Kai Wegner im Interview: Wird der CDU-Mann der große Gewinner oder Verlierer der Berlin-Wahl?

Berlin - Wenn Berlin am Sonntag, dem 12. Februar, sein neues Abgeordnetenhaus wählt, könnte Kai Wegner (50, CDU) zugleich der größte Gewinner und Verlierer des Abends werden. In Umfragen liegt die CDU zwar weit vorne, ist aber bei der Suche nach möglichen Koalitionspartnern auf Mitglieder des aktuellen Rot/Rot/Grünen Bündnisses angewiesen. TAG24 hat mit Wegner auch darüber gesprochen.

Spitzenkandidat Kai Wegner (50) möchte aus dem Roten Rathaus ein von der CDU regiertes machen.
Spitzenkandidat Kai Wegner (50) möchte aus dem Roten Rathaus ein von der CDU regiertes machen.  © Montage: Christophe Gateau/dpa, Paul Hoffmann

TAG24: Herr Wegner, ganz schön stressig zurzeit, oder? Haben Sie bis zum 12. Februar eigentlich noch einmal frei?

Kai Wegner: Auch außerhalb von Wahlkämpfen habe ich ganz selten freie Tage. Aber klar, im Wahlkampf ist alles noch intensiver.

TAG24: Wie viel Prozent ist Politik Hobby und wie viel Beruf?

Wegner: Beides zu fast 100 Prozent. Na klar ist die Politik mittlerweile mein Beruf. Aber ich mache sie auch mit ganz großer Leidenschaft und ganz großer Freude. Mir macht es wirklich Spaß, gerade auch im Wahlkampf, Kontakt zu den Menschen zu haben. Ich habe das große Glück, einen Beruf zu haben, der mir richtig Freude macht.

TAG24: Apropos: Freuen Sie sich, dass die Wahl im September 2021 so unfassbar schiefgelaufen ist?

Wegner: Einerseits freue ich mich für die Menschen in unserer Stadt, die unter der rot-grün-roten Chaospolitik leiden, dass Berlin nochmal eine Chance für einen echten Neustart hat. Andererseits tut es mir als gebürtigem Berliner im Herzen weh zu sehen, wie sehr dieses Desaster vom Wahltag der Stadt schadet. Wir haben einen Imageschaden, der gar nicht zu beziffern ist. Bislang war jedem klar, Berlin kann keinen Flughafen, Berlin kann keine Verwaltung – jetzt weiß die ganze Welt, dass Berlin nicht mal mehr demokratische Wahlen kann. Das hätte ich unserer Stadt gerne erspart!

Kai Wegner hofft, dass Berlin endlich "vernünftig" regiert wird

Wegner im Gespräch mit TAG24-Politikredakteur Paul Hoffmann (30).
Wegner im Gespräch mit TAG24-Politikredakteur Paul Hoffmann (30).  © Theresa Pohl

TAG24: Warum kann Berlin das alles nicht?

Wegner: Weil Probleme hier immer nur benannt, aber nicht angepackt und gelöst werden. Der Senat hat in Berlin gar nicht so sehr ein Erkenntnisproblem; SPD, Grüne und Linke reden seit Jahren über dieselben Dinge. Das Problem mit diesem Senat ist: Nichts wird besser, es wird nicht gehandelt, nur geredet.

TAG24: Was stimmt Sie denn optimistisch, am 13. Februar mit einem "Schwarzen Rathaus" aufzuwachen?

Wegner: Das Rathaus darf von außen gerne so bleiben, wie es ist. Es muss aber von Innen endlich vernünftig regiert werden. Dafür trete ich an. Der Wechsel ist diesmal möglich.

TAG24: Und woher kommt der Optimismus?

Wegner: Wir haben eine ganz hohe Motivation in unserer Partei. Ich habe sowas noch nie erlebt, dass alle so sehr für den politischen Wechsel in der Stadt kämpfen. Auf den Straßen gibt es eine Wechselstimmung, mich sprechen sogar eingetragene SPD-Mitglieder an, diesmal CDU zu wählen.

Ist der Wahlsieg des CDU-Spitzenkandidaten am Ende auch etwas wert?

Ganz so harmonisch wie Ende Januar auf der Grünen Woche geht es zwischen Franziska Giffey (44, SPD) und Bettina Jarasch (54, Grüne) aktuell wohl nicht zu. Beide kämpfen intern um die Nummer 1 im Rot/Rot/Grünen Bündnis.
Ganz so harmonisch wie Ende Januar auf der Grünen Woche geht es zwischen Franziska Giffey (44, SPD) und Bettina Jarasch (54, Grüne) aktuell wohl nicht zu. Beide kämpfen intern um die Nummer 1 im Rot/Rot/Grünen Bündnis.  © Fabian Sommer/dpa

TAG24: Sie werden die Wahl den Umfragen nach gewinnen: Aber was, wenn es für SPD/Linke/Grüne auch mit Platz zwei, drei und vier zum Weiterregieren reicht?

