Fäkalien, Müll, Zerstörung: Wie Lkw-Fahrer ein Gewerbegebiet vernichten

Leipzig - Jeder Autofahrer hat diese Szenen schon beobachtet: Lastwagen verstopfen einen Autobahnparkplatz, stehen aus Platzmangel auf der Zufahrt oder gar auf dem Verzögerungsstreifen. Oft bleibt den Fahrern nichts anderes übrig. Die Schauplätze verlagern sich auch immer weiter in Ortschaften neben den Schnellstraßen – mit hässlichen Folgen.

Weil der Rastplatz Kabelsketal dauerhaft überlastet ist, weichen Lkw-Fahrer auf benachbarte Gemeinden aus.
Weil der Rastplatz Kabelsketal dauerhaft überlastet ist, weichen Lkw-Fahrer auf benachbarte Gemeinden aus.  © Google Maps

So auch in Gröbers, einem Stadtteil von Kabelsketal zwischen Halle (Saale) und Leipzig. Weil der kleine Parkplatz Kabelsketal nur wenige Stellflächen für Lastwagen hat, sind die unter dem Druck von Lenk- und Pausenzeiten stehenden Fahrer gezwungen, schnell Alternativen zu finden.

Weil aber auch der nächste und übernächste Parkplatz vor allem bei Einbruch der Dunkelheit überfüllt ist, wird in Ortschaften und Gewerbegebiete an den Autobahnen ausgewichen.

Teilweise 100 Sattelschlepper stehen so jede Nacht in Gröbers, obwohl ihnen das untersagt ist. Anwohner Gerd Krüger beobachtet das Treiben täglich: "Die fahren über den Grünstreifen hinweg, fahren alles kaputt", sagt er in der MDR-Sendung "Exakt – Die Story".

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Er zeigt zahlreiche Fotos, auf denen umgerissene Straßenlaternen zu sehen sind. Ganz abgesehen von dem Müll und den Fäkalien, die hinterlassen werden.

Zur Eröffnung des Gewerbegebiets leuchteten 230 Laternen, heute ist es nur noch ein Bruchteil. 670.000 Euro werden benötigt, um die bisherigen Schäden zu beseitigen, rechnet Bürgermeister Steffen Kunnig vor. Zudem schlagen jährlich 80.000 Euro für die Müllbeseitigung auf die Stadtkasse. Handhabe, den Parkwahnsinn zu verhindern, habe er kaum.

Wie hier in Gröbers steht das Gewerbegebiet voller illegal parkender Lastwagen.
Wie hier in Gröbers steht das Gewerbegebiet voller illegal parkender Lastwagen.  © MDR/André Strobel
Neben Müll werden dann auch Fäkalien hinterlassen.
Neben Müll werden dann auch Fäkalien hinterlassen.  © Screenshot/MDR-Mediathek
Zahlreiche Laternen wurden schon umgefahren.
Zahlreiche Laternen wurden schon umgefahren.  © Screenshot/MDR-Mediathek

Parkplatz-Suche extrem: Bis zu zwei Stunden täglich, um eine Stellfläche zu finden

Lkw-Fahrer Norman Engel kennt den täglichen Stress der Einhaltung der Lenk- und Pausenzeiten bestens.
Lkw-Fahrer Norman Engel kennt den täglichen Stress der Einhaltung der Lenk- und Pausenzeiten bestens.  © MDR/André Strobel

4,5 Stunden dürfen Lkw-Fahrer wie Norman Engel am Stück fahren, ehe sie eine Dreiviertelstunde Pause einlegen müssen. Nach weiteren viereinhalb Stunden Fahrt ist Feierabend, zweimal die Woche dürfe er auch täglich zehn Stunden fahren.

Gern würde er die Lenk- und Pausenzeiten einhalten, doch auch er kennt die katastrophale Situation auf den Rastplätzen zur Genüge.

Ein bis zwei Stunden, das haben Untersuchungen ergeben, sucht ein Fernfahrer nach einem Parkplatz – Tag für Tag! Auch bei Norman, der diesmal von Sachsen-Anhalt ins Ruhrgebiet unterwegs war, waren es 90 kostbare Minuten.

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Schätzungen zufolge fehlen jede Nacht 23.300 Stellplätze in Deutschland, teilweise wird sogar von mehr als dem Doppelten ausgegangen.

Schon 2018 hat die Bundesanstalt für Straßenwesen bestimmt, dass in Sachsen (1549), Sachsen-Anhalt (814) und Thüringen (942) mehr als 3000 Parkplätze fehlen.

Der Güterverkehr wächst. Und zwar schneller, als neue Lkw-Parkplätze nachgebaut werden können. 39 Prozent Wachstum zwischen 2010 und 2030 wurden für den Straßengüterverkehr prognostiziert.

Immerhin will der Bund 100 Millionen Euro jährlich für den Bau neuer Lkw-Parkplätze ausgeben. Deutlich mehr als in den Vorjahren. Doch bis die fertiggestellt sind, müssen Norman und seine Kollegen weitersuchen. Tag für Tag.

Eine intelligente Rastanlage spart Platz und Nerven

Am Rastplatz Inntal-West an der A93 werden Lastwagen von einem Computer nach Abfahrtszeiten platziert.
Am Rastplatz Inntal-West an der A93 werden Lastwagen von einem Computer nach Abfahrtszeiten platziert.  © Screenshot/MDR-Mediathek

Wie man den vorhandenen Platz bestmöglich ausreizen kann, zeigt eine Parkanlage an der A93.

Dort, an der Raststätte Inntal-West an der deutsch-österreichischen Grenze kurz vor Kufstein, wurde das System des Kolonnenparkens eingeführt.

Der Ablauf: Ein Lastwagen fährt an ein Terminal, gibt seine künftige Abfahrtszeit ein. Ein Computer misst die Länge des Fahrzeugs und weist ihm mittels Ampelsystem einen geeigneten Stellplatz zu.

Vorn stehen dann die, die am nächsten Morgen zuerst losfahren, direkt dahinter die mit späteren Abfahrtszeiten. So können dicht an dicht mehrere Lkw hintereinander stehen, ohne Rangierflächen einzuhalten, wodurch 50 Prozent mehr Fahrzeuge auf die vergleichbare Fläche eines normalen Rastplatzes passen.

Dem Parkchaos Herr werden will auch Denise Schuster, Geschäftsführerin von "Park Your Truck" aus Dessau-Roßlau. Sie akquiriert Grundstücksbesitzer an Autobahnen, die freie Flächen zur Verfügung haben, und vermietet diese Plätze an Speditionen. 15 Euro pro Nacht kostet sie das pro Lkw im Schnitt.

Mehrere Preise hat Schuster für die 2013 entstandene Idee schon bekommen. Damit leistet sie immerhin einen kleinen Schritt raus aus dem Parkplatzchaos für die Lkw-Fahrer auf unseren Straßen.

Die ganze Sendung gibt's in der MDR-Mediathek zum Nachschauen.

Titelfoto: Google Maps

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