Diese Pfarrerin aus Sachsen lässt sich weder Yoga noch den Mund verbieten

Mittweida - Sie liebt Yoga, geht gern reiten, sammelt Steine und besucht auch mal das Wave-Gotik-Treffen in Leipzig. Nina-Maria Mixtacki (34) mag so gar nicht in die Schublade einer "normalen" Pfarrerin passen - auch weil sie ihre Meinung offen in den sozialen Medien vertritt.

Nach einem anstrengenden Tag sind Schmuseeinheiten mit den Katern Leo (10, F.) und Luis (11) eine Wohltat für die Seele von Nina-Maria Mixtacki.
Nach einem anstrengenden Tag sind Schmuseeinheiten mit den Katern Leo (10, F.) und Luis (11) eine Wohltat für die Seele von Nina-Maria Mixtacki.  © Kristin Schmidt

"Doch was ist das normale Bild einer Pfarrerin? Wie sollte eine Pfarrerin denn sein?", entgegnet sie auf die Skepsis der Menschen.

"Gottes Wort ist die Wahrheit. Nicht deine Meinung darüber" oder "Die Bibel ist wahr, und du lebst dagegen", sind nur einige der kritischen Kommentare, mit denen sich Nina-Maria Mixtacki bei Instagram konfrontiert sieht.

Auf ihrem Profil "atmen.glauben.leben" widmet sie sich verschiedenen Themen, auch Liebe, Sex und Ehe.

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Prekär! Denn ihre Bibelauslegungen dazu gefallen nicht jedem.

"Es soll jeder so leben, wie er mag. Aber ich finde es schwierig, wenn argumentiert wird, das muss so sein, das will Gott von uns, oder das steht so in der Bibel", sagt Mixtacki, die sechs Jahre lang Theologie in Leipzig studiert hat.

Einer ihrer Schwerpunkte dabei: die feministische Theologie, eine Strömung, die in den 1960er-Jahren erstarkte.

Albe (weißes Gewand) und Stola sowie der schwarze Talar gehören zur Arbeitskleidung der Pfarrerin.
Albe (weißes Gewand) und Stola sowie der schwarze Talar gehören zur Arbeitskleidung der Pfarrerin.  © Kristin Schmidt
In der Mittweidaer Stadtkirche „Unser lieber Frauen“ wird immer sonntags um 10.30 Uhr der Gottesdienst gefeiert.
In der Mittweidaer Stadtkirche „Unser lieber Frauen“ wird immer sonntags um 10.30 Uhr der Gottesdienst gefeiert.  © Kristin Schmidt

Pfarrerin aus Mittweida: "Ich will das alte Verständnis aufbrechen"

Vom Sofa in ihrem Arbeitszimmer aus nimmt sie die Videos für ihre Social-Media-Kanäle auf.
Vom Sofa in ihrem Arbeitszimmer aus nimmt sie die Videos für ihre Social-Media-Kanäle auf.  © Kristin Schmidt

"Besonders beim Alten Testament ist das richtige Detektivarbeit", meint sie. "Ich schaue, was gab es einmal und wie wurden die Texte bearbeitet. Dabei versuche ich, die patriarchalische Brille abzulegen und zu schauen, was darunter steckt", erklärt sie.

So versucht sie, die Bibel aus der Perspektive der Frauen zu lesen. "Es lassen sich viele Gleichnisse aus der Welt der Frauen finden. Auch tauchen Frauen immer wieder auf, manche ohne Namen, und spielen eine wichtige Rolle. So zum Beispiel Maria als Mutter, Maria Magdalena als Apostelin, die Prophetin Hulda, die Richterin Debora und dann die wundervolle Ostergeschichte, in der die Frauen die ersten sind, die von der Auferstehung Jesu berichten", zählt sie auf.

"Deshalb ist es skurril, wenn Paulus dann zum Beispiel sagt, dass Frauen nicht predigen dürfen." Auch wurden oft Wörter, die im Hebräischen eigentlich weiblich sind, bei der Übersetzung vermännlicht. "Heiliger Geist müsste man eigentlich richtig mit Heilige Geistkraft übersetzen", sagt Nina-Maria Mixtacki, die seit drei Jahren für die evangelische Stadtkirche Mittweida (Landkreis Mittelsachsen) zuständig ist.

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"Ich will die liturgische Tradition nicht mit Füßen treten, aber ich will das alte Verständnis aufbrechen." Und so betet sie nicht nur das "Vater Unser", sondern zuweilen auch das "Mutter Unser" oder das "Mutter Vater Unser".

