Köpping unter Beschuss: "Geht das nicht vollständig an der Realität vorbei?"

Dresden - In einem Interview am Mittwoch wurden der SPD-Spitzenkandidatin Petra Köpping (65) im Vorfeld der Landtagswahlen in Sachsen "miserable Umfragewerte" und "realitätsferner" Wahlkampf an den Kopf geworfen.

Der Wahlkampf von SPD-Spitzenkandidatin Petra Köpping (65) wurde von der Welt-Journalistin als "vollständig an der Realität vorbei" beschrieben. (Archivbild)
Der Wahlkampf von SPD-Spitzenkandidatin Petra Köpping (65) wurde von der Welt-Journalistin als "vollständig an der Realität vorbei" beschrieben. (Archivbild)  © Kristin Schmidt

Ein paar Fragen, wie man in Sachsen denn die Wähler von der AfD zurückgewinnen wolle, ein kleiner Ausflug in die Zeit der Wiedervereinigung und schließlich die allgegenwärtige Frage, ob die Bundesregierung nicht auch irgendwie schuld sei – wirklich innovativ waren die Fragen von Welt-Journalistin Hannah Bethke (44) im Gespräch mit der SPD-Politikerin nicht.

Doch plötzlich riss es den Leser aus dem Sekundenschlaf, als die Politik-Redakteurin einen von Köppings Wahlkampf-Slogans zitierte: "Wir setzen weiter auf die Themen, die die Menschen hier tatsächlich bewegen."

"Geht das nicht vollständig an der Realität vorbei?", fragte die Redakteurin und trat anschließend weiter nach. "Ganz offensichtlich fühlen sich die meisten Menschen in Sachsen von der SPD nicht vertreten. Sie haben ja nicht nur miserable Umfragewerte, bei der letzten Landtagswahl 2019 hat die SPD ja auch schon 4,7 Prozentpunkte verloren und ist auf einen einstelligen Wert gefallen."

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Nicht an der Realität, dafür leicht an der Fragestellung vorbei ging allerdings die darauffolgende Antwort der SPD-Spitzenkandidatin: "Mir geht es darum, die Menschen wieder zusammenzuführen. Wir müssen wieder lernen, unterschiedliche Meinungen auszuhalten und uns zuzuhören. Da hat sich etwas verfestigt, jeder lebt in seiner eigenen Blase, das müssen wir aufbrechen."

Realitätsverlust: Bei Kretschmer platzt Köpping die Hutschnur!

So oder so ähnlich dürfte Köpping geschaut haben, als Ministerpräsident Michael Kretschmer (48, CDU) die Ampel-Politik mit der DDR verglichen hat. (Archivbild)
So oder so ähnlich dürfte Köpping geschaut haben, als Ministerpräsident Michael Kretschmer (48, CDU) die Ampel-Politik mit der DDR verglichen hat. (Archivbild)  © Jan Woitas/dpa

Während das Gehirn des politisch interessierten Lesers noch versucht, einen Zusammenhang zwischen dem Aushalten "unterschiedlicher Meinungen" und den Themen, "die die Menschen hier tatsächlich bewegen", herzustellen, ist das Interview dann auch schon wieder vorbei.

Was der Begriff "Realität" (Wirklichkeit) für Köpping und ihren Wahlkampf bedeutet, wurde an anderen Stellen des Interviews schon etwas ersichtlicher.

So halte die 65-Jährige es für bedenklich, dass einer in Sachsen als rechtsextrem eingestuften Partei, der AfD, mehr Vertrauen geschenkt werde als dem Verfassungsschutz.

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"Viele halten sie nicht für rechtsextrem, obwohl der Verfassungsschutz den AfD-Landesverband in Sachsen als gesichert rechtsextremistisch eingestuft hat. Doch anstatt an der AfD zu zweifeln, bezweifeln manche nun, dass der Verfassungsschutz legitim und seine Einstufung der AfD rechtlich korrekt ist."

Eine andere Auffassung der Wirklichkeit unterstellte Köpping auch ihrem Kontrahenten, Ministerpräsident Michael Kretschmer (48, CDU): "Wenn er sagt, die Wirtschaftspolitik der Ampel erinnere an die Planwirtschaft der DDR, dann platzt mir die Hutschnur. Er weiß offenbar nicht, was die Planwirtschaft wirklich bedeutet hat."

Köppings Rezept für den Wahlsieg: Mehr über SPD-Erfolge reden!

Kommunikation ist für Köpping das A und O im Wahlkampf. (Archivbild)
Kommunikation ist für Köpping das A und O im Wahlkampf. (Archivbild)  © Kristin Schmidt

Damit all die Wähler ihre eigenen Blasen verlassen und wieder auf den Boden der SPD-Realität zurückkehren können, richtete Köpping direkt noch einen Vorschlag an ihre Parteifreunde: "Vielleicht erzählen wir zu wenig über unsere Erfolge."

Kommunikation sei dabei das Schlüsselwort, auch für Bundeskanzler Olaf Scholz (65, SPD): "Er muss sich mehr zu Wort melden. Außenpolitisch ist er mittlerweile sehr anerkannt. Aber die Koalition muss den Menschen erklären und zeigen, was erledigt worden ist. Das geht durch diese Streitigkeiten der Ampel unter."

Köpping finde es "schade", dass es der Ampel-Koalition nicht gelinge, ihre gefundenen Kompromisse positiv nach außen zu tragen.

Sie selbst trete da schon deutlich offensiver an die Bürger heran: "Wenn ich nach Wahlkämpfen mit Bürgern spreche, und es geht zum Beispiel um kostenfreie Kitas oder Ähnliches, dann werde ich sofort angesprochen und gefragt: Warum macht ihr das nicht? Und ich sage dann immer: Weil ihr uns nicht gewählt habt! Mit 7,7 Prozent der Stimmen kann ich so etwas nicht umsetzen."

Titelfoto: Jan Woitas/dpa

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