Radeln verboten: Münchner sieht Gefahr nicht ein und klagt!

Straßlach-Dingharting - Überall werden neue Radwege gebaut, der Umstieg auf den Drahtesel ist klimafreundlich, gewollt, manches Mal auch finanziell gefördert. Doch in Straßlach-Dingharting (Landkreis München) heißt es: Radeln verboten.

Das Verbot in Straßlach-Dingharting beschäftigt nach einer Berufung nun den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof.
Das Verbot in Straßlach-Dingharting beschäftigt nach einer Berufung nun den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof.  © Peter Kneffel/dpa

Bergab in Richtung Isar müssen Radfahrer auf einer Länge von rund 600 Metern absteigen. Unfallgefahr. Das Verbot der Gemeinde besteht schon seit fast drei Jahrzehnten. Doch jetzt beschäftigt es den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Geklagt hat ein Radfahrer aus München.

Die Gemeinde hält das Radfahren auf der Strecke in dem Bereich der Mühlstraße vor allem wegen des Gefälles und der geringen Fahrbahnbreite für besonders gefährlich - und verweist auf Unfälle. Seit 2020 sind es laut Gericht fünf gewesen, bei denen Radfahrer teils schwer verletzt wurden. Allerdings habe es mehrere weitere Unfälle gegeben, bei denen Fußgänger von Radfahrern umgerissen wurden, berichtet Bürgermeister Hans Sienerth.

Unter anderem eine Frau und ein Mädchen wurden laut Sienerth schwer verletzt, in früheren Jahren habe es unterhalb der Strecke auch zwei tödliche Unfälle von Radlern geben - wegen des Schwungs, den sie vom Berg mitbrachten. An der Strecke gilt Tempo 30.

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Hielten sich die Radler daran, gäbe es kein Problem, sagt der Bürgermeister. Messungen der Polizei hätten bei Radlern hingegen 50 oder 60 Kilometer pro Stunde ergeben.

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Schilder mit dem Hinweis auf "18 Grad Gefälle" und "Durchfahrt für Radfahrer verboten" stehen nahe der oberbayerischen Gemeinde.
Schilder mit dem Hinweis auf "18 Grad Gefälle" und "Durchfahrt für Radfahrer verboten" stehen nahe der oberbayerischen Gemeinde.  © Peter Kneffel/dpa

Rechtsgrundlage für das Verbot nach Angaben eines Gerichtssprechers ist die Straßenverkehrsordnung Paragraf 45. Dort heißt es, dass Beschränkungen und Verbote nur angeordnet werden dürfen, "wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht".

Das Verwaltungsgericht München hatte sich der Auffassung der Gemeinde in erster Instanz angeschlossen und die Klage im Januar vergangenen Jahres abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, die der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassen hat.

Zum Streitfall wurde das Verbot, als der Radverkehr in der Coronazeit zunahm. "Die Freiwillige Feuerwehr war es satt, zwei- bis dreimal an Wochenenden gerufen zu werden", sagt Sienerth. Deshalb habe die Gemeinde zusätzlich ein Plakat aufgestellt - an dem sich dann der Streit entfachte.

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"Das Abfahrtverbot gilt seit 1996 - wir haben nur darauf hingewiesen. Jetzt sind alle durchgedreht damit. Wir haben wirklich wichtigere Dinge hier im Dorf."

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Wer den berg hinunter möchte, muss von Rad absteigen und schieben - das machen jedoch nicht alle.
Wer den berg hinunter möchte, muss von Rad absteigen und schieben - das machen jedoch nicht alle.  © Peter Kneffel/dpa

Geschehe ein Unfall, laute die Frage sofort: "Warum hat die Gemeinde nichts gemacht? Warum hat die Gemeinde ihre Verkehrssicherungspflicht vernachlässigt?" sagt Sienerth. "Meine Befürchtung, wenn das Abfahrtverbot aufgehoben wird: dass die Gemeinde dann wegen der Unfälle beklagt wird."

Die Straße gilt als beliebte Ausflugsstrecke, sie führt zum Radweg an der Isar - entsprechend viele Radler sind dort gerade an Wochenenden unterwegs. Es gebe eine alternative Strecke, nämlich den Isarradweg - der aber nicht asphaltiert ist und damit ungeeignet für Rennradfahrer. Die wiederum den steilen Anstieg auch zu Trainingszwecken nutzen - und mehrfach hinauf- und hinunterfahren.

Der Gemeinderat hatte laut Bürgermeister das Verbot seinerzeit nach einem Todesfall auf Anraten der Polizei erlassen. "Aber damals wie heute hat sich keiner daran gehalten." Da helfen auch die Ordnungsgelder nicht, die die Polizei bei Kontrollen verhängt.

Man habe über die Jahre immer wieder nach Lösungen gesucht, etwa das Bankett zu verbreitern, sagt Sienerth. Alleine das aber würde 350.000 Euro kosten, sagt der Bürgermeister. Er vermisst Unterstützung von Land und Bund beim Bau von Radwegen.

Titelfoto: Peter Kneffel/dpa

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