Russland und Finnland: Das bedeutet ein NATO-Beitritt wirklich

Helsinki/Moskau - Jahrzehntelang hat die Welt Finnland und seiner Grenze zu Russland keinerlei Bedeutung zugemessen. Warum auch, waren die Skandinavier doch für nicht viel mehr als gute Formel-1-Fahrer, den einstigen Handy-Marktführer Nokia und eine exklusive Saunakultur bekannt. Doch nun will das Land mit gerade einmal 5,5 Millionen Einwohnern in die NATO. Die könnte somit schon bald 1300 Kilometer direkte Grenze zum Systemfeind haben.

Ministerpräsidentin Sanna Marin (36) will, dass Finnland der NATO beitritt.
Ministerpräsidentin Sanna Marin (36) will, dass Finnland der NATO beitritt.  © Andrew Medichini/AP/dpa

"Eine NATO-Mitgliedschaft würde die Sicherheit Finnlands stärken", sagte Ministerpräsidentin Sanna Marin vor einigen Tagen. Sie ist 36 Jahre alt und hat natürlich keinerlei Berührungspunkte mehr zur gemeinsamen Geschichte beider Länder, die am 6. Dezember 1917 endete. An diesem Tag erklärte Finnland seine Unabhängigkeit von Russland, die nach zwei unruhigen Jahren 1919 mit der Gründung einer Republik endgültig vollzogen war.

Zuvor war Finnland lange ein autonomer Bestandteil des Russischen Kaiserreiches. Im schwedisch-russischen Krieg von 1808 bis 1809 eroberten die Russen Finnland und einten die verschiedenen losen Provinzen, die bisher noch kein eigenes staatliches Gebilde darstellten, zu einem Großherzogtum. Dessen Hauptstadt wurde 1812 Helsinki.

Nach zahlreichen Irrungen und Wirrungen und der zunehmenden Ausprägung einer nationalen Identität sorgten letztlich die Bolschewiki und das Ende des russischen Zarenreiches dafür, dass Finnland heute ein eigener Staat ist, der sich über die Jahrzehnte zunehmend als politisch neutral auf der internationalen Bühne verkaufte.

Das sagt Russland zum möglichen NATO-Beitritt Finnlands

2017 konnten sie noch miteinander: Russlands Präsident Wladimir Putin (69, l.) und sein finnisches Pendant Sauli Niinisto (73).
2017 konnten sie noch miteinander: Russlands Präsident Wladimir Putin (69, l.) und sein finnisches Pendant Sauli Niinisto (73).  © Mikko Stig/Lehtikuva/dpa

Damit könnte es nun bald vorbei sein. Seit Beginn des Ukraine-Krieges schauen die Finnen ganz anders auf sich, ihre Sicherheit und den 1300 Kilometer langen Grenzstreifen zu den Russen. Der NATO-Beitritt wurde vor einigen Tagen gemeinsam mit Schweden beantragt.

Lassen sich alle Mitglieder von dessen Sinnhaftigkeit überzeugen - vor allem die Türken um Präsident Recep Tayyip Erdoğan (68) - würde Finnland sich damit endgültig von Russland lossagen.

Dort ist man alles andere als begeistert. Ein Beitritt zum westlichen Militärbündnis verschärfe "die ohnehin nicht einfache internationale Lage auf dem Gebiet der Sicherheit" noch mehr, so Wladimir Putin (69). Für Finnland gebe es keine Bedrohung.

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Genauso klar äußerte sich sein Sprecher Dmitri Peskow (54). "Wir sind davon überzeugt, dass der Beitritt Finnlands und Schwedens zur NATO die Sicherheitsarchitektur unseres Kontinents weder stärken noch verbessern wird" - und der stellvertretende Außenminister Sergej Rjabkow (61) sprach gar von einem "schweren Fehler".

So stehen Finnland und Schweden militärisch da

Das würden Finnland und Schweden in die NATO mitbringen.
Das würden Finnland und Schweden in die NATO mitbringen.  © dpa Grafik

Russland dreht Finnland das Gas ab

Finnische Soldaten haben bereits in der Vergangenheit an NATO-Manövern teilgenommen.
Finnische Soldaten haben bereits in der Vergangenheit an NATO-Manövern teilgenommen.  © Lauri Heino/Lehtikuva/dpa

Doch welche russische Reaktion könnte dieser "schwere Fehler" von Finnland und Schweden, das ebenfalls in die NATO möchte, nach sich ziehen?

"Es ist unwahrscheinlich, dass Russland Finnland oder Schweden angreifen wird, nicht zuletzt, weil viele russische Truppen in der Ukraine gebunden sind", sagt NATO-Expertin Aylin Matlé von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik zu GMX. Viel wahrscheinlicher seien Cyberangriffe oder Desinformationskampagnen.

Auch hat Russland am Samstagmorgen wie angekündigt seine Gaslieferungen an Finnland eingestellt. Begründet wird der Schritt damit, dass der finnische Versorger Gasum nicht mehr, wie aufgefordert, in Rubel zahle.

"Wir haben uns aber sorgfältig auf diese Situation vorbereitet, und falls es keine Störungen im Gasnetzwerk gibt, werden wir all unsere Kunden in den kommenden Monaten mit Gas beliefern können", beruhigte dessen Chef Mika Wiljanen seine Landsleute schon vorab.

Doch auch wenn diese Zuspitzung wirklich nur halb so wild sein dürfte und ein heißer Nachbarschaftsstreit noch in weiter Ferne liegen dürfte: Die Fronten verhärten sich am russisch-finnischen Gartenzaun.

Titelfoto: Montage: Mikko Stig/Lehtikuva/dpa

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