Leben auf einem Boot: Syrischer Flüchtling erfüllt sich einen Traum auf der Ostsee

Travemünde - Mit 16 Jahren flüchtete Fardous Almansouri (26) gemeinsam mit zwei Brüdern aus Syrien nach Deutschland. Nun hat er sich ein eigenes kleines Reich geschaffen - auf einem alten, wackeligen Boot.

Fardous Almansouri (26) genießt das Leben auf seinem alten Boot.
Fardous Almansouri (26) genießt das Leben auf seinem alten Boot.  © privat

Schon seit frühester Kindheit verfolgt Fardous die Anime-Serie One Piece, bei der es um eine Piratenbande auf großer Schatzsuche geht. "Und das hat mir auch einen superkrassen Bezug zum Meer gegeben. Zu dieser Freiheit, mit dem Boot um die Welt zu reisen", erzählt der 26-Jährige im Gespräch mit TAG24.

Und wie es der Zufall manchmal will, tauchte im vergangenen Herbst in einer Instagram-Story plötzlich dieses Boot auf. Fardous, der 2015 zusammen mit seinen beiden älteren Brüdern den Weg über den Libanon, die Türkei, per Schlauchboot nach Griechenland und nach Deutschland wagte, lebte zu diesem Zeitpunkt in Thüringen.

Da seine Freundin in Hamburg wohnte, er dadurch regelmäßig in Norddeutschland war und das Boot in Lübeck lag, schaute er es sich an. Obwohl der Koch eigentlich pleite war, weil er seine Eltern in Syrien unterstützte.

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Es war Liebe auf den ersten Blick. "Zu der Zeit dachte ich mir, das Boot ist gerade vom Himmel gefallen und konnte nur mich treffen", sagt der Syrer. Da er klamm war, überzeugte er Freunde, gemeinsam das Boot zu kaufen. Im November 2024 schlugen sie zu.

Dann kam das böse Erwachen. "Als ich in Kontakt mit anderen Bootseignern gekommen bin, haben die sich auch mal erlaubt, ihre Meinung zu äußern. Ich habe dann schon so mitbekommen, okay, ich habe nicht den Fang gemacht", so der Koch.

Das Boot müsste aus dem Wasser, doch dafür fehlt das Geld

Der alte Kahn ist wackelig und träge, segeln kann Fardous Almansouri damit nur in Küstennähe.
Der alte Kahn ist wackelig und träge, segeln kann Fardous Almansouri damit nur in Küstennähe.  © privat

Der alte Kahn ist nicht für das raue Meer, das große Abenteuer gebaut. Nicht mal für die Nordsee. "Man sollte damit auf der Ostsee bleiben, möglichst auch nur in Küstennähe", sagt Fardous enttäuscht.

Zudem gerät er in einen Teufelskreis. Das Boot müsste dringend aus dem Wasser, um das Unterwasserschiff von Bewuchs zu befreien. Doch liegt es erst mal auf dem Trockenen, kann er nicht mehr darauf wohnen. Und eine passende Wohnung in Lübeck zu finden, gestaltet sich schwierig.

Immerhin findet er immer wieder Unterstützer. "Wir haben jetzt die letzten paar Monate in Travemünde von einem netten Herrn, der auch in einem Hafen arbeitet, viel Hilfe bekommen, was Segelausrüstung angeht. Er hat uns neue Seile organisiert, ein neues Segel. Wir haben von ihm vor allem aber auch Wissen bekommen", erzählt der 26-Jährige.

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Ein bisschen was hat er gemeinsam mit einem Freund, mit dem er sich in den vergangenen Monaten die rund sieben Quadratmeter kleine Achterkajüte geteilt hat, und dem Hafenarbeiter also schon geschafft. Auf dem Meer war er allerdings noch nicht so oft unterwegs. "Und immer wenn es dazu kam, hat sich das Boot sehr träge gesegelt", sagt Fardous.

Träge geht es mitunter auch in den Häfen zu, wo der Syrer mit seinem "Piratenschiff" zwischen all den auf Hochglanz polierten Segeljachten nicht ausschließlich positive Erfahrungen sammelt.

Fardous Almansouri begegnet Ablehnung mit Freundlichkeit

Fardous Almansouri würde sich in der Segler-Community mehr Offenheit und Unterstützung für Neulinge wünschen.
Fardous Almansouri würde sich in der Segler-Community mehr Offenheit und Unterstützung für Neulinge wünschen.  © privat

Die Szene sei paradox, meint der Flüchtling. Auf der einen Seite habe er viel materielle Hilfe bekommen, aber mit Wissen zur Seefahrt seien die Segler sehr zurückhaltend. Ihm werde vermittelt, dass man seine eigenen Erfahrungen sammeln müsse.

Für Neulinge sei es schwer, zwischen den alteingesessenen Seglern einen Platz zu finden. Doch mit Ablehnung komme er klar, die habe er zur Genüge von seinem eigenen Vater erfahren. "Er wollte nur zwei Kinder, ich war das dritte. Ich sollte abgetrieben werden. Das habe ich zu spüren bekommen, auch in Form von Gewalt", so Fardous.

Heute begegne er Ablehnung mit Freundlichkeit. "Wenn die Menschen merken, dass ich ganz nett bin, sind sie auch freundlich zu mir", sagt der Koch.

Seine Mutter kann nun nach zehn Jahren endlich nachkommen. Seine Brüder und er haben sich verpflichtet, für sie zu sorgen. Er möchte eine Ausbildung im IT-Bereich beginnen. Um nicht örtlich gebunden zu sein und "genug Geld zu verdienen, um im Supermarkt nicht jeden Preis vergleichen zu müssen".

Bis dahin will er hart arbeiten, um das Boot Stück für Stück in Schuss zu bringen und vielleicht doch noch mehr als nur die Ostseeküste zu sehen. Bis dahin erhofft er sich Unterstützung von anderen Seglern, einen Heimathafen und jemanden, der mit an Bord kommt und ihm das Segeln richtig beibringt.

Titelfoto: privat

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