Bas, Klingbeil und Klüssendorf: SPD hat neue Führung gewählt

Berlin - Die neue Führungsspitze der SPD ist komplett: Der Bundesparteitag in Berlin hat Tim Klüssendorf (33) zum Generalsekretär gewählt. Der 33-Jährige erhielt am Abend 90,8 Prozent der Delegiertenstimmen. Neben Vizekanzler Lars Klingbeil (47) steht nun Arbeitsministerin Bärbel Bas (57) an der Parteispitze. Zusammen sollen sie den Sozialdemokraten in einer tiefen Krise neue Orientierung geben.

Lars Klingbeil (47, SPD), Bundesminister der Finanzen und Vizekanzler sowie Bärbel Bas (57, SPD), Bundesministerin für Arbeit und Soziales sind die neue Doppelspitze der SPD.
Lars Klingbeil (47, SPD), Bundesminister der Finanzen und Vizekanzler sowie Bärbel Bas (57, SPD), Bundesministerin für Arbeit und Soziales sind die neue Doppelspitze der SPD.  © Michael Kappeler/dpa

Klingbeil startet jedoch mit einem schweren Dämpfer in diese Aufgabe: Er schrammte knapp am schlechtesten Ergebnis in der Geschichte der SPD-Vorsitzwahlen vorbei. Das macht deutlich: In der SPD rumort es - wegen der zuletzt rigorosen Personalpolitik, aber auch beim Thema Krieg und Frieden.

Während es in der Aussprache auf dem Berliner Parteitag vergleichsweise zurückhaltend blieb, machten die SPD-Delegierten ihrem Unmut bei der Wahl der Parteispitze kräftigt Luft. Klingbeil erhielt nur 64,9 Prozent der Stimmen - das zweitschlechteste Ergebnis eines SPD-Chefs aller Zeiten. Nur Oskar Lafontaine (81) hatte 1995 mit 62,6 Prozent noch weniger Zustimmung bekommen - anders als Klingbeil allerdings mit einem Gegenkandidaten, Rudolf Scharping.

"Das Ergebnis ist für mich ein schweres Ergebnis", sagte der Vizekanzler. Er hätte sich gewünscht, der ein oder andere hätte diesen Unmut auch in der Debatte geäußert.

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Zugleich verteidigte er seine Entscheidungen der letzten Monate: "Es war richtig, dass wir uns neu aufgestellt haben, um zu Stärke zurückzukehren." Die Parteilinke Bas, die eine mitreißende und launige Bewerbungsrede hielt, bekam dagegen kräftige Rückendeckung von der Partei: Die 57-Jährige erhielt 95 Prozent der Delegiertenstimmen.

Tim Klüssendorf ist im Alter von 33 Jahren zum neuen SPD-Generalsekretär gewählt worden.
Tim Klüssendorf ist im Alter von 33 Jahren zum neuen SPD-Generalsekretär gewählt worden.  © Kay Nietfeld/dpa

Klingbeil räumt Fehler ein

Auch der ehemalige Bundeskanzler Olaf Scholz (67, SPD) nahm am Parteitag in Berlin teil.
Auch der ehemalige Bundeskanzler Olaf Scholz (67, SPD) nahm am Parteitag in Berlin teil.  © Kay Nietfeld/dpa

Zuvor hatte Klingbeil Fehler im Wahlkampf und in seinem Verhalten nach der Bundestagswahl eingeräumt. Er trage ohne Frage Verantwortung für das historisch schlechte Ergebnis von 16,4 Prozent, sagte der Vizekanzler. Er bat seine Partei fast inständig, dass sie "nach einer Klartext-Aussprache über die letzten Monate" wieder gemeinsam nach vorne schauen möge.

Das schlechteste Bundestagswahl-Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik - in solchen Situationen sind schon Parteichefs zurückgetreten. Klingbeil aber griff im Februar nach der Macht und machte sich zum Hauptansprechpartner für Wahlsieger Friedrich Merz (69) bei den schwarz-roten Koalitionsverhandlungen.

Auf dem Parteitag versicherte Klingbeil, er habe "nicht aus Selbstzweck" gehandelt, "sondern weil ich alles dafür tun will, dass unsere Partei wieder stark wird".

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Nach der Wahl habe es für ihn nur zwei Möglichkeiten gegeben: "Entweder ich höre auf oder ich gehe voll in die Verantwortung für die SPD." Er habe sich fürs Kämpfen entschieden.

Bas kritisiert Umgang mit Esken

Gratulation gab es auch von der Ex-Parteichefin Saskia Esken (63, m.).
Gratulation gab es auch von der Ex-Parteichefin Saskia Esken (63, m.).  © Kay Nietfeld/dpa

Heute ist der 47-jährige Niedersachse Vizekanzler und führt mit dem Finanzministerium das mächtigste Ressort der Bundesregierung. Auf wichtigen Positionen installierte er Vertraute. Seine bisherige Co-Parteichefin Saskia Esken dagegen sitzt künftig als einfache Abgeordnete im Bundestag.

Klingbeils neue Co-Vorsitzende übte deutliche Kritik am Umgang der Partei mit Esken. Diese habe erleben müssen, "dass Solidarität nicht immer selbstverständlich ist – auch nicht in der Sozialdemokratie". Doch wenn die SPD für eine solidarische Gesellschaft kämpfen wolle, müsse sie zuallererst eine solidarische Partei sein. "Sonst glaubt uns das keiner!"

Esken selbst hatte der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" vor dem Parteitag gesagt, sie habe sicher auch Fehler gemacht. "Aber die Art, wie Häme über mich ausgekübelt worden ist, war unverhältnismäßig und würdelos."

Bas steht auch inhaltlich für die angestrebte Neuausrichtung der SPD: Die Sozialdemokraten wollen wieder mehr auf ihre traditionellen Kernthemen setzen und wieder zur Partei der Arbeit werden. Mit dem Parteitag will die SPD den Prozess für ein neues Grundsatzprogramm anstoßen.

Erstmeldung vom 27. Juni 2025, 20.22 Uhr; letzte Aktualisierung 22.04 Uhr.

Titelfoto: Fotomontage: Michael Kappeler/dpa//Kay Nietfeld/dpa

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