Pik Leipzig: Wie der "höchste Sachse" zu seinem Namen kam

Leipzig - Stolze 5725 Meter ragt der höchste Sachse in den Himmel. "Pik Leipzig" heißt er und steht irgendwo im Nirgendwo - gut 4500 Kilometer vom Freistaat entfernt (Luftlinie!). Wie der Berg im zentralasiatischen Pamir-Gebirge vor 30 Jahren zu seinem Namen kam, ist eine Geschichte für sich. Ralf Brummer (69), der damals die "Taufe" anzettelte, kann sich noch gut an die Erstbesteigung dieses "Weißen Riesen" erinnern.

Stolze 5725 Meter ist der Pik Leipzig hoch.
Stolze 5725 Meter ist der Pik Leipzig hoch.  © privat

Als junger Mann hatte Brummer an der TU Dresden Bauwesen studiert. An Wochenenden ging's mit Freunden zum Klettern in die Sächsische Schweiz.

Der gebürtige Leipziger, Sportskanone durch und durch, fand Gefallen an dem Hobby. Schnell wollte er höher hinaus.

"Also fuhren wir in die Tatra, nach Rumänien, später auch in die Sowjetunion", erinnert sich Brummer. Dort, in der SU, standen schließlich die höchsten Berge, die für einen DDR-Bürger theoretisch erreichbar waren.

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Bloß: Ganz so einfach war das nicht. "Die Sowjets ließen sich die Genehmigungen in harter Währung bezahlen", weiß Brummer.

Einige Male schaffte er es mit den besten DDR-Bergsteigern auf eine gesponserte Reise, kraxelte im Kaukasus und im Pamir.

Doch Höhe macht süchtig. Brummer wollte mehr. Also kümmerte er sich.

Leipzigs OB von Namensvorschlag begeistert

So viel Nostalgie muss sein: Den Eispickel von damals bewahrt Ralf Brummer noch immer auf.
So viel Nostalgie muss sein: Den Eispickel von damals bewahrt Ralf Brummer noch immer auf.  © Sven Gleisberg

"1987/88 schrieb ich dem Leipziger Oberbürgermeister einen Brief", erinnert sich der unverschämt rüstige Rentner (letzter Marathon vor drei Jahren!).

Seine Idee: Die Stadt möge doch bitte eine Expedition ins sowjetische Pamir-Gebirge ermöglichen. Dort wolle man einen noch jungfräulichen Berg besteigen, dem man dann - so will es ja die Bergsteigertradition - auch einen Namen geben dürfe.

Und der solle dann eben "Leipzig" heißen. Brummer: "Der OB war begeistert, machte uns aber wenig Hoffnung, was die Finanzierung anging."

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Die sollte ja wie gesagt in harter Währung erfolgen. Ralf Brummer: "Umso erstaunter war ich, als im Frühjahr '89 ein Brief aus dem Rathaus kam - das Vorhaben war bewilligt."

Mehr noch: Eine Rathaus-Mitarbeiterin wurde abgestellt, die Brummer und seinen drei Bergsteiger-Kollegen mit der Ausrüstung helfen sollte. "Die fragte nur 'Was braucht Ihr?' - sehr untypisch für DDR-Verhältnisse."

Berg vor Ort von russischem Instruktor ausgesucht

Die Gipfelstürmer 1989 auf dem (dann später so getauften) Pik Leipzig: Erhard Klinger, Siegfried Wittig, Wolfgang Hempel und Ralf Brummer (v.l.n.r.).
Die Gipfelstürmer 1989 auf dem (dann später so getauften) Pik Leipzig: Erhard Klinger, Siegfried Wittig, Wolfgang Hempel und Ralf Brummer (v.l.n.r.).  © privat

Noch heute schüttelt Brummer belustigt den Kopf. Damals fragte er lieber nicht genauer nach. Erst Jahre später fand er zufällig heraus, woher Sinneswandel und Valuta so plötzlich kamen.

