Politikprofessor zur Sachsen-Wahl: "Bürger erwarten in Krisenzeiten Antworten"

Dresden - Die meisten Wahlumfragen zur Landtagswahl sehen die AfD vorn. Aber sie zeigen immer nur ein momentanes Stimmungsbild, sagt der Dresdner Politikprofessor Hans Vorländer (69). Mehr verrät er im TAG24-Interview.

Professor Hans Vorländer (69, r.) im Gespräch mit TAG24-Redakteur Thomas Staudt (57).
Professor Hans Vorländer (69, r.) im Gespräch mit TAG24-Redakteur Thomas Staudt (57).  © Thomas Türpe

TAG24: Herr Prof. Vorländer, zäumen wir das Pferd von hinten auf: Wer gewinnt die Landtagswahl?

Hans Vorländer: Klar ist nur, dass sich bis dahin viel verändern kann. Es kann zum Beispiel sein, dass die Partei, die die meisten Stimmen hat, nicht die Regierung stellt.

TAG24: ... wie die rechtspopulistische PVV von Geert Wilders in den Niederlanden. Ich frage anders: Wird der Höhenflug der AfD in Sachsen bis zur Wahl halten?

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Vorländer: Das Wählerpotenzial der AfD ist ziemlich stabil. Deshalb wird die Partei bei der Landtagswahl in einem Rahmen abschneiden, wie ihn diverse Stimmungsbarometer bereits gezogen haben. Also 30 Prozent plus/minus X.

TAG24: Politiker profilieren sich über Themen. Welche werden die heiße Phase des Wahlkampfs bestimmen?

Vorländer: Es gibt ein Thema, das sehr stark von der AfD, aber auch von Teilen der CDU öffentlich besetzt wird, und jetzt auch noch von BSW - das ist die Migrationsfrage. Dann ist da die soziale Frage und die der wirtschaftlichen Zukunftssicherung. Bei anderen Fragen sind die Grünen prominent, etwa bei den Themen Gleichberechtigung und Klimawandel. Auch die Unterstützung der Ukraine wird sicher eine Rolle spielen.

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In Krisenzeiten erwarten die Bürger Lösungen, sagt Hans Vorländer.
In Krisenzeiten erwarten die Bürger Lösungen, sagt Hans Vorländer.  © Thomas Türpe

TAG24: Wie erklären Sie die vielen Parteineugründungen?

Vorländer: Die Bürger erwarten in Krisenzeiten Antworten. Wenn die demokratischen Parteien der Mitte in der Wahrnehmung der Wähler keine geben, entsteht ein Vertrauensverlust und Unzufriedenheit. Das ist der Resonanzboden, auf dem kleine Parteien versuchen, den Protest aufzusaugen und in Stimmen umzusetzen.

Die Folge ist ein fragmentiertes Parteiensystem, das die Regierungsbildung erschweren wird.

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TAG24: Stellen Sie sich vor, Sie wären der Wahlkampfmanager von Michael Kretschmer, was würden Sie ihm raten?

Vorländer: Ich würde ihm sagen, dass die Abgrenzung gegen die Ampel nur bedingt trägt. Dass es nicht alleine reicht, die Probleme den anderen in die Schuhe zu schieben, sondern dass er Antworten geben muss, was er für Sachsen tun will. Und Zuversicht würde nicht schaden. Die letztlich entscheidende Frage wird sein, ob er einen Amtsbonus entwickeln kann. In Sachsen-Anhalt hat es Haseloff beispielsweise geschafft, die CDU auf der Zielgeraden nach oben zu ziehen, weil er ein hohes Ansehen und weil er eine Rolle als Landesvater gespielt hat.

Vorländer ist Seniorprofessor am Institut für Politikwissenschaften der TU Dresden.
Vorländer ist Seniorprofessor am Institut für Politikwissenschaften der TU Dresden.  © Thomas Türpe

TAG24: Gehen sie eigentlich selbst zur Wahl?

Vorländer: Ja! Ich werde wohl keine Briefwahl machen.

Titelfoto: Thomas Türpe

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