Alleinerziehende aus Sachsen hat drei Kinder und zwei Jobs: Darum will sie kein Geld vom Staat!

Döbeln - Alleinerziehend. Das klingt anstrengend. Ist es auch!

"Unsere Mutti ist die beste Mutti der Welt": Kathleen Bölke (42) mit ihren Jungen Henrik (14), Fredrik (4) und Richard (11), die alle nach nordischen Prinzen und Königen benannt wurden.
"Unsere Mutti ist die beste Mutti der Welt": Kathleen Bölke (42) mit ihren Jungen Henrik (14), Fredrik (4) und Richard (11), die alle nach nordischen Prinzen und Königen benannt wurden.  © Kristin Schmidt

Ganz besonders für Kathleen Bölke (42). Die Arzthelferin aus Döbeln meistert den Alltag mit drei Kindern, zwei Jobs und einer tapferen Selbstverpflichtung: Sie will partout keine staatlichen Zuschüsse kassieren, alles Geld selbst erarbeiten.

Dafür verzichtet die kleine Familie auf vieles. Der Muttertag ist ein gebührender Anlass, der 42-Jährigen stellvertretend für Hunderte alleinerziehende Mütter in Sachsen ein kleines Denkmal zu setzen. Ein typischer Tag mit den Bölkes zeigt: So schwer ist das Schicksal einer alleinerziehenden Mutter wirklich.

Um fünf Uhr klingelt der Wecker. Der Morgen beginnt mit dem einzigen Fixpunkt des Tages - dem gemeinsamen Frühstück.

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Sachsen Weinendes Kind (2) allein auf Parkplatz entdeckt - Passant alarmiert Polizei

"Ich mache den Kindern dabei immer frisches Pausenbrot", sagt Kathleen. Für Fredrik (4) mit Honig, für Richard (11) belegt mit Salami, Henrik (14) mag Käse.

Dann müssen die Älteren zum Schulbus rennen. Abfahrt 6.40 Uhr. Fredrik fährt sie selbst in die Kita und dann zur Arbeit.

"Fangen Sie doch einfach früher an, dann haben Sie weniger Stress", riet ihr einmal dreist ein Chef. Wie bitte? Dann käme sie über die maximal neun Stunden Kita-Betreuungszeit!

Henrik pumpt die Reifen seines geliebten Downhill-Bikes auf.
Henrik pumpt die Reifen seines geliebten Downhill-Bikes auf.  © Kristin Schmidt
Schläft in einem Flitzer-Bett: Abends bekommt Fredrik von Mutti Gute-Nacht-Geschichten vorgelesen.
Schläft in einem Flitzer-Bett: Abends bekommt Fredrik von Mutti Gute-Nacht-Geschichten vorgelesen.  © Kristin Schmidt

Hohe Inflation: Kathleen Bölke muss bei Lebensmittel sparen

Richard würde gern mal wieder nach Paris - wie damals, als sie eine Reise gewonnen hatten. "Doch Urlaub ist finanziell kaum drin", winkt Mutti ab.
Richard würde gern mal wieder nach Paris - wie damals, als sie eine Reise gewonnen hatten. "Doch Urlaub ist finanziell kaum drin", winkt Mutti ab.  © Kristin Schmidt

Es könnte manches einfacher sein. Wenigstens finanziell. "Doch ich habe mir geschworen, ohne Wohngeld, Kinderzuschlag und Aufstockung meines Gehalts durch Bürgergeld auszukommen", erklärt Kathleen.

Tatsächlich liegt sie jetzt zwischen 100 und 150 Euro über der Grenze, ab der sie staatliche Zuschüsse wie Wohngeld beziehen könnte. Stattdessen verdient sie sich nach ihrem Teilzeitjob mit einem Minijob ein zweites kleines Gehalt: 502 Euro netto.

Alimente, zwei Jobs, Kindergeld - dafür stehen der vierköpfigen Familie monatlich mehr als 3000 Euro zur Verfügung. Das klingt vielleicht viel. "Doch allein die Kosten für den wöchentlichen Lebensmitteleinkauf haben sich durch die Inflation um je 100 bis 120 Euro erhöht", sagt Kathleen.

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"Auf Joghurts verzichten wir inzwischen gänzlich, kaufen fast nur noch Waren im Sonderangebot." Davor schlug der Wocheneinkauf mal mit 60, mal bis 80 Euro zu Buche.

