünden aber der Oberbürgermeister und der Stadtwehrleiter Felix zu einem Gespräch zur Verfügung.

Die meisten Fragen zu den Vorwürfen und Hintergründen beantwortete die Stadt Oschatz nicht und verpasste damit die Gelegenheit, sich transparent zu erklären.

Noch merkwürdiger erscheint der ganze Vorfall, wenn man die LVZ-Aktion "Helden der Region" und die damit verbundene Berichterstattung verfolgt hat. Im Artikel vom 9. Oktober 2022 wurde mit dem Thema Doppelmitgliedschaft, welches im Übrigen auch das Sächsische Brandschutzgesetz mit einer Kann–Bestimmung zulässt, noch offener umgegangen: "Seit einigen Jahren ist bei der Oschatzer Wehr eine Doppelmitgliedschaft möglich. Damit können in Oschatz Einsatzkräfte, die beispielsweise eine andere Heimatwehr haben, aber hier arbeiten, mit ausrücken."

Man nutzt wie fast überall selbst die Möglichkeit, von Doppelmitgliedschaften zu profitieren, aber verbietet den eigenen Feuerwehrkameraden selbiges? Auch das wollte die Stadtverwaltung nicht kommentieren. Heldenhaft ist das sicherlich nicht.

Titelfoto: Montage: Sören Müller

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