"Wokeness" und Co.: Boris Palmer kritisiert die Grünen scharf

Tübingen - Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (49, Grüne) hat seiner Partei eine fehlende Streitkultur vorgeworfen.

Inzwischen wird in seiner Partei überhaupt nicht mehr gestritten, findet Boris Palmer (49, Grüne).
Inzwischen wird in seiner Partei überhaupt nicht mehr gestritten, findet Boris Palmer (49, Grüne).  © Bernd Weißbrod/dpa

"Diese Partei muss verdammt aufpassen, dass sie nicht von einer avantgardistischen lebendigen Partei zu einer der eingeschlafenen Füße wird", sagte Palmer dem Südkurier und der Heilbronner Stimme (Dienstag).

Er kämpfe dafür, dass man zurückkehre zu einer offenen Streitkultur, die Differenzen aushalte und sich nicht einmauere.

Es werde inzwischen bei den Grünen überhaupt nicht mehr gestritten, das gelte selbst für Waffenlieferungen in die Ukraine.

Boris Palmer hält Vortrag in Ungarn und erntet massive Kritik
Boris Palmer Boris Palmer hält Vortrag in Ungarn und erntet massive Kritik

Er sei noch dabei gewesen, als man auf Parteitagen gestritten habe wie die Kesselflicker und Joschka Fischer (73, Grüne) als Kriegstreiber beschimpft worden sei, sagte Palmer den Zeitungen.

Zugleich kritisierte Palmer die inhaltliche Ausrichtung der Grünen. Er mache sich große Sorgen über diese Verwandlung in eine Partei, in der die Funktionäre einer neuen Ideologie huldigten.

"Nämlich ebendieser Wokeness, die die Menschen nicht mehr als Individuen sieht, sondern ihnen Rechte und Pflichten zuteilt, je nach ihrer Zugehörigkeit zu fiktiven Identitäten, die an Hautfarbe, Ethnizität und sexueller Orientierung festgemacht werden", sagte Palmer.

Unter "Wokeness" oder Wachsamkeit versteht man allgemein ein großes Bewusstsein für soziale Ungleichheit sowie rassistische oder sexistische Diskriminierung.

OB-Wahl: Palmer will als Unabhängiger antreten

Diese Scheinkonsense, diese ständige Verletztheit und das Dahertragen der eigenen Gefühle als Maßstab für die ganze Welt machten die Auseinandersetzung in der Sache unmöglich, befand Palmer. Darum gehe es auch in dem Parteiausschlussverfahren gegen ihn.

Ein Landesparteitag hatte Anfang Mai 2021 beschlossen, ein Parteiordnungsverfahren gegen den wegen seiner Provokationen umstrittenen Rathauschef anzustrengen. Zur Tübinger OB-Wahl im Herbst möchte Palmer als unabhängiger Kandidat antreten.

"Wenn es so weit kommen sollte, lege ich Wert darauf, dass die Grünen gegen den grünen Amtsinhaber antreten. Und nicht ich gegen die Grünen", sagte Palmer.

Titelfoto: Bernd Weißbrod/dpa

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