Brummer: "Kurzfristig war die Trainingsreise einer DDR-Leichtathletik-Gruppe abgesagt worden." Somit war plötzlich wieder Geld im Sportfördertopf. Und das ermöglichte nun die Klettertour.

Es war der Hochsommer 1989, als sich Ralf Brummer mit seinen Mitstreitern auf den Weg machte.

Alle wie er geübte DDR-Bergsteiger: Siegfried Wittig, Erhard Klingner und Wolfgang Hempel. Guter Dinge erreichte man den Pamir, eine Gebirgskette zwischen dem heutigen Kirgisien und Tadschikistan.

Der Berg, den man besteigen und benennen wollte, wurde erst vor Ort von einem russischen Instruktor ausgesucht.

"Eigentlich hatte mir ein Sechstausender vorgeschwebt, aber nun gut", sagt Brummer.

Politische Ereignisse ließen Geschichte schnell in Vergessenheit geraten

Das letzte Fleckchen Grün musste für eine Rast herhalten. Dann ging es höher hinauf.
Das letzte Fleckchen Grün musste für eine Rast herhalten. Dann ging es höher hinauf.  © privat

Ein Transport-Hubschrauber brachte die sächsischen Alpinisten damals auf ein Hochplateau, von dort ging es über festen Firnschnee bis zum Gipfel.

"Alles lief glatt", erinnert sich Brummer. Die Vier ließen ein Gipfelbuch in einer mitgebrachten Blechkapsel auf der Bergspitze zurück, meldeten die Erstbesteigung an und katapultierten so ihre Heimatstadt Leipzig - zumindest namentlich - in ungewohnte Höhen.

Mission erfüllt. Oder etwa nicht?

Natürlich wurden wir zurück in Leipzig freundlich empfangen", erinnert sich der "geistige Vater" des Pik Leipzig.

Doch hatte sich die Stadt in den Wochen ihrer Abwesenheit auch verändert. "In Ungarn gingen die Grenzen auf, es gab erste Demonstrationen."

Ein "Pik Leipzig" im fernen Pamir war da nicht wirklich das, was den Leuten auf den Nägeln brannte. Brummer:

"Und so geriet die ganze Geschichte schnell in Vergessenheit."

Nächstes Ziel Nepal

Auch auf einer Karte ist der Pik Leipzig eingezeichnet.
Auch auf einer Karte ist der Pik Leipzig eingezeichnet.  © Sven Gleisberg

2012 scheiterte eine zweite Expedition aus Leipzig zum fernen Namensvetter ("Wir blieben einfach im Schnee stecken..."), 2014 fuhr Brummer mit einem Team zum dritten Mal hin.

Einige schafften den Aufstieg, ihm selbst war nach der Verletzung eines Kameraden nicht mehr danach.

Egal - Hauptsache die anderen waren oben. Und nun - wird es einen vierten Anlauf auf den Pik Leipzig geben?

"Man soll nie 'Nie' sagen", versucht es der bedächtige Bauingenieur mit der ihm eigenen Vorsicht. Priorität habe dieser fast vergessene Berg im Pamir für ihn jetzt aber nicht.

Stattdessen soll es nächstes Jahr nach Nepal gehen. "Dort wird es auch auf einen Sechstausender gehen", verrät Brummer.

Den hatte ihm ja damals ein sowjetischer Instruktor vorenthalten...

Eine Urkunde bestätigt die Erstbesteigung - sogar in zwei Schriften.
Eine Urkunde bestätigt die Erstbesteigung - sogar in zwei Schriften.  © privat
Zwei Leipziger im weiten Nichts: Die Pamir-Mission war 1989 ein riesiges Abenteuer.
Zwei Leipziger im weiten Nichts: Die Pamir-Mission war 1989 ein riesiges Abenteuer.  © privat
Wetterfest muss man schon sein, wenn man Geschichte schreiben will. Die Leipziger waren es.
Wetterfest muss man schon sein, wenn man Geschichte schreiben will. Die Leipziger waren es.  © privat

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