Berg-Karabach hört auf zu existieren: Selbstauflösung beschlossen

Stepanakert - Die Regierung der international nicht anerkannten Republik Arzach (Berg-Karabach) hat nach der Niederlage gegen Aserbaidschan die Auflösung aller ihr unterstehenden Behörden bis zum 1. Januar 2024 beschlossen.

Ethnische Armenier aus Berg-Karabach trösten eine junge Frau bei ihrer Ankunft in Kornidzor in der Region Syunik.
Ethnische Armenier aus Berg-Karabach trösten eine junge Frau bei ihrer Ankunft in Kornidzor in der Region Syunik.  © Vasily Krestyaninov/AP

Das berichteten armenische Medien am Donnerstag unter Berufung auf ein von Regierungschef Samwel Schachramanjan unterzeichnetes Dokument. "Dann beendet auch die Republik Berg-Karabach (Arzach) ihr Bestehen", hieß es dort weiter.

Demnach wurde die Entscheidung wegen der schweren politischen und militärischen Lage getroffen. Sie ziele darauf ab, die Sicherheit und das Leben der Bevölkerung in Berg-Karabach zu schützen. Die Auflösung war Teil der Kapitulationsbedingungen.

Die Region ist seit Jahrzehnten zwischen den Ex-Sowjetrepubliken Aserbaidschan und Armenien umstritten. In den 1990er Jahren konnte sich das auf aserbaidschanischem Gebiet liegende, aber mehrheitlich von Armeniern bewohnte Berg-Karabach mithilfe Eriwans in einem blutigen Bürgerkrieg von Baku loslösen.

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Die Revanche gelang dem mit Öl- und Gaseinnahmen hochgerüsteten und autoritär geführten Aserbaidschan 2020, als es große Teile Berg-Karabachs zurückeroberte.

Auch der anschließend geschlossene und eigentlich von russischen Truppen zu überwachende Waffenstillstand erwies sich als brüchig. Nach kurzen heftigen Angriffen in der vergangenen Woche konnte Aserbaischan schließlich die Kapitulation der Regierung in Berg-Karabach erzwingen und das Gebiet vollständig erobern.

Tausende Armenier flüchten

Ein verwundeter armenischer Mann namens Sasha (84) aus Stepanakert in Berg-Karabach wird von Freiwilligen bei seiner Ankunft in der armenischen Stadt Goris in der Region Syunik gestützt.
Ein verwundeter armenischer Mann namens Sasha (84) aus Stepanakert in Berg-Karabach wird von Freiwilligen bei seiner Ankunft in der armenischen Stadt Goris in der Region Syunik gestützt.  © Vasily Krestyaninov/AP/dpa

Nach der Auflösung der Republik Berg-Karabach müsse sich die Bevölkerung mit den Gesetzen Aserbaidschans zur Eingliederung der Region vertraut machen, um dann selbst zu entscheiden, ob sie nach Berg-Karabach zurückkehren wolle, hieß es in dem Erlass Schachramanjans.

Nach dem Sieg der Aserbaidschaner hat eine Massenflucht der Armenier eingesetzt, die Gewalt und Verfolgung durch die Sieger befürchten. Inzwischen sind 65.000 Menschen ins Mutterland Armenien geflüchtet. Weitere Zwangsumsiedler sind auf dem Weg.

Satellitenbilder zeigen lange Autostaus entlang des Latschin-Korridors, der die einzige Verbindung aus der abgelegenen Gebirgsregion nach Armenien ist.

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Das aserbaidschanische Militär, das den Korridor zuvor monatelang blockiert und somit eine humanitäre Katastrophe in Berg-Karabach provozierte, hat die Trasse für die Ausreise der Armenier geöffnet.

Allerdings unter strenger Kontrolle. So haben die Behörden in Baku am Mittwoch am Grenzübergang den Ex-Regierungschef von Berg-Karabach, Ruben Wardanjan, festgenommen. In Aserbaidschan wird dem einst auch in Russland aktiven Geschäftsmann nun unter anderem Finanzierung von Terrorismus vorgeworfen, wie aserbaidschanische Medien am Donnerstag meldeten.

Experten erwarten, dass praktisch alle in Berg-Karabach lebenden Armenier die Region verlassen. Offiziellen Angaben zufolge waren das zuletzt 120.000 Menschen.

Titelfoto: Vasily Krestyaninov/AP

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