Neben den größten Batzen für Miete, Strom, Heizung, Kita- und Hortbetreuung sowie Bus-Tickets frisst zudem das Essensgeld täglich zwischen 3,65 Euro für den Kleinsten, weitere 4,50 Euro in der Grundschule und 4,80 Euro für Henrik auf - pro Schultag! Auch die Sportvereine kosten Beitrag - jeweils 25 Euro für Richards Karate- und Henriks Handballtraining.

Richard sitzt in seinem Zimmer am Laptop bei den Hausaufgaben.
Richard sitzt in seinem Zimmer am Laptop bei den Hausaufgaben.  © Kristin Schmidt

Familientickets: Für Alleinerziehende oftmals nicht hilfreich

"Wir spielen zweimal im Monat zusammen", sagt Kathleen, "aber viel zu selten."
"Wir spielen zweimal im Monat zusammen", sagt Kathleen, "aber viel zu selten."  © Kristin Schmidt

Der Halbtagsjob, Kinder hin- und herfahren, zwischendurch einkaufen. Die Zeit sitzt Kathleen ständig im Nacken. "Es ist immer ein extremer Dauerlauf. Und wenn man wegen Arztterminen einmal zu spät zur Kita kommt, fallen pro angerissener Stunde 2,96 Euro Zuschlag an", klagt Kathleen.

Manches ist gut gemeint, aber wenig hilfreich - zum Beispiel ermäßigte Familientickets. "Die gelten meist für zwei Erwachsene und zwei Kinder. Als Alleinerziehende mit drei Kindern rechnet sich das nicht", erklärt die Döbelnerin. So wird ein Besuch im Leipziger Zoo unerschwinglich, Kino ist jeweils nur noch für Mutti und einen Sohn drin, ein Besuch wie früher beim Mittelaltermarkt jetzt passé.

"Auf dem Rummel zerreißt es mich, wenn ich meinen Jungs nur eine Fahrt spendieren kann", sagt die Mutti. "Trotz alledem versuche ich, pro Kind monatlich 15 Euro zu sparen."

Schließlich will Henrik zur Jugendweihefahrt mit nach England. Kostenpunkt: 600 Euro. Richards Klassenfahrt soll ins Fichtelgebirge gehen und 400 Euro kosten. Taschengeld jeweils noch nicht einberechnet!

Ihr Leben ist wie ein Dauerlauf - anstrengend und kräftezehrend.
Ihr Leben ist wie ein Dauerlauf - anstrengend und kräftezehrend.  © Kristin Schmidt

Nachts beginnt die Arbeit im Haushalt: "Um 2.30 Uhr ist dann auch mein Tag endlich zu Ende"

Nicht nur am Muttertag hilft Klein-Fredrik beim Abtrocknen.
Nicht nur am Muttertag hilft Klein-Fredrik beim Abtrocknen.  © Kristin Schmidt

"Wir fahren auf Schmalspur", gibt Kathleen zu. Defekte Zimmertüren in der Wohnung müssten ebenso wie die Spüle längst ausgetauscht sein. Dem Wohnzimmertisch fehlt schon länger ein Bein. Der Laptop für die Schule wird ratenweise abgestottert.

Das Downhill-Rad für Henrik war nach drei Jahren Ansparzeit ein Auslaufmodell und ein kombiniertes Geburtstags- und Weihnachtsgeschenk. "Ich wünsche mir wirklich kostenfreie Bildung ohne zusätzliche Ausgaben für Hefter, Füller und Übungshefte sowie Schulfahrten", sagt Kathleen. Und was wünschen sich ihre Kinder? "Wir vermissen nichts, wir haben doch alles", sagt Henrik bescheiden.

Abends gehen die Lichter wie umkippende Dominosteine aus - erst um 19 Uhr beim kleinsten, 19.30 Uhr beim mittleren und meist vor 22 Uhr beim großen Bölke. Für ihre Mutter geht die Hausarbeit dann erst richtig los - Wäsche zusammenlegen oder Anträge und Formulare für Behörden und Schule ausfüllen.

"Um 2.30 Uhr ist dann auch mein Tag endlich zu Ende", sagt Kathleen und weiß, dass in ein paar Stunden schon wieder der Wecker klingelt und alles von vorn beginnt. Tag für Tag, Woche für Woche.

Es müssen nicht immer Blumen sein. Ein Küsschen, eine Umarmung und ein "Mami, ich hab dich lieb!" - das hat am Muttertag jede Mutter verdient. Aber Alleinerziehende wie Kathleen Bölke vielleicht ein bisschen mehr.

Titelfoto: Kristin Schmidt

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