Am 25. August (19.30 Uhr) startet Nina-Maria Mixtacki die Reihe "Gottes starke Töchter".
Am 25. August (19.30 Uhr) startet Nina-Maria Mixtacki die Reihe "Gottes starke Töchter".  © Kristin Schmidt

Pfarrerin gibt Yoga-Kurse für ihre Kirchgemeinde

"Der Baum" ist eine der bekanntesten Yoga-Figuren, die jeder zum Beispiel am Morgen einbauen kann, während der Kaffee durchläuft. Dabei einen festen Stand suchen und ein Bein leicht anwinkeln. Die Schwierigkeit kann man steigern, indem das Bein immer höher wandert.
"Der Baum" ist eine der bekanntesten Yoga-Figuren, die jeder zum Beispiel am Morgen einbauen kann, während der Kaffee durchläuft. Dabei einen festen Stand suchen und ein Bein leicht anwinkeln. Die Schwierigkeit kann man steigern, indem das Bein immer höher wandert.  © Kristin Schmidt

Nach so viel Kopfarbeit sucht die gebürtige Stollbergerin ihren Ausgleich im kleinen Garten hinter dem Pfarramt, beim Ausritt mit ihrem Pferd oder beim Yoga, ihrer ganz großen Leidenschaft. "Ich habe damit im Unisport angefangen. Das war dann eine On-off-Beziehung", erzählt sie lachend.

"Im Vikariat habe ich das dann für mich wiederentdeckt. Die Kombination aus Atmung und Bewegung war für mich heilsam und kraftbringend." 2018 machte sie schließlich die Ausbildung zur Yoga-Lehrerin und gibt seitdem immer mittwochs für ihre Kirchgemeinde einen Yogakurs. Die werden offline gut angenommen, aber online eckt sie mit ihrem Hobby auch an.

"Es ist einfach falsch, wenn die Leute denken, dass man beim Yoga automatisch hinduistische Götter anbetet", stellt sie klar. "Mir hilft das Bild einer Vase, um mir Yoga vorzustellen. Es kommt auf jeden selbst drauf an, womit man sie füllt. Ich fülle Yoga zum Beispiel mit christlicher Spiritualität." Christliches Yoga nennt sich das.

"Ich bin gerade dabei, ein Buch über christliches Yoga zu schreiben, weil mich viele Nachrichten dazu erreicht haben", schildert Nina-Maria Mixtacki. Mit dem Buch, das sich vor allem an Anfänger richten und im Sommer 2024 erscheinen soll, möchte sie den Lesern die Möglichkeit geben, christliches Yoga auch allein zu Hause machen zu können.

"Ich lasse mir nicht meine Überzeugungen verbieten"

Nina-Maria Mixtacki (34) wollte zuerst gar keine Pfarrerin werden. Doch inzwischen ist der Beruf ihre Passion. Seit drei Jahren predigt sie in der Stadtkirchgemeinde in Mittweida.
Nina-Maria Mixtacki (34) wollte zuerst gar keine Pfarrerin werden. Doch inzwischen ist der Beruf ihre Passion. Seit drei Jahren predigt sie in der Stadtkirchgemeinde in Mittweida.  © Kristin Schmidt

Doch warum tut sich eine junge, moderne Frau den Shitstorm im Netz eigentlich an? "Ich will meinen Alltag als Pfarrerin transparent machen", sagt sie. Denn zu ihren Aufgaben würden nicht nur die Gottesdienste gehören, sondern auch, die Menschen mit all ihren Facetten durchs Leben zu begleiten - von der Geburt bis zur Bahre eben.

"Wenn ich im Netz verbal angegriffen werde, versuche ich, das aufzugreifen und zu thematisieren. Aber ich lasse mir nicht meine Überzeugungen verbieten." Und das kommt auch an. "Ich freue mich so sehr, dich hier gefunden zu haben" und "Danke für die wertvolle Inspiration und das Teilhabenlassen!" sind nur einige positive Reaktionen.

Diese bestärken die Mittweidaerin, genau so weiterzumachen. Und vielleicht braucht die evangelische Landeskirche, die zuletzt einen Mitgliederschwund im fünfstelligen Bereich zu beklagen hatte, genau das: eine unangepasste, meinungsstarke Pfarrerin, die frischen Wind in die Kirche bringt.

Titelfoto: Kristin Schmidt

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