Münchner Eltern verzweifelt: Deshalb werden die Kita-Gebühren drastisch erhöht

München - Die Suche nach einem Kita-Platz ist in München mindestens so nervenaufreibend wie die nach einer bezahlbaren Wohnung. Die Erleichterung vieler Eltern, den Nachwuchs endlich in einer Krippe oder einem Kindergarten untergebracht zu haben, ist zuletzt jedoch großer Sorge gewichen.

Bei erhöhten Kita-Gebühren lohnt es sich für viele Eltern nicht zu arbeiten, um ihr Kind in die Krippe zu stecken. (Symbolbild)
Bei erhöhten Kita-Gebühren lohnt es sich für viele Eltern nicht zu arbeiten, um ihr Kind in die Krippe zu stecken. (Symbolbild)  © Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa

Denn die grün-rote Rathauskoalition will am Dienstag im Bildungsausschuss beschließen, das bisherige Förderverfahren für gemeinnützige und private Träger umzustellen. Der Dachverband privater Kitas fürchtet, dass zahlreiche seiner Mitglieder dadurch Insolvenz anmelden müssen - oder den Eltern enorme Gebühren auferlegen werden.

Die bisherige "Münchner Förderformel" soll wegen rechtlicher Probleme durch ein "Defizitausgleichsverfahren" ersetzt werden. Dieses beinhaltet vereinfacht gesagt, dass die Träger zusätzlich zur staatlichen Förderung Kosten etwa für Personal oder Miete von der Stadt ausgeglichen bekommen. Um keinen Anreiz für höhere Gebühren zu schaffen, sollen zugleich etwaige Gewinne von der Förderung abgezogen werden.

In der Konsequenz lohne sich der Betrieb einer Kita wirtschaftlich kaum mehr, klagt Benjamin Tajedini vom Dachverband Bayerischer Träger für Kindertageseinrichtungen.

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Bislang würden von den insgesamt gut 46.000 Plätzen in der Landeshauptstadt ungefähr 7500 bei privaten Trägern durch die bisherige Förderformel gefördert. Der Wechsel in das neue Verfahren komme für die meisten der Verbandsmitglieder aber nicht infrage, betont Tajedini.

Dabei gebe es gar kein prinzipielles Problem mit Defizitverträgen, schließlich gibt es diese in Bayern bereits in vielen Kommunen. "Aber so, wie der Vertrag in München gestaltet ist, ist er rechtswidrig und wird den Träger früher oder später in die Insolvenz treiben."

"Defizitausgleich" statt "Münchner Förderformel" führt zu 1200 Euro mehr für Eltern

Viele private Kita-Träger wollen nicht ins neue System wechseln - werden sie nun insolvent gehen? (Symbolbild)
Viele private Kita-Träger wollen nicht ins neue System wechseln - werden sie nun insolvent gehen? (Symbolbild)  © Monika Skolimowska/dpa

Alternativ müssten deshalb die Elterngebühren stark erhöht werden, schildert Tajedini. "Wenn wir von Vollzeitplätzen in der Krippe reden, werden es 1200 Euro und im Kindergarten um die 800 Euro sein - plus/minus 100 Euro".

Der Besuch eines Kindergartens ist in München bislang kostenlos. Die Gebühren für Krippen hängen von verschiedenen Faktoren ab, sind aber im Vergleich zu anderen Kommunen sehr niedrig.

Heike Speitmann, die sechs Einrichtungen mit Plätzen für 200 Kinder betreibt, ist enttäuscht. "Man hat uns damals gesagt, wir werden dringend gebraucht, die Stadt hat sich gefreut über unser Engagement, und auf einmal heißt es, wir wollen nicht, dass ihr Gewinne macht."

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Sie und ihre Co-Geschäftsführerin hätten viel investiert, trügen das volle unternehmerische Risiko, von dem Gewinn zahlten sie sich ihre Gehälter. Reichtümer wollten sie keine ansammeln, betont Speitmann, "aber es muss auskömmlich sein". Deshalb würden sie nicht in das neue System wechseln.

Die Folge: Ein Ganztagsplatz in der Krippe kostet ab September wohl zwischen 1100 und 1200 Euro pro Monat - statt bislang 145 Euro.

Bürgermeisterin Dietl versteht Aufruhr nicht: Eltern werden verrückt gemacht

Die Umstellung der Kita-Förderung soll bewirken, dass Geld bei den Kindern ankommt und nicht in Gewinne fließt. (Symbolbild)
Die Umstellung der Kita-Förderung soll bewirken, dass Geld bei den Kindern ankommt und nicht in Gewinne fließt. (Symbolbild)  © Uwe Anspach/dpa

Davon betroffen wäre auch Stephanie Teicher. Unter den Eltern herrsche große Aufregung, erzählt sie. "Eine Mutter hat zwei Kinder bei uns, die sagt ganz klar, es lohnt sich dann für sie nicht mehr zu arbeiten. Und selbst die, die es sich leisten können, überlegen, ob es nicht sinnvoller ist, ihr Kind zu Hause zu lassen, als es den ganzen Tag wegzugeben."

Münchens zuständige Bürgermeisterin Verena Dietl (43, SPD) kann den Aufruhr nicht verstehen. Schließlich hätten die Einrichtungen auch im Rahmen der Münchner Förderformel keine Gewinne machen dürfen. Außerdem werde beim Defizitverfahren mit jedem Träger einzeln verhandelt, wie viel Geld er benötige.

"Deswegen kann ich absolut nicht nachvollziehen, wieso die Träger gerade alle Eltern verrückt machen, weil sie noch gar nicht wissen, ob sie vom Defizitverfahren profitieren oder nicht."

Die Klage, dass für die Geschäftsführungen finanziell nicht mehr genug herumkomme, könne sie ebenfalls "überhaupt nicht nachvollziehen", betont Dietl. Die angesetzten Verwaltungskosten reichten aus, um den Leitungen an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes angelehnte Gehälter zu bezahlen.

Dietls Antrieb bei der von der Regierung von Oberbayern bereits abgesegneten Rechtskonstruktion: Die Rathauskoalition will die Kitagebühren gering und den Kindergarten kostenlos halten. "Ich möchte, dass das Geld, das wir ausgeben - das sind immerhin 170 Millionen Euro - direkt bei den Kindern und der pädagogischen Arbeit ankommt und nicht in höhere Gewinne fließt", betont Dietl.

Sie hat deshalb besorgte Eltern in einem Brief aufgefordert, bei ihren Einrichtungen für den Wechsel in das neue Fördermodell zu werben. Und diejenigen, die dennoch ab dem neuen Kindergartenjahr hohe Gebührenbescheide von ihrer Kita bekommen, könnten je nach Einkommen und Lebenssituation bis zu 100 Prozent der Gebühren über die wirtschaftliche Jugendhilfe erstattet bekommen.

Alternativ können sich die Eltern natürlich auch auf die Suche nach einem neuen, geförderten Platz für ihre Kinder begeben.

Titelfoto: Uwe Anspach/dpa

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