Nach Waldbränden im Harz: Nationalpark ist "Opfer, kein Täter!"

Von Christian Grube

Wernigerode - Waldbrände im Harz – nirgendwo sonst wird so emotional über Ursachen und Folgen diskutiert. Ende 2022 wurde eine gemeinsame Erklärung zum Waldbrandschutz abgegeben. Es wurde gehofft, dass damit die gegenseitigen Schuldzuweisungen ein Ende haben und man gemeinsam an einem Strang zieht.

Friedhart Knolle (67), Mitglied beim BUND, setzt sich für den Schutz des Nationalparks Harz ein.
Friedhart Knolle (67), Mitglied beim BUND, setzt sich für den Schutz des Nationalparks Harz ein.  © privat

Nach mehreren kleineren Bränden im Bereich des Brockens flammt die Diskussion wieder neu auf. Zuletzt sprach der Kreisbrandmeister des Landkreises Harz – Kai-Uwe Lohse (60) - von einem mangelnden Löschkonzept.

TAG24 konnte sich nun mit Friedhart Knolle (67) zum Gespräch treffen. Der Goslarer ist ehemaliger Pressesprecher des Nationalparks Harz und heutiges Mitglied im BUND.

Für ihn ist die öffentliche Diskussion über das Waldbrandthema vor allem eins: "Sehr emotional und Interessen-gesteuert. Es wäre hilfreich, wenn sich alle, die ihre Meinung öffentlich äußern, nur an den sachlichen Fakten orientieren."

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Es ist auffällig, dass der oberste Feuerwehrmann im Harz Kai-Uwe Lohse nicht müde wird, immer wieder Dinge für den Harz zu fordern.

"Wenn man die Diskussion verfolgt, scheint es so, als ob er den Nationalpark als Schuldigen ausgemacht habe. Doch der Nationalpark ist Opfer der Waldbrände, nicht Täter! Er verliert wertvollen Wald und benötigt Unterstützung, nicht ständige öffentliche Beschuldigungen", so Knolle.

Nationalpark und Landkreis streiten sich um Waldbrände im Harz

Ein Großteil der Waldbrände entsteht entlang der Bahnstrecke der Harzer Schmalspurbahn.
Ein Großteil der Waldbrände entsteht entlang der Bahnstrecke der Harzer Schmalspurbahn.  © Matthias Bein/dpa

Aber auch der Ilsenburger Bürgermeister Dennis Loeffke (55, CDU) sprach zuletzt von einer "gewollt hohen Brandlast im Nationalpark".

Für diese Aussagen hat Friedhart Knolle kein Verständnis, und sie seien sachlich nicht nachvollziehbar: "Die Totholzentwicklung ist nationalparkspezifisch, und das liegende und stehende Totholz gehört mit seiner wichtigen Rolle im Naturhaushalt zu den Schutzgütern des Nationalparks. Durch zahlreiche Untersuchungen wissen wir aber, dass Totholz kein Brandbeschleuniger ist, weil es in der Regel feuchter ist als seine Umgebung."

"Zunächst brennt trockenes Gras, dann Reisig und grüne Fichten und erst, wenn die Brandtemperatur höher ist, kann auch Totholz brennen. Feuerwehrleute berichten von regelrecht explodierenden grünen Fichten, weil sie durch ihre brennbaren Stoffe wie Terpene und andere ätherische Öle sehr entzündlich sind. Die zahlreichen Weihnachtsbaumbrände haben wir alle vor Augen", erklärt Knolle.

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Fakt ist: Zwischen dem Landkreis Harz und dem Nationalpark Harz scheint spätestens seit September 2022 der Haussegen gewaltig schief zu hängen. Die Kreisverwaltung hatte die betroffenen Waldbrandflächen teils zehnmal so hoch angegeben, wie schlussendlich vom Nationalpark und dem zuständigen Landwirtschaftsministerium in Magdeburg ermittelt worden sind.

So wurden beim Brand am Königsberg 2022 vom Landkreis 450 Hektar Fläche angegeben, ermittelt worden schlussendlich nur 12,5 Hektar – vergleichbar mit einer Größe von gut 18 Fußballfeldern. Auffällig war schon damals, dass die Mehrzahl der Brände entlang der Bahnstrecke der Harzer Schmalspurbahn auftraten.

Knolle: "So gut wie alle Waldbrände sind menschenverursacht!"

Das heiße Wetter und viel Totholz führen im Harz immer häufiger zu Bränden.
Das heiße Wetter und viel Totholz führen im Harz immer häufiger zu Bränden.  © Matthias Bein/dpa

Dies belegt auch eine Zusammenstellung Brände, die im Zuge einer Kleinen Anfrage im Landtag Sachsen-Anhalt erstellt worden ist. Auch die Staatsanwaltschaft Halberstadt kam jüngst zu dem Ergebnis, dass der große Band am Königsberg im letzten Jahr unmittelbar mit dem Betrieb der Harzer Schmalspurbahn zusammenhängt.

"So gut wie alle Waldbrände sind durch Menschen verursacht. Auch entlang von Autobahnen und anderen Straße brennt es oft – Ursache ist auch hier der Mensch. Die absolute Mehrzahl der Brände im Nationalpark Harz beginnt an den Trassen der HSB, seit der Wiedereröffnung etwa 130, die bisher ca. 15 Hektar Wald verbrannt haben", fasst Friedhart Knolle zusammen.

Das 67-Jährige prangert außerdem an: "Es wird übrigens kaum diskutiert, dass die meisten Brände an der Brockenbahn dort stattfinden, wo gar kein Wald mehr wächst, nämlich auf den Freiflächen der Brockenkuppe. Totholz liegt dort gar nicht. Die Bahn hat zahlreiche Vorschläge gemacht, was man zur Brandverhütung noch machen könnte – sie müssen jetzt endlich und schnellstens umgesetzt werden."

"Die zweithäufigste Ursache für Waldbrände sind illegale Lagerfeuer und ihre Folgewirkungen", so Knolle.

Einen Lerneffekt hätte die Gebühr, wenn sie im Geldbeutel weh tut!

Die sogenannten Wernigeroder Erklärung sieht vor, dass die Harzer Schmalspurbahn bis Waldbrandstufe 3 (wie derzeitig) ohne Einschränkungen fahren kann, ab Stufe 4 wird eine Absprache mit den zuständigen Behörden getroffen.

Bei der höchsten Stufe 5 wird die Brockenstrecke nur noch mit Dieselloks befahren. Die HSB erklärte sich damals zur Prüfung vorbeugender Maßnahmen bereit. Was diese Prüfungen ergeben haben, ist unklar. Die geringe Gebühr von fünf Euro, sollte man trotz Rauchverbot in den Zügen erwischt werden, ist bis dato nicht angehoben worden. Einen Lerneffekt hätte die Gebühr, wenn sie im Geldbeutel weh tut.

In jedem Fall muss im Harz an einem Strang gezogen werden. Interessen-gesteuerte Diskussionen führen zu keinem nachhaltigen Ergebnis.

Titelfoto: Bildmontage: Matthias Bein/dpa

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