"Akuter Handlungsbedarf": Diese 45 Münchner Straßen kriegen vielleicht bald einen neuen Namen
München - In München gibt es die Diefenbachstraße. Das war nicht immer so. Früher hieß sie Lindenstraße. Zwischen 1938 und 1945 hatte sie noch einen ganz anderen Namen: Adolf-Hitler-Allee. Nach Kriegsende wurde sie - aus nachvollziehbaren Gründen - umbenannt. Und das steht aktuell noch weiteren Straßen bevor.

Denn noch immer gibt es in der Landeshauptstadt laut einer sogenannten "Longlist" noch 327 Straßennamen, die einen sogenannten „Kontextualisierungsbedarf“ aufweisen könnten.
"Bereits seit zwei Jahrzehnten beschäftigen sich die Stadtgesellschaft und der Stadtrat damit, wie mit historisch belasteten Straßenbenennungen umgegangen werden soll", teilte das Kulturreferat gegenüber TAG24 auf Nachfrage mit.
Im Fokus stehen bei den Entscheidungen "kritikwürdige Zusammenhänge", die in Bezug auf die Namenspaten bekannt sind oder wurden.
So hieß in München die Katharina-von-Bora-Straße - der Mädchenname der Ehefrau des Reformatoren Martin Luther - bis 2008 Meiserstraße.
Nein, nicht der frühere RTL-Talkmaster, der sich zuletzt auf dem umstrittenen Internetportal watergate.tv mutmaßlich Verschwörungsmythen hingegeben hatte.
Dichterin soll Blut-und-Boden-Ideologie vertreten haben

Vor ihm gab es noch einen anderen Hans Meiser, seines Zeichens bayrischer Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche. Als von ihm antisemitische Äußerungen bekannt wurden, reagierte der Stadtrat in München.
Besonders im Fokus der 327 Namen stehen auf einer "Shortlist" 45 Denkmäler und Straßennamen in München, bei denen laut Kulturreferenten Anton Biebel (60) ein "akuter Handlungsbedarf" bestehe. Das sagte Biebel der "Süddeutschen Zeitung" in der Freitagsausgabe.
Demnach könnte der Stadtrat also eine neue Bezeichnung für beispielsweise die Agnes-Miegel-Straße suchen.
Die 1964 verstorbene Dichterin und Journalistin soll eine glühende Anhängerin der Blut-und-Boden-Ideologie der NS-Bewegung gewesen sein.
45 Namen auf der Shortlist mit "akutem Handlungsbedarf"
Auch der Werner-Egk-Bogen, benannt nach dem Künstlernamen eines der wichtigsten Komponisten des NS-Staates, könnte bald neue Namensschilder erhalten.
Aktuell sind auf der Shortlist folgende Namen aufgelistet:
- Agnes-Miegel-Straße
- Alois-Wunder-Straße
- Bestelmeyerstraße
- Bonselsstraße
- Butenandtstraße
- Deikestraße
- Dominikstraße
- Elly-Ney-Weg
- Emil-Nolde-Straße
- Ernst-Haeckel-Straße
- Hansjakobstraße
- Hans-Koch-Weg
- Hella-von-Westarp-Straße
- Herbert-Quandt-Straße
- Hermann-Proebst-Weg
- Hilblestraße
- Ina-Seidel-Bogen
- Kabastastraße
- Kardinal-Faulhaber-Straße
- Kißkaltplatz
- Kraepelinstraße
- Langbehnstraße
- Leutweinstraße
- Linnenbrüggerstraße
- Ludwig-Thoma-Straße
- Lüderitzstraße
- Martin-Heidegger-Straße
- Max-von-Gruber-Straße
- Messerschmittstraße
- Mottlstraße
- Nachtigalstraße
- Nettelbeckstraße
- Oswald-Bieber-Weg
- Otto-Merkt-Weg
- Pfitznerstraße
- Richard-Wagner-Straße
- Richard-Strauss-Straße
- Robert-Koch-Straße
- Rohmederstraße
- Teuchertstraße
- Treitschkestraße
- Von-Erckert-Straße/-Platz
- Von-Gravenreuth-Straße
- Werner-Egk-Bogen
- Wißmannstraße
Bereits 2016 wurde das Stadtarchiv vom Münchner Stadtrat mit einer Überprüfung der Straßennamen beauftragt.
Wie der Stadtrat mit diesen Namen künftig vorgehen möchte, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.
Auch in anderen Städten und Kommunen werden bundesweit immer wieder Denkmäler und Straßennamen auf historische Zusammenhänge geprüft.
Titelfoto: Frank Leonhardt dpa/lby