"Superblocks" sollen in Leipzigs Osten ausgedehnt werden: Was ein Nachbar davon hält

Leipzig - Seit Mitte Mai 2023 gibt es den ersten "Superblock" in der Hildegardstraße im Leipziger Osten - eine verkehrsberuhigte Zone mit Sitzinseln und Spielmöglichkeiten für Anwohner. Das Projekt soll auf alle Wohnquartiere nördlich der Leipziger Eisenbahnstraße ausgedehnt werden. Das führt zu heftiger Kritik nicht nur seitens der Anwohner, die sich vor allem mehr Mitspracherecht im Prozess gewünscht hätten. Am Mittwoch werden die "Superblocks" zum Thema im Leipziger Stadtrat.

Durch das Errichten der verkehrsberuhigten Zone wird der Auto- und Lieferverkehr stark eingeschränkt.
Durch das Errichten der verkehrsberuhigten Zone wird der Auto- und Lieferverkehr stark eingeschränkt.  © Anna Gumbert

Der gemeinnützige Verein "Superblocks Leipzig e.V." hatte das Pilotprojekt 2023 ins Leben gerufen, mittlerweile hat die Stadt das Konzept übernommen und eigens eine Website dafür eingerichtet. Das Konzept: ein gesamtes Wohnquartier, welches vom Durchgangsverkehr entlastet und durch Begrünung und Aufenthaltsmöglichkeiten für Anwohner zu mehr Lebensqualität führen soll.

Laut Sami Younis, einem Anwohner der Hildegardstraße, sei die Nachbarschaft zu wenig und zu spät über die anstehenden Maßnahmen informiert worden - auch wenn die Stadt zu verschiedenen Veranstaltungen und offenen Runden aufrief.

"Schon allein eine der wenigen öffentlichen Runden zu finden, stellt eine Herausforderung dar, da dies eher kurzfristig lediglich auf den eigenen sozialen Kanälen aufgezeigt wurde und nur in den seltensten Fällen mit Flyern oder dem direkt Zugehen auf den in dem Viertel lebenden Menschen stattgefunden hat", bemängelt der Student.

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Die Kritikpunkte an dem Projekt habe man seiner Meinung nach nicht ernst genommen. Etwa, dass die "Superblocks" nicht auf die Bedürfnisse der an der Eisenbahnstraße lebenden Arbeiterklasse zugeschnitten seien und der Wunsch nach mehr Verkehrssicherheit laut Unfallstatistik nicht begründet werden könne.

"Die Statistik beweist, dass die Ludwigstraße, beziehungsweise der Norden der Eisenbahnstraße, in den letzten Jahren von keinem Verkehrsunfall betroffen war. Stattdessen würde eine Verkehrsumleitung bedeuten, dass das Unfallpotenzial auf der Eisenbahnstraße sich erhöht", so der Anwohner.

IHK unterstreicht Belange der Gewerbetreibenden

Das Mobiliar der "Superblocks" wird fleißig mit Graffiti und Tags beschmiert.
Das Mobiliar der "Superblocks" wird fleißig mit Graffiti und Tags beschmiert.  © Anna Gumbert

Eine optische Aufwertung und eine Einladung zum Verweilen sieht Younis ebenso wenig.

"Die 'Superblocks' an der Hildegardstraße werden als multikultureller Treffpunkt deklariert, hingegen sieht man nur Connewitz-esque Graffiti und besonders deutsche Akademiker, die dies zum öffentlichen Alkoholtrinken nachts nutzen", so der Eindruck des Anwohners, der eine Verstärkung der im Viertel eh schon herrschenden Gentrifizierung befürchtet.

Auch die Industrie- und Handelskammer sowie Handwerkskammer Leipzig (IHK) hat sich kurz vor der Ratssitzung am Mittwoch gegen die geplante Ausweitung des Projekts ausgesprochen.

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"Die Ausweitung (...) hätte gravierende Auswirkungen auf den Verkehrsfluss, die Andienungsmöglichkeiten für dort ansässige Gewerbetreibende sowie die Parkmöglichkeiten für deren Kundschaft", befürchtet die IHK.

Die Belange der Gewerbetreibenden wie Anwohner seien ernst zu nehmen - vorher sei eine Stadtratsentscheidung nicht beschlussreif.

Gute Idee, falsches Viertel?

Die Idee hinter den "Superblocks": Anwohner sollen sich gerne in den Straßen ihres Viertels aufhalten, ohne vom Autoverkehr gestört zu werden.
Die Idee hinter den "Superblocks": Anwohner sollen sich gerne in den Straßen ihres Viertels aufhalten, ohne vom Autoverkehr gestört zu werden.  © Anke Brod

Am Mittwoch soll der Stadtrat nun darüber entscheiden, ob das Projekt "Superblocks" noch weiter im Gebiet nördlich der Eisenbahnstraße ausgedehnt werden soll.

In der Beschlussvorlage sind die kritischen Stimmen aus der Bevölkerung bereits vermerkt, genauso wie Lieferzonen zum Be- und Entladen von Gütern und Kurzzeitparkplätzen von Kunden der ansässigen Gewerbetreibenden.

Sami Younis wünscht sich, dass das Projekt in der Ratssitzung abgelehnt wird. "Die Idee ist nicht schlecht, langfristig müssen wir darüber nachdenken, wie wir Autos aus der Stadt rausbekommen. Aber die Art und Weise, wie dieses Projekt durchgeführt wird, ist mehr als problematisch", sagt er.

"Das wird gezielt hier gemacht, weil man auf wenige Menschen stößt, die Kontra geben können - ein anderes Viertel wäre dafür besser geeignet als eines, das aus der migrantischen Arbeiterklasse besteht, die auf Nutzfahrzeuge angewiesen ist", fasst der Student seine Meinung zusammen.

Titelfoto: Bildmontage: Anna Gumbert

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