Friseure öffnen wieder: Ringen um Termine und gestiegene Preise

Schweinfurt/Fürstenfeldbruck/München - Eine Stammkundin mit Tränen in den Augen, ein erster Termin für 422 Euro - die Öffnung von Friseur-Salons wird sehnsüchtig erwartet. Egal, ob Lockdown-Locken oder andere fiese Frisen - bald sind die Haare wieder schön. Doch bedeutet das Zotteln runter, Preise rauf?

Die Friseumeisterin und Besitzerin des Friseursalon "Extra Locke" in Schweinfurt, Margit Rosentritt, reinigt einen sogenannten "Hairmaster".
Die Friseumeisterin und Besitzerin des Friseursalon "Extra Locke" in Schweinfurt, Margit Rosentritt, reinigt einen sogenannten "Hairmaster".  © Nicolas Armer/dpa

Scheren und Bürsten liegen bereit, genau wie Schutzbrillen, Handschuhe, Mund-Nasen-Schutz: Im Friseur-Salon "Extra Locke" in Schweinfurt ist das Team für die ersten Kunden gewappnet - egal, ob haarsträubende Selbstversuche, Lockdown-Locken, grauer Ansatz oder sonstige fiese Frisen. "Wir sind die kommenden vier Wochen komplett ausgebucht", sagt Inhaberin Margit Rosentritt.

Seitdem bekanntgegeben wurde, dass die rund 80.000 Friseurbetriebe in Deutschland am 1. März wieder öffnen dürfen, habe es eine Flut an E-Mails und Anrufen gegeben. "Manche Kunden fragten schon bevor wir geschlossen haben nach einem Termin am ersten Tag der Öffnung."

Ähnlich ging es anderen Friseuren in Bayern: In Bayreuth versteigerte Friseur Andreas Nuissl den ersten Termin nach dem Lockdown für 422 Euro. Das Geld soll an eine Hilfsorganisation gehen, die sich für Kinder einsetzt.

Mann bei Maibaumwache angezündet! Bekommen die Täter nun ihre gerechte Strafe?
Bayern Mann bei Maibaumwache angezündet! Bekommen die Täter nun ihre gerechte Strafe?

Für viele selbstständige Friseure war die coronabedingte Schließung seit dem 16. Dezember hart, denn Kosten wie Miete, Strom und Versicherungen liefen weiter.

Friseur-Meisterin Rosentritt führt seit 37 Jahren einen eigenen Salon. Sie konnte in dieser Zeit genügend Rücklagen bilden und stockte während des Lockdowns sogar das Kurzarbeitergeld ihrer Mitarbeiter auf 100 Prozent des Gehalts auf.

"Noch immer warten Friseur-Unternehmer auf das Kurzarbeitergeld vom Dezember und Januar"

Friseumeisterin Melanie reinigt im Friseursalon "Extra Locke" in Schweinfurt die Regale.
Friseumeisterin Melanie reinigt im Friseursalon "Extra Locke" in Schweinfurt die Regale.  © Nicolas Armer/dpa

Doch die Schweinfurter Kreishandwerksmeisterin ist sich bewusst, dass nicht alle Kollegen die Corona-Krise so glimpflich überstehen werden. "Diejenigen, die von den Einnahmen leben, haben oft keinen Pfennig in den letzten Wochen gesehen", sagt die 59-Jährige.

Ob Salons schließen müssen, wird sich ihrer Einschätzung nach in einem halben bis dreiviertel Jahr zeigen.

Der Landesinnungsverband des bayerischen Friseurhandwerks schätzt, dass im Laufe des Jahres jeder vierte Friseur-Salon im Freistaat schließen muss.

Rekordzahl bei Einbürgerungen: Von hier stammen die meisten neuen Bürger Bayerns
Bayern Rekordzahl bei Einbürgerungen: Von hier stammen die meisten neuen Bürger Bayerns

"Die staatlichen Hilfen sind leider nach wie vor nicht passgenau für das Friseur-Handwerk und werden außerdem für viele Betriebe zu spät kommen", sagt Landesinnungsmeister Christian Kaiser. "Noch immer warten Friseur-Unternehmer auf das Kurzarbeitergeld vom Dezember und Januar und wissen nicht, wie sie ihren Mitarbeitern das Februar-Gehalt zahlen sollen."

Rund 20 Prozent des Jahresumsatzes 2020 sind dem Landesinnungsverband zufolge durch den Lockdown im Frühjahr vergangenen Jahres und die Schließung vor Weihnachten verloren gegangen. Für 2021 seien es bereits über 15 Prozent.

"Das kann auch nicht mehr aufgeholt werden", sagt Kaiser.

