Boris Palmer zieht nach Judenstern-Vergleich Konsequenzen

Tübingen - Wirbel um Boris Palmer (50): Der Tübinger Oberbürgermeister hat sich nach seinen umstrittenen Äußerungen in Frankfurt am Main entschuldigt und will eine Auszeit nehmen. Außerdem will er bei den Grünen austreten.

Boris Palmer (50) will eine Auszeit nehmen. (Archivbild)
Boris Palmer (50) will eine Auszeit nehmen. (Archivbild)  © Christoph Schmidt/dpa

"Die Erwähnung des Judensterns war falsch und völlig unangemessen", schrieb er in einer persönlichen Erklärung, die der dpa vorliegt. Er entschuldigte sich darin bei den Menschen, die er enttäuscht habe.

"Eines ist mir klar: So geht es nicht weiter", schrieb Palmer. "Die wiederkehrenden Stürme der Empörung kann ich meiner Familie, meinen Freunden und Unterstützern, den Mitarbeitern in der Stadtverwaltung, dem Gemeinderat und der Stadtgesellschaft insgesamt nicht mehr zumuten."

Wie der Spiegel berichtete, ist Palmer bei den Grünen ausgetreten. Das habe er per E-Mail an den Landesvorstand Baden-Württemberg getan. In der Nachricht hieß es: "Ich möchte damit vermeiden, dass die aktuellen Diskussionen um mich eine weitere lang anhaltende Belastung für die Partei werden, für die ich seit 1996 mit viel Herzblut gekämpft habe." Die Partei bestätigte den Austritt am Montagabend.

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Palmer hatte am Freitag mit einer verbalen Auseinandersetzung mit einer Gruppe vor einer Migrationskonferenz in Frankfurt am Main für Aufsehen gesorgt. Vor einem Gebäude der Goethe-Universität hatte er zu Art und Weise seiner Verwendung des "N-Wortes" Stellung bezogen.

Als er mit "Nazis raus"-Rufen konfrontiert wurde, sagte Palmer zu der Menge: "Das ist nichts anderes als der Judenstern. Und zwar, weil ich ein Wort benutzt habe, an dem ihr alles andere festmacht. Wenn man ein falsches Wort sagt, ist man für euch ein Nazi. Denkt mal drüber nach." Mit dem sogenannten N-Wort wird heute eine früher in Deutschland gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben.

Boris Palmer will "zerstörerische Verstrickungen" aufarbeiten

Vor der Migrationskonferenz im Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam (FFGI) kam es zu Palmers Äußerungen.
Vor der Migrationskonferenz im Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam (FFGI) kam es zu Palmers Äußerungen.  © Peter Hemmelrath/dpa

Palmer kündigte nun an, in einer Auszeit "professionelle Hilfe" in Anspruch zu nehmen und "meinen Anteil an diesen zunehmend zerstörerischen Verstrickungen aufzuarbeiten". "Wenn ich mich zu Unrecht angegriffen fühle und spontan reagiere, wehre ich mich in einer Weise, die alles nur schlimmer macht."

Solange er nicht sicher sei, neue Mechanismen der Selbstkontrolle zu beherrschen, die ihn vor Wiederholungen sicherten, werde er "alle Konfrontationen mit
ersichtlichem Eskalationspotenzial durch Abstinenz vermeiden". "Das betrifft Themen und Veranstaltungen und alle Arten öffentlicher Äußerungen gleichermaßen."

Tübingens OB schrieb darüber hinaus in seiner Erklärung: "Niemals würde ich den Holocaust relativieren, wie kritisiert wurde. Dass dieser Eindruck ohne Kenntnis der Hintergründe entstehen konnte, obwohl auch in meiner eigenen Familie die Zeit des Nationalsozialismus ihre Spuren hinterlassen hat, tut mir unsagbar leid."

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Palmer war für seine Äußerungen in Frankfurt am Main heftig kritisiert worden. Unverständnis gab es nicht nur bei den Beteiligten in der Stadt, sondern auch in Baden-Württemberg.

Anwalt Rezzo Schlauch (75) wandte sich von Palmer ab, der Tübinger Grünen-Stadtverband ging auf Distanz, und die Gruppe "Vert Realos" - ein Zusammenschluss sogenannter Realpolitiker bei den Grünen - will künftig ohne Palmer weiterarbeiten.

Erstmeldung: 19.29 Uhr. Aktualisiert: 19.44 Uhr.

Titelfoto: Christoph Schmidt/dpa

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