Wegner: Das Entscheidende ist, dass ich von den Berlinern einen klaren Regierungsauftrag bekomme. Dann kann eine mögliche Koalition der Wahlverlierer nicht einfach so weitermachen. Dafür hätten auch die Berliner kein Verständnis. Da gibt es gewisse demokratische Spielregeln, die auch von den Parteien einzuhalten sind, die seit langer Zeit an der Macht sind.

TAG24: SPD und Grüne zoffen sich aktuell auch ganz schön.

Wegner: Wie SPD und Grüne über sich herfallen, das habe ich so noch nicht gesehen. Das sollte mich als politischer Rivale eigentlich freuen, tut es aber nicht, weil es schlussendlich den Berlinern schadet. Nichts bewegt sich mehr, es wird alles blockiert. Wer sich so streitet, der kann doch am Tag nach der Wahl nicht so tun, als ob nichts passiert sei. Kurzum: Die Grünen sind sehr genervt von der SPD und die SPD ist sehr genervt von den Grünen. Auch hier zeigt sich: Berlin braucht dringend einen Wechsel.

TAG24: Ihre Einschätzung: Wer macht im Zweikampf von SPD und Grünen das Rennen?

Wegner: Eigentlich ist das egal, denn Frau Giffey will mit Frau Jarasch weitermachen und Frau Jarasch will mit Frau Giffey weitermachen. Deshalb ist jede Stimme für SPD und Grüne eine Stimme für ein Rot/Grün/Rotes Weiter so. Wer will, dass sich etwas ändert, muss diesmal CDU wählen.

Berlin-Wahl: Der Kampf zwischen Auto und Rad spaltet die Massen

Die CDU positioniert sich in Berlin klar zum Auto.
Die CDU positioniert sich in Berlin klar zum Auto.  © Paul Hoffmann

TAG24: Wie schafft man es, dass Auto und Rad besser miteinander klarkommen?

Wegner: Das Thema ist in Berlin mittlerweile durch SPD, Grüne und Linke so ideologisch aufgeladen, dass die Aggressivität im Straßenverkehr immer weiter zunimmt. So oft, wie ich Autos auf den Straßen hupen höre, so oft, wie ich fluchende Fahrradfahrer sehe – das war früher nicht so. Oder Fußgänger, die manchmal nur noch wegspringen können… Diese Aggressivität ist hausgemacht, weil alle Verkehrsteilnehmer nur noch gegeneinander ausgespielt werden. Der rot-grün-rote Kulturkampf gegen das Auto ist der falsche Weg. SPD, Grüne und Linke missachten die Bedürfnisse der Berliner. Das will ich anders lösen!

TAG24: Wie denn?

Wegner: Wir haben beispielsweise viele Unfälle im Kreuzungsbereich mit Radfahrern. Warum bekommt man es nicht hin, endlich diese Bereiche sicherzumachen? Da könnten zwei oder drei Parkplätze weggenommen werden, Vorschaltampel gebaut werden, dagegen hat doch keiner etwas! Aber wenn der Senat in Anwohnerstraßen vier Meter breite Radwege durchdrücken will, nur um Parkplätze zu vernichten, dann ist das der falsche Weg. Ich stehe für eine Verkehrspolitik, die alle mitnimmt. Wir wollen doch alle ein friedliches Miteinander auf den Straßen und dafür muss Politik sorgen.

TAG24: Also ist auch die CDU für die Reduzierung von Parkplätzen in Berlin?

Wegner: Für den Wirtschaftsverkehr braucht es Lade- und Lieferzonen. Und wir müssen das Carsharing-Angebot hochfahren – auch das nimmt Parkplätze in Anspruch. Auch die Elektroroller sollen nicht auf den Bürgersteigen stehen. Aber dafür muss man nicht 50 Prozent aller Parkplätze abschaffen, wie es die Grünen um Frau Jarasch gegen die Mehrheit der Berliner durchdrücken wollen.

In Teil zwei lest Ihr morgen, warum die Farbe der CDU-Berlin eigentlich blau ist und wie es mit Wegner in der Bildung weitergehen würde.

Titelfoto: Montage: Christophe Gateau/dpa, Paul Hoffmann

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