Viele Friseure erhöhen ihre Preise

Die Friseurinnen Sandra (l) und Athraa (r) kleben im Friseursalon "Extra Locke" in Schweinfurt Markierungen auf den Boden.
Die Friseurinnen Sandra (l) und Athraa (r) kleben im Friseursalon "Extra Locke" in Schweinfurt Markierungen auf den Boden.  © Nicolas Armer/dpa

Während sich in anderen Bereichen der Konsum zeitlich verlagere, sei das beim Friseur nicht möglich. "Ein ausgefallener Friseurbesuch - bei fast elf Wochen Schließung sind das zumindest bei Kurzhaarfrisuren und Ansatzfärbungen bereits zwei Friseurbesuche - kann nicht nachgeholt werden."

Im Salon "Extra Locke" bleibt jeder zweite Stuhl zur Einhaltung des Mindestabstandes leer. Zwischen den Plätzen und Waschbecken stehen Schutzscheiben. Zwei Luftreiniger, rund zwei Meter hoch, hat Rosentritt aus eigener Tasche bezahlt. "Die Luft wird innerhalb von 15 Minuten ganz und gar ausgetauscht", erklärt sie.

Das Personal muss mindestens medizinische Gesichtsmasken tragen, die Kunden FFP2-Masken. Eine Spülmaschine wurde nach dem ersten Lockdown angeschafft, damit Kaffee und andere Getränke angeboten werden können. "Denn der Friseurbesuch soll ja auch ein bisschen Erholung sein."

Die erhöhten Schutz- und Hygieneauflagen für die Wiedereröffnung zwängen Friseure dazu, ihre Preise neu zu kalkulieren. "So wie das jeder betriebswirtschaftlich handelnde Unternehmer machen muss", sagt Kaiser. Auch der Salon "Extra Locke" erhöht die Angebote um je zwei Euro.

Coworking-Space für Friseure im Münchner Glockenbachviertel

Haarschneidescheren sind im Co-Working-Space Nicnoa zu sehen. Friseure dürfen in Bayern wieder ab dem 01.03.2021 öffnen, nachdem sie im Lockdown nicht arbeiten durften.
Haarschneidescheren sind im Co-Working-Space Nicnoa zu sehen. Friseure dürfen in Bayern wieder ab dem 01.03.2021 öffnen, nachdem sie im Lockdown nicht arbeiten durften.  © Felix Hörhager/dpa

Mitten in der Corona-Krise hat Nico Rapp etwas gewagt, das für einige riskant erscheinen mag: Der Friseur-Meister hat sich selbstständig gemacht. Im Münchner Glockenbachviertel, in der Nähe des Deutschen Museums, hat der 33-Jährige einen "Coworking-Space" für Friseure eingerichtet.

In seinem Laden können Friseure einen Stuhl mieten - inklusive Inventar, Reinigung, Versicherungen und Materialien wie Shampoo oder Conditioner. "Viele Menschen wollen heutzutage eine gewisse Freiheit und Flexibilität haben und selbst entscheiden, wann und wie viel sie arbeiten", beschreibt Rapp die Idee.

Im September eröffnete der Salon "Nicnoa & Co.", im Oktober waren fast die Hälfte der Stühle vermietet - im Dezember kam die Schließung. "Wie mit angezogener Handbremse" verliefen die letzten knapp elf Wochen, beschreibt Rapp. Der bunt gemischte Haufen an selbstständigen Friseuren unterstütze sich nun gegenseitig.

Das Problem: "Die Stuhlmieter, die sich kürzlich selbstständig gemacht hatten und keine Umsätze vorweisen können, kriegen keine Unterstützung vom Staat."

"Ich bin froh, dass die Politik erkannt hat, dass wir relevant sind"

Eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Friseur-Dienstleistungen von 19 auf 7 Prozent wäre "dringend notwendig", findet der Landesinnungsverband des bayerischen Friseurhandwerks. "Damit könnte die Bundesregierung Friseur-Kunden und -Unternehmer gleichermaßen entlasten", sagt Kaiser.

Auch der Anreiz zur Schwarzarbeit könnte durch eine niedrigere Mehrwertsteuerlast stark gemindert werden, und die steuerpflichtigen Umsätze steigen.

Wie wichtig ein Friseurbesuch für manche Menschen ist, hat Rosentritt erfahren, als eine ihrer Stammkunden erzählte, sie habe Tränen in den Augen gehabt, nachdem sie von der Wiedereröffnung erfahren hatte.

"Wir reden nicht von 20-Jährigen, die rote Strähnen haben wollen. Das sind Kunden, die einmal in der Woche kommen und für die wir die einzigen Ansprechpartner in dieser Zeit sind", sagt die Friseur-Meisterin. "Ich bin froh, dass die Politik erkannt hat, dass wir relevant sind."

Am Montag wird Margit Rosentritt über zwölf Stunden im Salon stehen: Ihr erster Termin ist um acht Uhr morgens - die letzte Kundin kommt um 20 Uhr.

Titelfoto: Nicolas Armer/dpa

Mehr zum Thema Bayern: